Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


44. Wie Thorkel Glädir erschlug und Gudmund der mächtige betört ward

Thorgils hieß ein Mann, der am Schweinesee 1 wohnte; der hatte ein Weib und mit ihr vier Söhne, und zwei werden mit Namen genannt, Thorvald und Orm. Glädir hieß der Brudersohn Thorgils', der war andrerseits der Schwestersohn Gudmunds des Mächtigen von den Labkrautwiesen 2 . Glädir war ein großer Prahlhans, geschwätzig und töricht und ein gewaltiges Großmaul. Thorgils ritt mit seinem Sohne Thorwald zu Klackaorm, um seine Tochter Sigrid zu werben. Er erhielt zusagende Antwort, und die Hochzeit wurde für die Winternächte in Schattental verabredet.

Dort auf dem Gehöft gab es wenig Leute, aber viel Arbeit, auf den Bergen Schafe und Schweine zusammenzusuchen 3 und viel anderes zu verrichten. Thorkel bot sich an, mit den Arbeitsleuten auf das Gebirge zu ziehen; Orm war es recht. Darauf zogen sie aus, und die Suche ging ihnen langsam von der Hand, denn die Tiere waren scheu; keiner suchte eifriger als Thorkel. Mit den Schweinen schien's am schwersten fertig zu werden. Thorkel schonte sich nicht und bot sich stets zu der Arbeit an, der die andern aus dem Wege gingen. Und als sie sich Essen bereiten wollten, sprach Thorkel: "Wär's nicht billig, daß wir uns ein Ferkel zum Mahle herlangten?" Thorkel fing eins und richtete es sum Mahle her. Alle waren darin einig, daß Thorkel sie an Hilfsbereitschaft übertreffe. Sie kamen beim.

Avaldi hieß ein Mann, der bei Klackaorm diente; der war Jugjalds Sohn; er war Vogt, aber Hild, sein Weib, führte die Wirtschaft im Hause; sie war die Tochter des Eyvind Querkopf.



Thule-Bd.10-114 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

Kurz bevor die Hochzeit sein sollte, kam Glädir aus den Fjorden im Osten und erfuhr diese Zeitung und Abmachung. Glädir sagte, er habe auch andere Kunde gehört, nämlich Thorkel Krabblers Bergfahrt, daß er zum Schweinebraten bestellt worden sei, sagte, das sei auch grade recht für den Magdsohn, und sagte, er habe ein Ferkel getötet, das nur eben die Nacht vorher die Muttermilch gesogen hatte, und sich selbst neben die Sau gelegt, denn er habe gefroren wie eine Betze. Thorgils sprach:"Das ist ein törichtes vergnügen, das du dir da machst. Man sagt, Thorkel bat sich so betragen, wie es durchaus wohlanständig war, dort und anderwärts." "Gans erbärmlich hat er sich aufgeführt, scheint mir," sagte Glädir.

Nun kamen die Leute zum Hochzeitsfeste da sprach Thorkel zu Orm, seinem Ziehvater ': "Ich will den Gästen dienstlich sein und die Arbeit leiten und für die Ordnung beim Feste sorgen." Orm sprach, das wolle er gern annehmen. Thorkel diente mit Würde und Anstand. Orm und seine Vettern saßen auf dem Hochsitz der niedrigeren Seite und auch seine Mannen; Thorkel sorgte aufmerksam für die Gäste und war demütig in seinem Dienste. Die aus dem Schweinetal lachten gewaltig über ihn und sagten, großartig mache sich der Magdsohn. Thorkel nannte es bessere Hofsitte, Heiterkeit und fröhliche Reden für die Bewirtung zu zahlen als Spott und Beleidigungen. Glädir sagte, er habe viele Großtaten verrichtet: — "und darob magst du wohl groß tun; die ja zujüngst, daß du das Ferkel erschlugst, das eine Nacht an der Zitze gesogen hatte- das ist auch das rechte Gewerbe für dich." Thorkel erwiderte: "Meiner Großtaten sind nicht viele, Glädir, aber es werden doch mehr sein als deine, und du hast keinen Grund, darüber zu reden." Glädir lachte über Thorkel zu Thorvald hin und sprach, er sei der flinkste Küchenmeister. Thorvald sagte, Glädir rede unvernünftig. Am Abend gingen die Männer zur Ruh. Des Morgens ging Thorkel in ein Wirtschaftshaus und schliff



Thule-Bd.10-115 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

seine Axt das Zarlsgeschenk, und trat darauf in den Gäng. Dort war Glädir und wusch sich. Da gingen Männer an ihm vorbei mit einem Schlachttrog. Glädir sagte zu Thorkel: "Du bist gewiß mit bei der Arbeit gewesen heute morgen. Und wir wollen jetzt jenes Schwein versehren; sieh zu, daß wir Kumpane die fettesten Stücke bekommen, das gebührt sich wohl für den Magdsohn." "Wir möchten wohl zuerst den Schädel zerteilen", sprach Thorkel" ,und die Stücke für dich auswählen: Ich weiß wirklich nicht, ob du so unbescheiden bist, daß man dich nicht satt kriegen kann.

An diesem Tage wollte man vom Gelage aufbrechen. Thorgils fragte, ob das Frühstück fertig sei; Thorkel sagte, es sei fertig, sobald es gesotten sei, und das, sagte er, dauere nicht mehr lange, und ging die Leutetür hinaus und die andere wieder hinein und nahm seine Axt und stellte sich neben die Tür. Als Glädir heraus kam, trat Thorkel hinter ihn und schlug ihn in den Schädel, und Glädir hatte gleich den Tod.

Thorkel lief zur Nordtür, sie waren nämlich vor der Südtür. Speisen standen im ganzen Hause umher; Thorgils war mit großem Gefolge da, und seine Mannen liefen um das Haus und meinten, Thorkel solle nicht hinauskommen, und hofften, Hand an ihn zu legen. Thorkel lief die Bänke entlang. Ein Notgang lief um die Stube und Kastenbeiten, und aus dem einen Bett konnte man in den Notgang springen. Er eilte dorthin , wo die Frauen saßen und sich die Hauben aufsetzten; er lief zu der Schar; vor der Hild saß; sie fragte, warum er so jage. Thorkel sagte es ihr. Sie ließ ihn in den Notgang neben sich flüchten, und von dort kam er ins Freie.

Thorgils sprach: "Wenden wir uns dahin, wo die Frauen sind, denn dorthin schien mir der Mann su laufen." Hild ergriff eine Axt und sagte, keiner von ihnen solle sie ihr entreißen. Thorgils dachte, Thorkel müsse da sein, und ließ Tücher über die Weiber werfen; das geschah, aber Thorkel ward nicht gefunden. . Thorgils sah nun, daß das nichts als Kniffe und Zerrereien waren, und sie gingen hinaus. Und als sie heraustraten , glaubten sie die Gestalt eines Mannes unten am Flusse zu sehen. Thorgils befahl, dort nachzusuchen, und das geschah,



Thule-Bd.10-116 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

aber Thorkel ward nicht gefunden. Er wußte, daß dort eine Höhle am Flusse war, die, welche jetzt Krabblerhöhle, Sarasin- bellte, beißt, und dort war er.

Thororm und Klackaorm suchten Vergleich; keine Buße wollte Thorgils nehmen, aber die eben geschlossene Ehe lösten sie doch nicht und sagte, Rache am Mann solle für den Totschlag Gtädirs ergeben. Thororm geleitete die Hochzeitsgäste aus dem Gehöft und suchte immerfort um Vergleich an, aber er erreichte nichts., Und so schieden sie.

Thorkel war den Winter abwechselnd an der Karnsache bei seinen Brüdern oder bei seinen anderen Vettern, denn alle wollten ihm irgendwelche Hilfe erweisen und hofften sehr, daß aus seinem Ansehen im Gau etwas würde, so daß sich nicht Männer aus fremden Gauen da über sie erhöben.

Die Seetaler zogen aus, um für ihn Hilfe bei der Seherin Thordis zu suchen, die am Spakonufell, dem Seherinnenberge 1 , wohnte. Sie war hoch geachtet und zauberkundig, und die baten sie um Hilfe und Beistand in Thorkels Sache, und sagten, 1ie legten sehr großen Wert darauf, daß sie irgendwelchen Rat dazu gebe. Sie sagte, es solle geschehen.

Thorgils zog aus, um Gudmund den Mächtigen zu besuchen, und sagte, er sei der nächste, für seinen Vetter zu klagen, — ich aber will die Klage unterstützen." Gudmund sprach: "Mir deucht der Handel nicht so leicht, denn ich ahne, Thorkel wird ein großer Herr, und viele Vettern werden ihm zur Seite stehen. Auch ist mir Kunde gekommen, daß Thorkels Tat nicht ohne Grund geschehen ist. Nun leite du den Rechtshandel ein, ich aber will ihn im Sommer auf dem Thinge übernehmen."

Im Frühjahr machte Thorgils den Prozeß beim Allthing anhängig. Die Seetaler entboten großes Gefolge, und so beide Teile. Thorkel ritt selbst mit seinen Vettern zum Thing. Da ritt mit ihnen Thordis, die Seherin, und hatte für sich und ihre Leute eine Hütte allein. Gudmund übernahm den Prozeß. Die 1 Ein Berg mit breiten Schultern und steilem Haupte auf Skagastrand, der Ostküste des Welpenfsords. Über das Prozeßverfahren siehe Einleitungsband S. 88 ff.



Thule-Bd.10-117 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

Seetaler boten vergleich, aber Gudmund und die Seinen wollten nichts als Acht.

Thororm suchte Thordis auf und besprach sich mit ihr, denn sie war vorwissend und vorausschauend und wurde oft dazu ausersehen, in großen Prozessen den Schiedsspruch zu tun. Sie sagte da: "Thorkel soll in meine Hütte kommen, und dann wollen wir sehen, was hier zu machen ist." Das tat Thorkel. Thordis sprach zu Thororm: "Geh' und biete Gudmund vergleich , und zwar so, daß ich den Schiedsspruch habe." Thorkel schenkte der Thordis zwei Hunderte Silbers. Thororm bot den Schiedsspruch der Thordis im Prozeß an, aber Gudmund lehnte ab und sagte, er wolle keine Geldbuße annehmen. Thordis sprach:" um habe ich auf Gudmund auch keine Rücksicht mehr ;u nehmen." Darauf sagte sie ;u Thorkel "Schlüpfe in meinen schwarzen Mantel und nimm den Stab, der Züchtiger heißt, in deine Hand; wagst du es wohl, so unter Gudmunds Gefolge zu treten:" Er sprach, er wolle es auf ihren Rat wagen. Sie sagte: "Versuchen wir es also. Nun sollst du zu Gudmund gehen und ihn dreimal mit dem Stabe auf die linke Wange schlagen. Du scheinst mir nicht zu baldigem Tode bestimmt, und ich bosse, es gelingt." Er trat unter Gudmunds Gefolge, und kein Mensch erblickte ihn er trat zu Gudmund, und es gelang ihm zu tun, was ihm geboten war.

Nun verzögerte sich die verfolgung der Klage, und der Prozeß kam ins Stocken. Thorgils sprach: "Warum geht der Prozeß nicht vorwärts?"' Gudmund sagte, er werde gleich erledigt sein; aber daraus wurde nichts, und die seit wurde so vers eitele, daß das Recht auf verfolgung erlosch.

Thordis ging zu den Seetalern und forderte sie auf, zum Gericht zu gehen und nun Geld für den Mann zu bieten: —"und es mag sein, daß sie es jetzt annehmen und der Handel so schließt." Sie taten es, gingen zum Gericht und trafen Gudmund und boten vergleich und Geldbuße. Gudmund erwiderte:"Ich weiß nicht, wieviel ihr bieten wollt, aber hoch will ich es anschlagen, daß der Getötete sich selbst unheilig geredet hat." Sie sagten, sie wollten um seinetwillen reichlich bieten, und forderten ihn auf zu entscheiden. Und als er erfuhr, wohin der Prozeß ge



Thule-Bd.10-118 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

raten war, und daß man nicht mehr Rechtsentscheid erzwingen konnte, da nahm er den Schiedsspruch von Thororm an, daß er eine Geldsumme festsetzen dürfe, so hoch er wolle, doch nicht Landesverbannung oder Gauacht. Darauf wurde die Klage niedergeschlagen.

Nun sandte Thordis Thorkel zum zweiten Male zu Gudmund, daß der Stab auch seine rechte Wange berühre, und Thorkel führte das aus. Da bekam Gudmund das Gedächtnis wieder, und es deuchte wunderbar, daß es ihm entschwunden war. Gudmund setzte ein Hundert Silbers für die Tötung Glädirs fest, und die Gegenklagen sielen nieder, und Thororm und Thordis bezahlten das ganze Geld, und versöhnt gingen sie auseinander 1. Thorkel reiste mit Thordis heim nach Seherinnenberg .

Thorgils sprach zu Gudmund: "Warum änderte sich dein Sinn über den Prozeß heute so schnell Gudmund erwiderte:"Weil ich kein Wort aus dem Munde bringen konnte, und deshalb zögerte ich so; und es mag sein, daß wir gegen einen Starken haben Seilziehen müssen." Dann fuhren sie heim vom Thinge.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt