Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Fünf Geschichten aus dem Westlichen Nordland


Mit einer Übersichtskarte


Übertr. von W. H. Vogt u. Frank Fischer

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


22. Hrolleif tötet Ingimund

Es wird berichtet, daß in der Seetaksache viel Fischfang getrieben wurde, an Lachsen und anderen Fischen. Die Brüder, die Söhne Ingimunds, hatten untereinander die Arbeiten verteilt, denn es war Brauch der Kinder vornehmer Männer in jener Zeit, ein Gewerbe zu treiben. Zum Fischfang waren die vier Brüder Thorstein, Jakut, Thorir und Högni bestellt, Smid aber hatte etwas anderes vor. Die Brüder gingen in den Fluß und hatten reiche Beute.

Hrolleif blieb bei seiner Art; das war eine schlechte Nachbarschaft für alle, die in der Nähe saßen. Es war auch nicht mit der Freunde Zustimmung geschehen, daß Ingimund ihn jemals angenommen hatte. Die Söhne Ingimunds nahmen's sehr übel auf, daß Hrolleif in ihrer Nahrung saß und es nur mit Bösem vergalt. Sie sagten, es sei ihrem Vater schlecht bekommen, daß er ihn zu sich genommen habe.

Sie hatten den Fischfang alle gemeinsam, die Tempelleute und Hrolleif; aber es war bestimmt, daß Hrolleif der Fang nur zustehe , wenn die Söhne Ingimunds oder ihre Leute nicht kämen. Aber darum kümmerte er sich nicht, denn er setzte seinen Kopf und seine Bosheit über die Abmachung.

Und einstmals, als die Knechte Ingimunds zum Flusse kamen, sagten sie zu Hrolleif, er stalle ihnen die Fischplätze räumen. Hrolleif rief, er kümmere sich nicht darum, was Sklaven redeten. Sie erwiderten und sagten, es zieme ihm mehr, sich nicht mit den Tempelleuten su messen, und sagten, er werde damit kein Glück haben, wenn er auch sonst damit durchgekommen sei. Hrolleif hieß sie, sich fort scheren " elende Sklaven" und sich nicht mit Seien Männern einzulassen. Er trieb sie schmählich und wider das Recht von dannen. Sie sprachen:"Das ist schlecht



Thule-Bd.10-065 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

von dir gehandelt, soviel Gutes, wie Ingimund um dich verdient hat, da er dich aufgenommen und dir Wirtschaft und Fischerei und vieles andere Gute gewährt hat, wo du dich doch vorher nicht unter ehrlichen Leuten sehen lassen durftest." Hrolleif sprach, er brauche vor niederträchtigen Sklaven nicht aus dem Flusse zu gehen, und ließ einen Stein nach einem von ihnen sausen, daß er in Ohnmacht fiel, und meinte, es solle ihnen nichts nutzen, viele Worte zu machen,

Die Knechte kamen heim, als die Männer bei Tisch saßen; sie fuhren hastig daher. Ingimund fragte, warum sie so eilten. Sie sagten, sie seien aus dem Flusse gejagt worden mit Mißhandlung und Schimpfworten von Hrolleif. Jökul erwiderte: "Er will wohl Seetalsgode werden und es mit uns machen wie mit anderen vorher; aber das soll niemals geschehen, daß uns dieser Teufel duckt!" Thorstein sagte, das sei zu viel; aber am besten sei's doch, mit Besonnenheit vorzugehen: — Hrolleif ist einst ohne Überlegung aufgenommen worden." "Die Sache ist schlimm," sprach Ingimund, "aber seid so gut, vergleicht euch, denn ihr habt euch nicht gegen euresgleichen zu wehren er ist einer aus der Hölle, und Böses ist von ihm zu befahren. Jökul rief, er wolle doch sehen, ob er nicht aus dem Flusse ginge, und sprang vom Tische auf und hinaus.

Ingimund sagte: "Lieber Thorstein, dir traue ich am meisten Besonnenheit zu; begleite deine Brüder. Thorstein meinte, er wisse nicht, wie leicht es sein werde, Jökul zu balten — "aber ich werde nicht müßig dabei stehen, wenn er sich mit Hrolleif schlägt."

Und als sie an den Fluß kamen, sahen sie, das Hrolleif im Wasser stand und fischte. Da rief Jökul "Pack dich aus dem Fluß, Satan, und untersteh' dich nicht, mit uns zu streiten, sonst werden wir es jetzt einmal gründlich miteinander versuchen." Hrolleif sprach:" Wenn ihr auch drei oder viere seid, werde ich meine Arbeit doch tun, trotz deinem Fluchen." Jökul sprach: "Du schlechter Kerl, verläßt dich auf die Zauberkunst deiner Mutter, wenn du allein uns allen den Fischfang wehren willst." Da drang Jökul gegen ihn in den Fluß, aber Hrolleif wich nicht.



Thule-Bd.10-066 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

Thorstein sprach: "Laß von deinem Eigensinn, Hrolleif es wird dir schlecht bekommen; wenn wir von dir nicht Recht erlangen, könnten es mehrere entgelten. Es frommt auch nicht, daß du mit deinen Ränken die Menschen beschwerst." Jökul rief: "Schlagen wir diesen Teufel tot."

Da stieg Hrolleif ans Land, wo Geröll zur Hand lag, und warf nach ihnen mit Steinen, und sie wieder zurück, quer über den Fluß, einige aber schossen; aber Hrolleif erhielt keine Wunde.

Jökul wollte an einer anderen Stelle zu ihm über den Fluß und rief, das sei eine unerhörte Schande, wenn sie ihn nicht unterkriegten. Thorstein sprach: "Mein Rat ist, wir weichen hierher zurück und behalten die Sache lieber in der Hand, als daß wir Mutter und Sohn gerade in die Hände laufen. Denn ich denke, sie wird nicht weit von hier auftauchen. Das ist kein Streit gegen ehrliche Männer, wenn wir hier gegen ihren Zauber angeben."Jökul rief, darum werde er sich nimmer scheren, und suchte vorzudringen, aber seine Brüder warfen und schossen nach Hrolleif.

Jetzt kam ein Mann in vollem Lauf nach Tempel und meldete Ingimund, es stehe schlecht und sie fochten quer über den Fluß — "und wie dein Junge treibt's keiner." Ingimund sagte: "Sattelt mein Pferd, ich will hinreiten." Er war alt und fast blind, hatte auch die ganze verwaltung und ebenso die Wirtschaft aus der Hand gegeben. Ein Knecht wurde ihm zur Begleitung bestellt; Ingimund trug einen blauen Mantel. Der Knecht führte sein Pferd.

Und als sie auf den Uferhügel kamen, erblickten ihn seine Söhne. Thorstein rief:"Unser Vater ist da, ziehen wir uns zurück, dann wird er denken, wir täten nach seinem Willen. Aber bange bin ich um sein Kommen" und befahl nun Jökul, sich zu mäßigen.

Ingimund ritt zum Fluß und rief: "Geb' aus dem Flusse, Hrolleif, und bedenke, was dir ziemt." Und als Hrolleif ihn sah, schoß er nach ibm mit dem Spieße und traf ihn in die Brust. Als Ingimund den Schuß empfangen hatte, ritt er zurück zum Hügel und sprach: "Knecht, führe mich heim." Er begegnete seinen Söhnen nicht,

Als sie nach Hause kamen, war es schon spät am Abend. Und



Thule-Bd.10-067 Gesch. aus dem w. Nordland Flip arpa

wie Ingimund absitzen wollte, da sprach er: "Steif bin ich jetzt. Wir werden wacklig auf den Beinen, wir alten Leute." Und als der Knecht ihn auffing, rauschte es in der Wunde. Da sah der Knecht, daß ihm der Speer in der Brust stand.

Ingimund sagte: "Du bist mir lange treu gewesen; tu nun, wie ich dir gebiete — es ist nicht zu erwarten, daß ich noch viel von dir verlange. Lauf und sage Hrolleif: ehe der Morgen graut, denk ich, werden meine Söhne meinen, wo er wohnt, vaterrache heischen zu müssen. Er mag sich in acht nehmen, daß er sich davon macht, ehe es tagt. Für meine Rache ist nichts getan, wenn er stirbt. Wohl aber ziemt mir's, ihn zu schützen, da ich ihn aufgenommen habe, solange ich reden kann, wie's auch später kommen mag."

Er brach das Eisen vom Schaft, ging, von dem Knechte gestützt, hinein, setzte sich auf seinen Hochsitz und befahl ihm, nicht eher Licht zu zünden, als bis seine Söhne heimkamen.

Der Knecht kam zum Flusse und sah da viele Lachse, die Hrolleif gefischt hatte. Der Kriecht rief: "Das ist wahrhaftig wahr, du bist der allerelendste Hund l Du hast getan, wofür wir niemals Buße erwarten können, Herrn Ingimund ermordet! Und er hat mir befohlen, dir zu sagen: du sollst den Morgen nicht zu Haus erwarten. Er meint, seine Söhne würden von dir vaterrache heischen. Und das habe ich mehr um seines Befehls willen ausgerichtet, als weil du mir für die Axt der Brüder zu gut wärest."Hrolleif erwiderte: "Ich glaub's, was du sagst. Aber du solltest nicht heil von dannen kommen, wenn du nicht diese Kunde gebracht hättest."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt