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Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


6. Thorgeir erkennt Urdarkötts Abkunft. Urdarkött sieht zu seinem Vater

Wie erzählt wird, war zwischen Asbjörn und dem Goden Thorgeir große Freundschaft und gutes Einvernehmen. Jeder lud den andern zu seinen Gastgeboten, und sie tauschten untereinander gute Gaben. So geschah es auch einen Herbst, daß Asbjörn seinen Schwager Thorgeir zu sich einlud-Er kam auch mit vielen Begleitern, und Asbjörn empfing ibn mit großer Freundlichkeit. Die Bewirtung war vortrefflich. Urdarkött ließ nicht von seiner Gewohnheit ab, nach Strand zu gehen. Jeden Tag lief er dorthin. So tat er es auch diesen Tag, als man beim Mahle saß. Er war jetzt unbändig und sing mit den Mägden zu ringen an. Die wehrten sich kräftig, und es drangen eben viere auf ihn ein. Es gab großen Lärm. Er zog



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sie in die Stube hinein und sie gingen nun heftig aufeinander los. Den Männern kam das sehr ergötzlich vor, ihren Ansturm anzusehen. Es endete damit, daß er alle warf und ihnen schlimm mitspielte.

Und als sie nun ihr Spiel beendet hatten, stand er auf dem Estrich in seinem Zeug, nämlich der Pelzjacke und mit dem krummen Stabe, den er immer in der Hand trug. Thorgeir blickte ihn lange an und sagte dann zu Asbjörn: "Wer ist der Junge, der da herein gekommen ist " Asbjörn antwortete: "Das, mein ich, ist der Sohn Gests und Syrpas aus Hausen." Thorgeir erwiderte: "Das ist unglaublich und das kann nicht sein!" Er rief Urdarkött heran. Der ging sogleich zu ihm und setzte sich auf einen Klotz, der vor ihm stand. Thorgeir sagte: "Wie alt bist du, Urdarkött:" Er antwortete: "Zwölf Jahr bin ich alt." Thorgeir sagte: "Du bist so groß und tüchtig und so wohlgewachsen für dein Alter, daß ich nie einen Häuptlingssohn gesehen habe, der dir in all diesen Dingen gleich käme." Da sagte Asbjörn: "Wenn du Syrpa und Gest, seine Eltern, sähest, Schwager, würdest du sagen, daß sie alles andere als von Häuptlingsart sind; denn niemand hat solche Schweine gesehen wie die beiden. Es ist wunderlich, daß du mit niemandem außer Urdarkött redest. Ich merke, es macht auf dich großen Eindruck, daß er so hübsch aussieht." Thorgeir wurde sehr roi und sagte: "Mir scheint, daß ich es sehr nötig habe, hierüber zu reden; doch will mir vorkommen, daß dir nicht weniger daran liegen müßte, davon zu sprechen." Thorgeir fragte Urdarkött weiter: "Willst du zu Gest und Syrpa gehen: Sage, ich wollte sie sprechen!" Er schlug es ab: "Ich weiß, daß du tust, als könntest du mir einen andern Vater und eine andere Mutter geben. Dafür werden sie dir keinen Dank wissen. Und ich weiß auch noch nicht, ob mir ein anderer Vater oder eine andere Mutter so gefallen würden, wie diese, wenn sie auch ehrenvoller wären."

Darauf wurde ein Mann nach ihnen geschickt, und sie wollten nicht kommen. "Jetzt wird es so kommen," sagte Syrpa, wie mir's schon lange ahnte, daß Urdarkött davon Böses zustoßen würde, daß er jeden Tag dorthin nach Strand läuft und so



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tut; als sei es das einzig Wichtige, dort Lärm zu machen." Man sagte nun dem Thorgeir, daß sie nicht kommen wollten. Da antwortete Thorgeir: "Tu nun, worum ich dich bitte, und hol sie hierher! Ich werde dir dafür gewähren, was du dir wünschst." Urdarkött erwiderte: Ich tu es nicht, wenn du mir nicht zusicherst daß sie nicht betrübter wieder abziehen sollen, als sie zu dir kamen." Thorgeir versprach, gut gegen sie zu sein. Dann endlich ging Urdarkött nach Hause und sagte seinen Eltern, sie möchten mit ihm kommen; — "ich verpflichte mich, solange ich am Leben bin, soll euch kein Geld mangeln, wenn ich erst über mehr Geld zu verfügen habe als jetzt."Syrpa antwortete: "Es hat keinen Sinn, zu widerstreben. Das muß geschehen , was besser ist, wenn es uns auch mißfällt. Wir wollen nur gehen."

Und als sie nach Strand gekommen waren, setzten sie sich auf einen Stuhl vor Thorgeir, Urdarkött zwischen ihnen. Da sagte Thorgeir: "Meine Meinung ist, Syrpa, euer Sohn ist Urdarkött nicht! Und es gilt nun kein Zaudern. Entweder sag, wie es sich verhält, und nimm dafür meinen Dank und meine Freundschaft, oder mach dich gefaßt, bart angepackt zu werden, und dann wirst du doch die Wahrheit sagen müssen!" Syrpa antwortete: "Es ist soweit gekommen, daß es nun das Geratenfte ist, die Wahrheit zu sagen und den wirklichen Verlauf ." Darauf berichteten sie, wie es geschehen war. Alle hörten genau zu, die dabei waren. Thorgeir sagte: "Ich denke, nun sagt ihr wohl die Wahrheit." Da fragte Thorgeir die Thorgerd , wie lange es her sei, daß sie das Kind geboren habe. Sie sagte, es seien nun zwölf Jahre her. Er Sagte, ob sie das Rind ausgesetzt habe. Sie bestätigte es. "Warum tatest du das?' Sagte Thorgeir. Sie entgegnete. vor dem Zorn und der Leidenschaftlichkeit ihres Mannes Asbjörn habe sie es nicht anders gewagt; "sein Befehl war es; ich liebte das Kind so sehr, daß ich es gern aufgezogen hätte,"

Thorgeir sagte zu Asbjörn: "Willst du, Schwager, diesen jungen Menschen als deinen Sohn anerkennen: Und ihn zu dir nehmen und ihn wie dich selber halten:" Asbjörn erwiderte. "Wessen Sohn er ist, das weiß ich nicht. Aber ich kann ihm



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gern zu essen geben wie andern Leuten, wenn du das für gut hältst." "Wenn du nicht väterlich gegen ihn bist und ihm nicht gibst, was er begehrt, so trennt das unsere Freundschaft. Denn ich muste nicht sehen können, wenn er nicht rasch deine und meine verwandten übertrifft. Aber Syrpa und ihrem Mann soll man zwölfhundert Stück vieh 1 geben als Ziehlohn für Urdarkött. Ich will die Hälfte geben, und du sollst die andere übernehmen. Es soll ihnen hierbei die größte Ehre und das größte Glück zuteil werden."

Gest und seine Frau fuhren heim, und es gefiel ihnen überaus. Urdarkött blieb nun auf dem Strandhof und wurde eingekleidet . Was er bisher am Leibe trug, wurde heruntergerissen, und man gab ihm die besten Kleider. Niemand erinnerte sich, einen so schönen und so wohlgebauten Mann gesehen zu haben. Alle meinten nun, daß Thorgeir ihm zu der größten Ehre und zu seinem Glück verholfen habe. Danach ritt Thorgeir mit seinem Gefolge heim. Die beiden Schwäger trennten sich in Freundschaft. Urdarkött blieb nun daheim in Strand. Asbjörn sprach wenig mit ihm, aber nicht unfreundlich. Seine Mutter aber gab ihm alles, was er begehrte, mit der größten Freundlichkeit. Er übte sich nun in allen Leibesfertigkeiten, die einen Mann zieren. So ging es eine Zeitlang, und es verliefen einige Jahre.


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