Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


12. Hallfreds Tod

So nahe ging Hallfred der Fall König Olafs, daß er an nichts mehr Gefallen fand und bald südwärts nach Dänemark, bald ostwärts nach Schweden fuhr. Er legte einmal dort mit seinen Gefährten in einer versteckten Bucht an. Da erfuhr Hallfred, daß der Jarl Eirik nicht weit davon landeinwärts wäre. Er setzte sich in den Kopf, den Jarl zu töten, sollte er auch selbst dabei ums Leben kommen. In der Nacht aber träumte ihm, daß König Olaf ihm erschien und sagte:"Ein unnützes Beginnen hast du da vor. Mache lieber eine Drapa auf den Jarl."

Am nächsten Morgen ging Hallfred zu dem Gehöfte des Jarls und trat in die Stube, wo jener beim Trinkgelage saß. Man erkannte Hallfred. Er wurde ergriffen und vor den Jarl geführt. Der Jarl wollte ibn töten lassen, weil er Thorleif den Klugen verstümmelt hatte, und hieß ihn in Fesseln legen. Da man ihm aber die Fesseln anlegen wollte, griff Hallfred zu und entriß sie dem, der ihn binden wollte. Er schlug ihn so an den Kopf, daß er sogleich tot war. Der Jarl gebot nun, Hallfred so



Thule-Bd.09-257 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

fort zu töten, damit er nicht noch mehr Übles vollbringen könne. Da stand unten auf der Bank ein alter Mann auf, ging vor den Jarl und bat diesen, Hallfred das Leben zu schenken. Das war Thorleif der Kluge. Der Jarl sagte:"Das ist doch kaum verständlich, daß du ihn um Frieden bittest. Denkst du denn gar nicht daran, wie er dich verstümmelt hat und dir das Auge ausgestochen hat: Thorleif erwiderte:"Hallfied konnte damals mit mir tun, was er wollte. Er schenkte mir aber das Leben und dazu das andere Auge entgegen der Anweisung König Olafs. Er tat das für mich auf eigene Gefahr. Ich will, Herr, daß Hallfred geschont wird." Der Jarl sagte, es solle nach seinem Willen geschehen.

Thorleif nahm nun Hallfred in seine Schar auf. Er sagte zu ihm:"Willst du, daß ich zwischen dem Jarl und dir vermittle:" Hallfred sagte; das wolle er gern. "Dann mache ein Gedicht auf den Jarl,"sprach Thorleif, sei aber in der dritten Nacht fertig." Und als die drei Nächte verstrichen waren, trug Hallfied das Gedicht vor, dessen Anfang lautete:

Mit Recht, kühner König,
Kannst dein Lob du anhör'n.

Der Jarl belohnte ihn gut für das Gedicht, doch sagte er:"Ich will dich nicht länger um mich haben König Olaf Tryggvasons halber 1." Thorleif lud Hallfied zu sich ein, und zu ihm fuhr er auch. Thorleif bewährte sich ihm gegenüber als ein gar trefflicher Mann.

Im Sommer fuhr Hallfred wieder nach Island und kam mit seinem Schiff nach Lehmbucht (Leiruvag) im Süden. Dort wohnte Önund auf Mosfell. Hallfred hatte einem Knechte Önunds eine halbe Mark Silber zu zahlen, doch ließ er jenen dieserhalb hart an. Der Knecht kam nach Hause und erzählte sein Mißgeschick. Hrafn sagte, er glaube, daß jener den kürzeren bei ihrem Handel ziehen werde. Darauf ritt Hrafn zum Schiff und gedachte die Ankertaue durchzuhauen und so die Abfahrt



Thule-Bd.09-258 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

Hallfreds und seiner Genossen zu hindern. Dann aber legten sich Leute ins Mittel, und der Knecht erhielt noch um die Hälfte mehr als Hallfred ihm schuldig war. Hierauf schieden sie.

Den zweiten Sommer darauf fuhren Hallfred und Gunnlaug Schlangenzunge zusammen 1 und kamen nach Eisfuchsplan (Melrekkasletta). Damals hatte Hrafn die Helga gefreit. Hallfred erzählte dem Gunnlaug, wie schön es auch ihm mit Hrafn ergangen wäre.

