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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


37. Wie Thorstein das Godord an sich brachte. Ingolfs Liebschaft mit Valgerd Ottarstochter

Thorgrim zur Karnsache zeugte ein Kind mit seiner Kebse Nereid, und um Worte seines Weibes willen wurde das Kind ausgesetzt. 1

Gute Freundschaft hielten die Brüder, die Ingimundssöhne, untereinander, und oft besuchten sie sich. Einstmals hatte Thorstein seine Brüder besucht; Thorir begleitete ihn auf die Straße. Da Sagte Thorstein den Thorir, wer ihm der erste unter den Brüdern deuchte. Thorir sagte: das sei keine Frage; — "du bist der erste von uns allen an klugen Anschlägen und verstand." Thorstein erwiderte: "Jökul ist unsere Brustwehr in allen gefahrvollen Unternehmungen." Thorir sagte: er sei der geringste von ihnen, — "denn über mich kommt der Berserkergang immer grade dann, wenn ich's am wenigsten will, und ich wünschte, Bruder, du tätest etwas dagegen." "Ich bin hergekommen , weil ich gehört habe, daß unser Beuer Thorgrim sein Kind um der Worte seines Weibes willen hai aussetzen tassen; und das ist sehr unrecht. Es deucht mir auch ein großer Schade, daß du nicht in der Fülle deiner Gesundheit stehst wie



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andere Männer." Thorir sagte, er wolle alles tun, daß dieses Leiden von ibm weiche. Thorstein sprach, er wolle wohl helfen — "aber was willst du dazu tun:" Thorir erwiderte: "Was du willst." Thorstein sprach. "Eins gibt es, das ich begehrte, das ist das Godard für meine Söhne." Thorir sagte, das solle gelten.

Thorstein sprach: "Nun will ich den anrufen, der die Sonne geschaffen hat, -deim ihn halte ich für den mächtigsten — daß dies Unheil von dir weiche. Zum Entgelt will ich um seinetwillen dem Kinde aufhelfen und es aufziehen, damit der, der den Menschen geschaffen bat, es später zu sich wenden kann; denn das, denke ich, wird ibm beschieden sein."

Darauf bestiegen sie ihre Rosse und ritten zu dem Orte, wo sie das Kind verborgen wußten, und wo es ein Knecht Thorirs gefunden hatte. Sie sahen, daß man ein Tuch über sein Gesicht gedeckt hatte, und daß es mit den Händen vor seiner Nase herum krabbelte, und es war dem Tode nah. Sie nahmen das Kind und brachten es heim zu Thorir; der zog den Knaben auf, und er wurde Thorkel Krabbler genannt. Der Beserkergang aber kam seitdem nie wieder über Thorir. So verschaffte sich Thorstein das Godard. 1

Olaf wohnte an der Habichtskluft, Ottar aber auf Grimszungen ; er hatte Asdis, die Tochter Olafs, und auf den Thingen hatte er und Olaf eine Hütte. Die Söhne Thorsteins wuchsen heran und wurden kräftige Männer. Gudbrand war ein großer und starker Mann; Ingolf war der schönste unter



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den Männern und dabei doch graß. Er war auch gewandter als die meisten. Auf einem Herbstthinge kamen viele Leute zusammen, und ein Spiel ward bestellt. Ingolf spielte mit und zeigte wieder seine Gewandtheit; und einmal, als er seinen Ball fangen wollte, traf es sich, daß er ;u valgerd, Ottars Tochter, flog; sie schlug ihren Mantel darüber, und sie plauderten eine Weile miteinander. Sie schien ihm ein ungemein schönes Weib, und jeden Tag, der vom Thinge noch übrig war, ging er zu ihr plaudern. Danach stattete er dort ständig seine Besuche ab.

Das war nicht nach Ottars Sinn, er suchte ein Gespräch mit Ingolf und bat ihn, nicht zu tun, was ihnen beiden Unehre bringe, und sagte, er wolle ihm das Mädchen lieber in Ehren geben, als daß er es in Unehren schände. Ingolf sprach, er werde über seine Besuche befinden, wie es ihm gefalle, und sagte, ihm bringe es keine Unehre.

Ottar suchte nun Thorstein auf und bat ihn, Ingolf zu bereden , daß er es wieder gut mache. Der sprach, das solle geschehen. Thorstein sagte zu Ingolf: "Wie kommst du dazu, Ottar Schande anzutun und seine Tochter zu entehren Du hast ein böses Werk vor, und unsere Freundschaft hat ein Ende, wenn du es nicht wieder gut machst."

Da ließ Ingolf von seinen Besuchen, aber er dichtete ein paar Liebesgedichtchen auf valgerd und tat sie kund.

Ottar begab sich wieder zu Thorstein und sagte: er sei sehr verstimmt über die Dichterei Ingolfs, — " mir deucht, du bist verpflichtet, irgendwie Abhilfe zu schaffen." Thorstein sprach: es sei nicht nach seinem Sinn geschehen, — " habe darüber geredet , aber ich richte nichts aus." Ottar sagte: Du kannst Geld für Ingolf zur Buße zahlen oder erlauben, daß wir ihn vor das Gericht ziehen." 1 "Ich möchte dir zureden," sprach Thorstein, " die Sache gar nicht zu beachten, aber du kannst es nach den Gesetzen durchführen."

Ottar ritt die Ladungsfahrt nach Tempel und lud Ingolf vor das Welpenseething und machte die Klage anhängig, Und alg



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Jökul dies erfuhr, ergrimmte er gewaltig und rief: das sei ganz unerhört, daß sie, die Vettern, in ihrem eigenen Sippenlande geächtet werden sollten, und sagte, Thorstein werde sehr alt, — "und wenn wir auch keine Juristen sind, so wollen wir doch den Prozeß mit Axtkolben zunichte machen."

Und als das Frühlingsthing kam, bat Ingolf Thorstein, ihm in dem Handel ;u helfen, sonst, sagte er, werde er Ottar die Axt in den Schädel setzen. Thorstein sprach: "Jetzt willich, daß du des Godords genießest; nimm es." Und so geschah's. Als es zum Spruche kommen sollte, liefen Ingolf und Jökul zu dem Kreis der Richter und jagten sie mit Hieben auseinander, und der Prozeß fiel nieder. 1

Kurz nach dem Thinge sagte Ottar zu seinem Schwiegervater Olaf, er könne hier nicht bleiben und werde sein Land verkaufen . Das tat er, überführte seine Wirtschaft nach Süden über die Heide.


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