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Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


29. Der Streit um das Almland gegen Mar Jörundssohn

Mar Jörundssohn überführte seine Wirtschaft von Grund nach Marshofen; herzlich war die Vetternschaft zwischen ihm und den Ingimundssöhnen. Eines Herbstes geschah's, daß War einige Schafe verloren gingen; es ward weithin gesucht, und sie fanden sich nicht.

Thorgrim hieß ein Mann und war Pelzmütze zubenannt. Der wohnte auf ?Umland; 1 er war sehr zauberkundig und ein Schurke obendrein.

Es gab viel Gerede über die verlorenen Schafe, und doch galt das Tal weithin als recht wohl regiert. Eines Abends, als ein Schafhirt heimkam, fragte War nach Neuigkeiten. Er sagte, seine Schafe seien gefunden und keinem sei etwas Böses zugestoßen — "aber es kommt noch etwas Besseres: Land hab ich gefunden in den Wäldern, und das ist ganz hervorragend guter Boden, und da sind die Schafe gewesen und sind sehr schön fleischig." War fragte: "Ist das in meinem oder in anderer Leute Land:" Er sagte, er meine, es müsse ihm zufallen — "aber freilich stoßen die Ländereien der Ingimundssöhne daran; doch nur von deinem Land aus kann man hineingehen." War besah sich das Land, und es gefiel ihm gut, und er eignete es sich

Thorgrim sprach, er hoffe, es solle ihnen wohl gelingen, das Land vor den Ingimundssöhnen zu behaupten. Das erfuhr Thorstein und sagte: "Unser Vetter War scheint mir gewaltig auf seinen Willen zu trotzen und uns schwerlich unser Recht zu gönnen." Bald darauf besuchte Jökul seinen Bruder Thorstein , und es kam vielerlei zwischen ihnen zur Sprache; Jökul nannte es ganz unerhört, wenn die Männer sie hier im Tale beraubten. "Dieser schlimme Lump der Thorgrim Pelzmütze geht darauf aus, uno zu reizen, und es wäre recht, er



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büßte dafür." Thorstein sagte: er sei kein Mann, den man zu schonen brauche, — "aber ich weiß nicht, ob er so leicht zu fassen ." Thorstein entschied, sie wollten gegen Thorgrim reiten; Jökul sagte; dazu sei er vollkommen bereit.

Und als Thorgrim des gewahr ward, machte er sich davon und suchte War auf; sie begrüßten sich herzlich. Thorgrim sprach, er sei einem Überfall entronnen — " und die Ingimundssöhne werden hierher kommen." War fragte, was er damit meine. Thorgrim erwiderte: "Sie sind jetzt unterwegs nach meinem Hofe und wollen mich totschlagen; es zeigt sich immer wieder, daß ich mehr weiß als andere Leute."

Als jene zum Gehöft kamen, sprach Thorstein: "Hier haben wir eo mit einem verschlagenen Manne, wie Thorgrim, zu tun; er wird nicht daheim sein." Jökul sagte: "Dann wollen wir doch hier etwas Schaden anrichten." Thorstein sprach: das wolle er nicht, — "ich mag nicht, daß die Leute reden, wir plünderten sein Gut und wüßten ihn nicht selbst zu fassen;" und so zogen sie wieder nach Hause.

Einstmals sprach Thorstein wieder zu seinen Brüdern . "Ich wäre begierig zu versuchen, ob wir wohl Thorgrim antreffen könnten. "Ich bin wieder vollkommen bereit," sagte Jökul. Wieder lief Thorgrim zu War und sagte: "Immer noch nicht haben die Ingimundssöhne ihren Sinn gegen mich gewandelt; ich wollte, du begleitetest mich nach Hause, und dann sollen sie es wahrhaben, daß ich sie daheim zu erwarten wage." War sog dahin; da ritten auch die Ingimundssöhne gerade zum Zaun, und sie trafen sich im Grasgarten

Thorstein sprach: "Unsere Vetternschaft ist nicht so, War, wie sie sein sollte; ich wünschte, jeder richtete sich nach dem anderen; du aber solltest schwierigen Gesellen nicht Unterschlupf geben, die sich an uns reiben wollen." War sagte, die Brüder statteten selbst recht unfreundliche Besuche ab, und meinte, er werde seine Sache nicht vor ihnen fahren lassen. Jökul sprach, es sei das einzig Mögliche, daß sie sich miteinander mäßen. Thorstein sagte, er mache seinen Vettern nicht gern Schwierigkeiten — "aber es ist doch leicht vorauszusehen, daß es dahin kommt, wenn wir nicht unser Recht erlangen."



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Sie ritten weg, denn sie konnten Thorgrim nicht herausbekommen wegen seiner Zauberei und Mars Widerstand. Und es war immer so oder so, daß Thorgrim von seinem Gehöft verschwand oder War dort mit großer Mannschaft saß. und so blieb die Sache eine Zeitlang.

In dieser Zeit kam Högni Ingimundssohn mit seinem Schiff Renner heraus und blieb bei Thorstein den Winter über. Er erzählte Merkwürdiges von seinen Fahrten, während er drinnen gewesen war; so auch, daß er kein Schiff so gut erfunden habe, wie den Renner.

Großes Gerede ging durch den Gau über den Streit der Vettern. Jökul besuchte oft seinen Bruder Thorstein und warf ihm vor, er wolle War wieder nachgeben. Thorstein antwortete: "So ist's bisher gewesen; aber jetzt werden wir Thorgrim doch auflauern; freilich sagt mir meine Ahnung nicht grade Gutes darüber ." Sie brachen eines Tages von Hause auf, die Brüder, und waren fünfundzwanzig Mann, es waren alle fünf Brüder dabei. Da sagte Thorgrim: "Jetzt geht es schlimm; sie werden bald herkommen, die Ingimundssöhne;" er sprang auf und ergriff vorher seine Kleider. Er kam zu War und meldete, die Ingimundssöhne seien unterwegs — "sie gedenken uns grimmen Sinnes zu fassen; und jetzt ist's Zeit, den Gegenschlag zu führen und ihnen ihre Überfälle zu verleiden." War zog Mannschaft zusammen. Hromund, der Sohn des Eyvind Querkopf, ein gewaltiger Kämpe — er hatte die Tochter Mars —, der war damals auf dem Hofe; der sagte, es sei das einzig Mögliche, daß sie sich nun mäßen. Sie kamen im ganzen auf elf Mann und dazu zwei Schwestersöhne Mars, junge und hoffnungsvolle Männer. Thorgrim sprach: " Es ist rätlich, den Ingimundssöhnen entgegen ," und das taten sie. Thorstein sah das und sagte: "Jetzt haben wir Gelegenheit, uns zu versuchen, und jetzt dünkt mir's Zeit, daß jeder sich nach seinen Kräften bewährt." Da zückte Jökul den Sippenknauf und sprach, er freue sich recht herzlich darauf, ihn in den Hälsen der Mannen Mars zu versuchen . Sie stießen auf Karnsnes 1 zusammen. 1 Du spitze Halbinsel gegenüber der Mündung der Karnsache in die Seetalsache.



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Thorgrim sagte zu War: er werde sich verbergen, — " und es kann doch sein, daß ich dann nicht weniger Schaden tu, als wenn ich bei euch stünde; aber ins Gefecht traue ich mich nicht." War antwortete nichts.

Darauf begann die Schlacht, und als sie eine Zeitlang getobt hatte, sprach Jökul:"Ich kann den Biß des Sippenknaufs nicht rühmen." Thorstein erwiderte: " So geht's uns auch, und die Hiebe sitzen auf unserer Seite."

Jökul war der vorderste von allen und hieb nach beiden Seiten; er war ein Mann von erprobter Kraft und ohne Furcht. Er hieb, daß es splitterte, aber das Schwert biß nicht. Jökul rief: "Bist du vom Glück verlassen, Sippenknauf oder was gibt's:" Thorstein erwiderte: "Und mir scheint's so, als ob die wieder aufstünden, die ich erschlagen habe; oder seht ihr etwas von Thorgrim?"' Sie riefen, sie sähen ihn nicht. Thorstein bat Jökul da, aus dem Gefecht auszuscheiden und zu versuchen, ob sie ihn nicht zu Gesichte bekämen — " aber du, lieber Högni, halte inzwischen die Schlacht." Er sagte, das wolle er tun. Darauf suchten sie jenen. Jökul sprach: "Ich seh's, wo der Teufel zum vorschein kommt!" Thorstein rief: "Da liegt der Höhlenfuchs," und in diesem Augenblicke schielte jener von seinem Platze zu ihnen hin; das war dicht beim Flusse. Jökul sprang auf ihn zu, beide Brüder. Thorgrim entsprang zum Fluß. Jökul kam ihm so nahe, daß das Schwert ihn erreichte und abhieb, was es faßte; das waren beide Hinterbacken bis zum Rücken.

Der Ort, wo erins Wasser sprang, heißt seitdem Mützenloch. 1 1 Zökul sprach: "Jetzt hat der Sippenknauf gebissen!" Thorstein erwiderte: "Ich denke, so wird's von nun an bleiben.

Nun ist weiterhin zu berichten, was sich in der Schlacht zutrug: Hromund drang mächtig gegen Högni vor, und sie hatten einen harten Strauß; er endete damit, daß Högni vor Hromund sank- und da kam Jakut heran und bekam zum zweiten Male seine große Wut. Er stürmte zornig gegen Hromund vor; da fehlte es nicht am Biß des Schwertes, seines und der anderen. Er hieb Hromund ins Bein und versetzte ihm eine so große Wunde,



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daß er sein Leben lang ein Krüppel blieb und Hromund der Lahme hieß. Da sielen die Schwestersöhne Mars. Und jetzt, als der Kampf so weit war, bemerkten die Leute von den Gehöften ihr Gefecht und liefen herbei, sie zu trennen. Da war der erste Thorgrim von der Karnsache, dazu andere Bauern; er war ein Vetter der Ingimundssöhne. 1 Sie wurden auseinander gebracht; viele waren wund, alle aber erschöpft. Thorgrim sprach: "Du, War, hast großen Eigensinn gegen die Brüder an den Tag gelegt durch deinen Widerstand, aber sie sind nicht deinesgleichen, daß du gegen sie bestehen könntest. Ich rate dir, du fügst dich ihnen und gestehst Thorstein Seten Entscheid zu." Jener sagte, das sei ein guter Rat, und daraufhin verglichen sie sich. Thorstein sprach, er werde den Schiedsspruch nicht eher als auf einem Gesetzesthinge kund tun. So ritten die Männer von diesem Gefechte heim.

Und als das Thing kam, auf dem Thorstein den Spruch verkündigen wollte, entboten die Tempelleute viele Mannen. Da sprach Thorstein:" Es ist den Männern hierin den Gauen kund, wie unser und unseres Vetters War Zusammenstoß verlief; und so auch, daß der Entscheid mir zugefallen ist. Das ist nun mein Spruch; daß die Tötung Högnis, meines Bruders, gleichstehen soll allen den Wunden, die die Leute Mars empfangen haben, großen und kleinen. Hromund soll geächtet sein zwischen der Widderfjordsache und dem Gletscherstrom im Skagafjord um der Tötung Högnis willen, und nichts soll er seine verstümmlung bekommen. War soll ?Umland haben — denn von seinem Land allein kann man dort hinaufsteigen — uns Brüdern aber soll er ein Hundert Silbers zahlen. Thor- grim Pelzmütze soll nichts für seine Wunde haben, und hat doch Schlimmeres verdient." Darauf ritten die Leute nach Hause und waren in dieser Sache versöhnt. Pelzmütze zog fort aus dem Gau und ließ sich im Norden auf der Eisfuchsebene nieder und wohnte dort bis zu seinem Tode.



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Thorstein hatte zwei Söhne, der eine hieß Ingolf, der war der schönste aller Männer; der zweite Gudbrand, der war auch ein schöner Mann. Jorun, Ingimunds Tochter, hatte Asgeir Feuerkopf, der Vater Kalfs und der Hrefna — die hatte wieder Kjartan Olafssohn 1 — und der Thorbjörg, die Hofzier genannt ward.


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