Hallfred war nun die meiste Zeit auf Wikingfahrten, und er hatte an nichts mehr Freude nach König Olafs Fall. Er fuhr nach Schweden, um nach seinem Sohne Audgisl und seiner Habe zu sehen. Dort gedachte er sich fest niederzulassen. Hallfred war beinahe vierzig Jahr, als er nach Island fuhr, um dort sein vermögen zu holen. Sein Sohn Hallfred war bei ihm. Sie hatten eine böse Seefahrt. Hallfred pumpte mit das eingedrungene Wasser aus, war aber recht krank. Eines Tages, da er vom Pumpen kam, setzte er sich auf einen Schiffsbalken, und indem warf eine Sturzsee ihn nieder aufs Schiff und den Balken über ihn. Da sagte Thorvald: "Bruder, hast du ein Leid erlitten:" Da sprach Hallfred die Weise:



***
31
Nah dem Herzen bier traf
Hallfreds Rippe der Balken.
Sturmgepeitscht hinstürmen
Schäumende Well'n: Gischt säumt sie.
Not dem Schiffe schuf des
Schicksals böse Tücke.
Wogen ihr, so urfeucht,
Allen Grimm zeigt dem Skalden.

Seine Gefährten sahen nun, daß er sehr krank war, brachten ihn hinten auf Schiff, pflegten ihn dort und frugen, was er von seinem Zustande halte. Da sprach er die Weise:



***
32
Jetzt Kolsinnas feiner
Finger —ihr Lob sing' ich —



Thule-Bd.09-259 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

von der Wimper wehmut- Weiche Zähren streichet: Bordüber bald werd' ich Bleich fliegen als Leiche. Einmal doch so innig All ihr Sehnen galt mir 1 !

Da sahen sie eine Frau hinter dem Schiff gehen. Sie war groß und hatte eine Brünne. Sie ging auf den Wellen wie auf dem Lande. Hallfred sah genau zu und erkannte seinen Folgegeist. Er sprach: "Zwischen uns ist nun alles vorbei." Sie sprach: "Thorvald, willst du mich jetzt haben:" Dieser verneinte es. Da sagte der junge Hallfred: "Ich will dich haben." Darauf verschwand sie . Da sagte Hallfred: "Dir, mein Sohn, will ich mein Schweri von König Olaf geben, die andern Kostbarkeiten aber soll man mir in den Sarg legen, wenn ich bier auf dem Schiffe sterbe.", Dann sprach er die Weise:



***
33
Hier, einst hart von Zung' und
Herb, gern will ich sterben,
Säh' ich meine Seele
Sorglos nur geborgen.
Wo dereinst ich weil', des
Waltet Gottes Allmacht.
Fürchte, der sonst furchtlos
völlig, nur die Hölle!

Bald darauf starb er und wurde in den Sarg gelegt, neben ihn aber seine Kostbarkeiten, Mantel, Helm und Ring. Alles zusammen wurde dann über Bord geworfen. Der Sarg landete auf einer von Mönchen bewohnten Insel der Hebriden. Dort fanden ihn die Knechte des Abtes. Sie brachen den Sarg auf, stahlen die Wertsachen und versenkten die Leiche in einem



Thule-Bd.09-260 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

großen Sumpf. Sofort träumte der Abt in der Nacht, daß König Olaf zu ihm käme. Er war zornig und sagte, der Abt habe böse Knechte. " Sie haben meines Skalden 1 Schiffssarg erbrochen, seine Schätze gestohlen, seiner Leiche aber haben sie einen Stein an den Hals gebunden und sie im Sumpfe versenkt. Nun zwinge sie, die Wahrheit zu bekennen, sonst werdet ihr Wunderbares erleben." Die Burschen wurden gefaßt und gestanden alles ein. Dann ließ man sie frei. Hallfreds Leiche wurde gefunden, zur Kirche gebracht und mit allen Ehren begraben. Aus dem Ring wurde ein Kelch gegossen, aus dem Mantel aber eine Altardecke und aus dem Helme Kerzenständer gemacht. Hallfreds Bruder Thorvald und der jüngere Hallfred kamen ans Land, zogen nach Ottarstedt und blieben dort den Winter. Thorvald fuhr im Sommer auf See, aber Hallpred baute sich in Ottarstedt an. Auch er wurde wie sein Vater "schlimmer Skalde" genannt. Er hatte viele Leute und großes Glück. Manche Männer stammten von ihm. Damit schließt nun die Geschichte von Hallfred dem Königs skalden.



Thule-Bd.09-261 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

Zeittafel

Altisländisches Heldenzeitalter 930 —1030

(Einleitungsband Seite 51 —150, Skaldentum und Skalden dichtung Seite 137 —150

930 Gründung des isländischen Freistaates. Egil Skallagrimsson auf Borg.

931 Kormaks Vater Ögmund fährt nach Island.

933 König Harald Haarschön in Norwegen .

936 Egil dichtet in York die Haupteslösung.

937 Der Liebesdichter Kormak geb.

945 Egils Sohn Thorstein geb.

956 Kormaks erste Liebeslieder auf Steingerd.

958 Kormaks Holmgang mit Bersi.

960 Hallfreds Vater Ottar kommt nach Island.

961 Egil dichtet "Der Söhne verlust". König Hakon von Norwegen +. Kormak bei König Harald Graumantel.

963 Kormaks Kampf mit Thorvard.

967 Kormak +. Hallfred der Königsskalde geb.

970 Jarl Hakon kommt in Norwegen zur Herrschaft.

970 Der Skalde Thord Kolbeinsson geb.

976 Des Skalden Bersi Holmgang mit Steinar.

982 Egil Skallagrimsson + in Mosfell.

983 Der Skalde Gunnlaug Schlangenzunge und Helga die Schöne geb.

989 Der Skalde Björn Hitdölakappi geb.

995 Der Skalde Sighvat Thordarson geb.

996 Hallfred wird von König Olaf Tryggvason getauft.

998 Gunnlaug in Borg bei Thorstein Egilsson.

999 Hallfred kommt aus Schweden zurück.

1000 Einführung des Christentums auf Island. Olaf Tryggvason +. Jarl Eirik in Norwegen.

1001 Hallfreds Totenlied auf König Olaf.

1005 Hallfred und Gunnlaug fahren nach Island.

1006 Gunnlaug und Hrafn auf dem Allthing. verbot des Zweikampfs auf Island.



Thule-Bd.09-262 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

1007 Hallfred +. Björn verläßt Thorstein in Borg.

1009 Gunnlaug und Hrafn +. Thord dichtet auf Gunnlaug.

1010 Thord heiratet Björns Braut Oddny.

1015 Thorstein Egilsson †. König Olaf der Heilige kommt zur Regierung.

1016 Björns und Thords Hader auf den Brenneyjar in Schweden.

1019 Björn verläßt König Olaf. Beginn des Skaldenstreits mit Thord.

1021 Grettir der Starke kommt zu Björn.

1024 Björn wird von Thord getötet.

1026 Björns Freund Thorstein Kuggason +.

1030 König Olaf der Heilige +. Der Skalde Sighvat Thordarson beginnt über seinen Tod zu dichten.



Thule-Bd.09-263 Vier Skaldengeschichten Flip arpa

Nachbemerkung

Der Tert der Geschichte von Gunnlaug Schlangenzunge beruht auf der Ausgabe der Islendinga Sögur Koph. 1847, Bd. ll, doch ist auch die Ausgabe von Mogk Halle 1908 und die Schrift von B. M. Olsen Rph. 1911 zu Rate gezogen. Dem Tert der Geschichte von Björn und Thord ist die Ausgabe von Boer Halle 1893, der vom Liebesdichter Kormak die von Möbius Halle 1886 zugrunde gelegt. Der Geschichte vom Königsskalden Hallfred liegt die Ausgabe von vigfusson in den Fornsögur Leipzig 1860 zugrunde, in ein paar Fällen ergänzt durch Fornmannasögur ll., III. Koph. 1826 —27. Den Skaldenliedern in den vier Ausgaben liegt meist der Tert von Finnur Jonssons Skjaldedigtning, Koph. 1908 ff. zugrunde. Wie in der Geschichte vom Skalden Egil ist die genaue Nachbildung der Droitkvättstropbe angestrebt (vgl. Einleitungsband S. 141 f.). Zur Ergänzung der Anmerkungen und für den Schauplatz der vier Geschichten sei auf den Einleitungsband zu Thule und die dort beigegebene Karte von Paul Herrmann verwiesen. Die beigegebene Zeittafel soll die Chronologie der vier Geschichten im Zusammenhang mit der Zeit der Egilssaga und der Zeit der norwegischen Herrscher vergegenwärtigen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt