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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


4. Urdarkött wächst bei Gest und Syrpa auf

Gest kam nach Strand und berichtete der Thorgerd, daß ihre Pflegemutter Syrpa ein Kind geboren habe, und es sei da weder Speise noch Bettzeug im Hause. Thorgerd wunderte sich sehr darüber; ihre Pflegemutter schien ihr zu alt zu sein, um noch ein Kind zu bekommen. Sie verlor aber darüber kein Wort und schickte alles, was nötig war, hinüber. Syrpa war sehr kräftig und litt nicht, daß andere Frauen ihr behilflich wären. Sie nahm dem Kinde die ganze Ausstattung, die es gehabt hatte; weg, denn die war weit ansehnlicher, als sie sich umzutun getraute; statt dessen nahm sie Lumpen und wickelte sie ihm, so elend als es ging, um.

Das wurde nun beides bekannt. Daß das Kind von Asbjörn und Thorgerd ausgesetzt worden sei; und das wurde als eine unerhörte Tat angesehen bei so reichen und mächtigen Leuten. Ebenso, daß Syrpa ein Kind geboren habe. Und das erschien allen denen ungeheuerlich, die das Alter der Syrpa kannten.

Asbjörn kam vom Thing heim, und diese Nachrichten wurden ihm gesagt. Er zeigte sich zufrieden und unter den Eheleuten war nun gutes Einvernehmen.

Gest und Syrpa, so wird berichtet, zogen das Kind auf. Es wuchs so rasch, daß man's nicht glauben mochte. So hübsch und wohlgestalt war das Kind, daß jedermann meinte, Gest und seinem Weibe könne es nicht gehören. Da fragte Gest die Syrpa, wie ihr Kind heißen solle. Sie antwortete, es sei billig, daß es Urdarkött heiße, d. i. Geröllkatze, da es im Geröll gefunden sei. Er wuchs sichtlich mit jedem Tage. Syrpa machte ihm Hosen und einen Kapuzmamel aus grober Wolle. Der Mantel wurde mit seinen Enden in die Hosen geschnürt.

Er hatte einen gekrümmten Stock in der Hand und lief so tagsüber draußen herum. Er war ihnen nützlich, worin er nur konnte, und sie hatten ihn sehr lieb. Als er dreijährig war, war er nicht kleiner als ein Sechsjähriger. Urdarkött lief oft an den Strand, und die Fischer hatten an ihm Gefallen und machten



Thule-Bd.10-133 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

sich ihren Spaß mit ihm, Seiner Pflegemutter Syrpa brachte er stets irgend etwas Nützliches mit nach Hause. Oft kam er nach Strand und war dort bei den Mägden der Thorgerd beliebt . Er schlug sie oder angelte ihnen mit seinem Krummstab nach den Füßen. Dann fluchten sie und sagten ihm derbe Worte. Oft sagten sie es Thorgerd weiter; die schwieg dazu und meinte, man solle ihn seiner Pflegemutter Syrpa wegen in Frieden lassen.

Wenn er dem Asbjörn vor Augen kam, tat der, als wenn er ihn nicht sähe, und äußerte sich weder im guten noch im bösen über ihn. Alle anderen aber zeigten ihre verwunderung, daß er Gests und Syrpas Sohn sein solle, so hinfällig wie die beiden waren, und er war groß und hübsch und verständig. Syrpa forderte ihn oft auf nicht nach Strand zu gehen, —" mir sagt eine Ahnung, daß mir von dort noch etwas Schlechtes droht. Aber es hilft mir nichts, es dir zu verbieten." Urdarkött sagte, das werde nicht so sein. So ging die Zeit, bis er sechs Jahre alt war, da war er nicht kleiner als sonst die Zwölfjährigen und in keinem Stück hinter ihnen zurück.


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