Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

MÄRCHEN AUS KORDOFAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1923

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_04-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE MIT EINER KARTE


15. Der Hengst Houssan*

Ein Sultan heiratete. Seine Gemahlin ward schwanger. In der Zeit, da seine Gattin sich schwanger fühlte, ward auch das beste Pferd des Sultans, eine Stute trächtig, und in der Nacht, in der die Gattin des Sultans dem Sultan einen Sohn gebar, warf die Stute ein Fohlen, das war männlich. Der Sohn des Sultans und der kleine Hengst wuchsen gemeinsam auf. Der Sultan nannte das Fohlen Houssan und schenkte es seinem kleinen Sohne. Jeden Morgen nun, wenn der Knabe aufstand, war es sein erstes, daß er zu dem Pferde lief und es streichelte. Eines Tages nun lag die Gemahlin des Sultans im Sterben, und sie rief kurz vor ihrem Verscheiden noch einmal ihren Sohn zu sich und sagte: "Mein Sohn, was dir auch immer im Leben zustoßen möge, halte dich immer an Houssan." Dann starb die Frau des Sultans.

Der Sultan heiratete nach kurzer Zeit eine andere Frau. Diese konnte den kleinen Sultanssohn nicht leiden, und nachdem sie selbst dem Sultan einen andern Sohn geschenkt hatte, beschloß sie, den Stiefsohn zu töten. Der Knabe ging aber jeden Morgen, wenn er aus der Schule kam, zu seinem Houssan, streichelte ihn, gab ihm gute Worte und ging dann erst in das Haus, um sein Essen zu nehmen.

Eines Tages kam der Bursche wieder aus der Schule. Er ging in den Stall, streichelte Houssan und gab ihm gute Worte. Da wandte Houssan den Kopf, rieb die Stirne an der Brust des Burschen und sagte: "Mein Schatr Mohammed! Iß heute nichts von der Speise deiner Stiefmutter, denn deine Stiefmutter hat Gift hineingetan." Der Bursche umarmte sein Pferd und ging hinein. Als ihm das Essen aufgetragen wurde, erklärte er, sich nicht wohl zu fühlen Lind ging von dannen, angeblich, um einen Arzt aufzusuchen, in Wahrheit aber, um bei einem Freunde zu speisen. Mit dem Freunde



Atlantis Bd_04-166 Flip arpa

verabredete Schatr Mohammed nun, daß er stets bei ihm essen wolle, da er von nun ab das Essen seiner Stiefmutter vermeiden wolle.

An jedem Tage aber ging Schatr Mohammed, wenn er aus der Schule kam, zu dem Stalle seines Hengstes. Eines Tages streichelte er wieder Houssan und gab ihm gute Worte. Da wandte Houssan seinen Kopf, rieb die Stirne an der Brust des Burschen und sagte: "Mein Schatr Mohammed! Nimm nicht das Kleid, das deine Stiefmutter dir hingelegt hat. Deine Stiefmutter hat Zaubermittel in das Kleid genäht. Wenn du es anziehst, wirst du sterben." Der Bursche umarmte sein Pferd und ging in das Haus. Im Hause überreichten die Sklaven ihm ein schönes Kleid. Der Bursche aber sagte: "Ich danke für das Kleid, das sehr schön ist. Ich habe aber eine Verpflichtung auf mich genommen, daß ich nämlich bis zu einer gewissen Zeit nur alte Kleidung tragen will." Darauf ging Schatr Mohammed, um bei seinem Freunde zu essen.

Die Leute, die Schatr Mohammed das Kleid gebracht hatten, kamen nun zur Gemahlin des Sultans und sagten: "Schatr Mohammed will das Kleid nicht annehmen, weil er eine gewisse Verpflichtung auf sich genommen hat." Die Gemahlin des Sultans sagte: "Gut denn, laßt den Burschen in Lumpen gehen." Die Gemahlin des Sultans sagte aber bei sich: "Dieser Bursche muß jemand haben, der ihn warnt. Ich werde der Sache nachgehen." Die Gemahlin des Sultans sprach also mit einem der alten Sklaven nach dem andern über die Freunde des Sultansohnes und über alle, die ihm besonders nahe standen. Der eine führte diesen an, der andere jenen. Ein alter Sklave aber sagte: "Der beste Freund, den Schatr Mohammed hat, ist sein Pferd Houssan. Dieses wurde am selben Tage wie er von der Lieblingsstute des Sultans geboren. Jeden Tag, wenn Schatr Mohammed aus der Schule kommt, geht er erst zu dem Hengst und spricht mit ihm."

Die Gemahlin des Sultans erwog alles, was die Leute gesagt hatten und sprach bei sich: "Es muß dies Pferd Houssan sein, das den Burschen berät. Der Hengst muß sterben!" Die Frau des Sultans legte sich auf das Angareb und sagte: "Ich bin krank. Ruft mir den alten Arzt, der mich von Kindheit an kennt." Die Leute riefen den alten Arzt, und als er kam, sagte die Frau des Sultans zu ihm: "Mein Arzt, du kennst mich von Jugend auf. Mein Arzt, du weißt, daß ich von Zeit zu Zeit erkranke und dann nur wieder gesunde, wenn mir ein bestimmtes Gelüst, das mit der Krankheit aufkommt,



Atlantis Bd_04-167 Flip arpa

gestillt wird. Ich bin nun wieder erkrankt und fühle, daß ich nur dann gesund werden kann, wenn ich die Leber des Houssan (= Pferd i. arab.) Schatr Mohammeds genieße. Also bitte ich dich, zu meinem Gatten, dem Sultan, zu gehen und ihm mitzuteilen, daß ich erkrankt sei und nur wieder gesund werden könne, wenn ich die Leber des Houssan als Kräftigungsmittel und Medizin erhalte." Der alte Arzt sagte: "Ich will zum Sultan gehen und will es ihm sagen."

Der alte Arzt ging zum Sultan und sagte: "Deine Gattin ist schwer erkrankt. Ich war bei ihr und kann sagen, daß sie nur dann geheilt werden kann, wenn man ihr die Leber des Houssan deines Sohnes Schatr Mohammed gibt." Der Sultan sagte: "Ich bedaure die Krankheit meiner Gattin sehr und wünsche, daß sie bald gesund werden möge. Ich kann aber nicht anordnen, daß man den Houssan meines Sohnes töte, denn der Houssan gehört eben meinem Sohne, der jetzt in der Schule ist. Wenn er aber aus der Schule kommt, soll man meinen Sohn sogleich zu mir rufen, und ich werde ihn dann selbst bitten, seinen Houssan herzugeben." Der Arzt ging zur Gattin des Sultans zurück und berichtete ihr.

Die Gattin des Sultans sagte zu ihren Leuten: "Geht Schatr Mohammed entgegen, wenn er aus der Schule kommt. Trefft ihn, ehe er noch in den Stall seines Houssan getreten ist und sagt ihm, daß der Sultan verlange, ihn ungesäumt zu sprechen." Die Leute gingen. Die Leute trafen Schatr Mohammed, als er aus der Schule kam. Sie sagten zu ihm: "Der Sultan läßt dir sagen, du sollst ohne Säumnis sogleich zu ihm kommen." Schatr Mohammed sagte: "Geht und sagt meinem Vater, daß ich sogleich zu ihm kommen werde. Ich will aber erst meinen Houssan begrüßen." Die Leute der Stiefmutter sagten: "Du sollst sogleich und ohne Versäumnis zu ihm kommen. Geh also nicht erst zu deinem Houssan!" Der Sohn des Sultans aber wurde zornig und sagte: "Wer seid ihr, Sklaven meiner Stiefmutter, daß ihr es wagt, mir meine Wege vorzuschreiben! Wenn mein Vater, der Sultan, so eilig mit mir sprechen wollte, würde er nicht euch zu mir schicken, sondern seine eigenen Leute. Macht daß ihr wegkommt und mich nicht auf meinem Wege belästigt, ihr Giftmischer!" Darüber erschraken die Leute, liefen schnell von dannen und erzählten alles der Gattin des Sultans. Die Gattin des Sultans sagte: "Wenn ich nur die Leber des Houssan erhalte und gesund werde!"

Schatr Mohammed aber trat in den Stall Houssans, streichelte den Hengst und sagte: "Was gibt es wieder, mein Houssan, mein



Atlantis Bd_04-168 Flip arpa

Freund, mein Bruder?" Der Hengst rieb seine Stirn an der Brust des Burschen und sagte: "Mein Schatr Mohammed! Deine Mutter will meine Leber essen, hat angegeben krank zu sein und vom Sultan meinen Tod verlangt. Dein Vater will mich aber nicht ohne deinen Willen töten lassen. Er will mein Leben von dir erbitten. Geh zu ihm. Wenn er dich um mein Leben bittet, sage es ihm zu, verlange aber, daß man dir erlaubt, erst noch einmal in deinen besten Kleidern auf mir um die Stadt zu reiten. Er wird es erlauben, und dann wird alles andere von selbst erfolgen." Schatr Mohammed streichelte seinen Hengst und ging.

Der Sultan empfing seinen Sohn und sagte: "Mein Sohn, wie ich höre, ist meine Gemahlin schwer erkrankt. Der Arzt sagt, sie könne nur dadurch geheilt werden, daß sie die Leber deines Hengstes genieße. Ich bitte dich also, den Hengst töten zu lassen und verspreche dir dafür ein anderes gutes Pferd. Ich weiß, das dir dies schwer fallen wird, aber ich will versuchen, dir hierin und auch sonst Ersatz zu schaffen." Schatr Mohammed sagte: "Mein Vater! da du mich um dieses bittest, will ich es gern tun. Vorher will ich aber von meinem Houssan Abschied nehmen und will mit ihm einmal um die Stadt reiten. Nachher kann deine Gattin den Houssan töten. Ich hoffe, mein Vater, daß du hiermit einverstanden bist." Der Sultan sagte: "Gewiß, mein Sohn! Dieses ist ein berechtigter Wunsch." Der Sohn des Sultans ging.

Der Sultan sandte zu seiner Gemahlin und ließ ihr sagen, daß sein Sohn nur noch einmal auf seinem Houssan um die Stadt reiten und ihn ihr dann ausliefern wolle. Die Gattin des Sultans hörte das und rief einige ihrer ergebensten Leute. Die Gattin des Sultans sagte: "Macht euch bereit mit Pferden und Waffen. Wenn Schatr Mohammed nachher ausreitet, folgt ihm in einiger Entfernung. Wenn er in die Wüste entfliehen will, jagt aber hinter ihm her und tötet sogleich ihn und sein Pferd. Hütet euch aber, daß jemand euch sieht!" Die Leute sagten: "Meine Herrin! Es soll geschehen!"

Schatr Mohammed zog seine besten Kleider an und nahm seine Waffen. Dann ging er in den Stall und sattelte den Houssan. Er streichelte ihn und bestieg ihn. Er sah, daß in einiger Entfernung bewaffnete und berittene Leute standen, und, als er zum Stadttor hinausritt, ihm folgten. Schatr Mohammed ritt ein Stück weit um die Stadt. Die bewaffneten Reiter hielten sich immer in einiger Entfernung. Als der Sohn des Sultans so eine Weile geritten war, wandte Houssan den Kopf und sagte: "Mein Schatr Mohammed!



Atlantis Bd_04-169 Flip arpa

Nun sitze fest! Sieh, wie hinter uns Leute kommen, die uns verfolgen und töten wollen. Sitze also fest. Ich werde dich durch die Wüste aus dem Lande heraustragen." Schatr Mahommed sagte: "Es ist gut! Ich sitze fest!" Houssan sprang einige Schritte von der Stadt weg der Wüste zu. Sogleich setzten die nachfolgenden Reiter ihre Pferde in Bewegung. Houssan lief aber nun mit einer Geschwindigkeit hinaus, die kein anderes Pferd einhalten konnte; und die Leute der Gattin des Sultans mochten ihre Pferde antreiben und peitschen wie sie wollten, sie hatten nach einigen Augenblicken doch den Schatr Mohammed aus den Augen verloren. Sie gaben also die Verfolgung bald auf, kehrten in die Stadt zurück und teilten der Gattin des Sultans mit, daß Schatr Mohammed entronnen sei.

Houssan rannte mit seinem Herrn von dannen, bis er über die Wüste und das Land des Sultans hinaus war; dann trug er ihn vor die Tore einer andern großen Stadt und blieb stehen. Houssan sagte zu seinem Herrn: "Mein Schatr Mohammed! Steige hier ab, lege deine schönen Kleider und Waffen ab und befestige sie auf meinem Rücken. Ziehe dann aus meiner Mähne sieben Haare und bewahre diese auf. So oft du diese sieben Haare zwischen den Handflächen reibst, werde ich zur Stelle sein und dafür sorgen, daß dir jeder nur erdenkliche Wunsch erfüllt werde. Gehe nun aber in ärmlicher Kleidung in diese Stadt und vergiß nicht, daß du immer, wenn du mich brauchst, mich rufen kannst." Darauf umarmte Schatr Mohammed seinen Houssan. Houssan sprang dann auf und war sogleich verschwunden.

Der Bursche aber ging in einer ärmlichen Kleidung, unter der niemand den Sultanssohn gesucht hätte, in die Stadt. Er begab sich zu dem großen Garten, in dem das Gasr des Sultans dieser, Stadt und dieses Landes lag und trieb sich darin herum, bis er dem Gärtnermeister begegnete. Als der Gärtnermeister den fremden, elend gekleideten Burschen sah, fuhr er ihn an und sagte: "Bursche, wie kannst du dich unterstehen, im Parke des Sultans einherzugehen!" Schatr Mohammed sagte: "Verzeiht, Herr! Aber ich bin bei einem andern Sultan der Gehilfe des Gärtners gewesen; ich habe da allerhand gelernt, und deshalb brannte ich darauf, den Garten zu sehen, der unter deiner Leitung steht, zumal alle großen Kaufleute deine Kunst, wie ich sehe, mit sehr viel Recht hoch gepriesen haben."

Der Gärtner wurde dadurch geschmeichelt und fragte Schatr Mohammed: "Bei wem hast du denn in Diensten gestanden?"



Atlantis Bd_04-170 Flip arpa

Darauf nannte der Bursche den Namen des Gärtners seines Vaters. Sein Vater hatte aber große Liebe zu seinen Gärten und hatte deshalb immer Gärtner, deren Namen weit über die Grenzen seines Reiches hinaus bekannt waren. Als der Gärtnermeister nun dies vernahm, sagte er: "Mein Bursche! Du kommst allerdings aus einer guten Schule und es freut mich, wenn du dennoch meinen Garten schöner findest als den deines bisherigen Herrn." Schatr Mohammed sagte: "Herr, darüber kann kein Zweifel sein, und Ihr würdet mich außerordentlich glücklich machen, wenn Ihr mir erlaubtet, einige Jahre in Eurem Garten zu arbeiten. Ich würde Euch dankbar sein, wenn ich dies dürfte, und es würde mir völlig genügen, wenn Ihr mich mit einfacher Speise und Kleidung in den Stand setztet, meine Kenntnisse in Eurem Dienste zu vervollständigen." Der Gärtner nahm den Burschen unter so angenehmen Bedingungen gern auf und zog gleich Nutzen aus ihm, indem er ihn fragte, wie er diese und jene Pflanze behandle und welche Veränderungen er nach den Lehren seines frühern Herrn vorschlagen könne. Der Bursche gab ihm geschickte Antwort, und der Gärtner sagte: "Ich sehe, daß alle guten Gärtner es gleich machen. Ich habe nämlich diese Veränderungen für die nächste Zeit vor." Am andern Tage ging der Gärtner aber zum Sultan und brachte die Vorschläge über die Veränderungen im Garten vor. Und der Sultan, erfreut über die glücklichen Gedanken, die sein Gärtner ganz gegen sonstige Erfahrungen an den Tag legte, erklärte sich damit sehr einverstanden.

Einige Zeit, nachdem Schatr Mohammed in den Dienst des Gärtners getreten war, wurde vor den Toren der Stadt ein großes Fest abgehalten, und alle Welt zog hinaus. Der Gärtner übergab dem Burschen die Aufsicht über den Garten und ritt auch hinweg. Als Schatr Mohammed aber allein war, gedachte er mit Sehnsucht seines Houssan, und da er sich heute unbeobachtet glaubte, ging er an einen kleinen Teich, der hinter dem Gasr des Sultans lag, entkleidete sich und nahm ein Bad. Nun hatte der Sultan aber sieben Töchter, und die jüngste derselben, die auch die schönste und klügste war, saß gerade am Fenster und sah, wie der ärmliche Gärtnerknabe sich entkleidete. Sie sah, wie schön er war und wie er sich beim Baden im Wasser zu benehmen wußte, ganz im Gegensatz zu der Art der niedern Leute. Als Schati Mohammed sich aber gebadet hatte, nahm er die sieben Haare aus der Mähne seines Hengstes und rieb sie. Da kam Houssan durch den Garten dahergerannt. Der Bursche umarmte ihn und begrüßte ihn mit freundlichen Worten.



Atlantis Bd_04-171 Flip arpa

Er legte die schönen Kleider und Waffen an und ritt nun um den See herum, und alles das sah die jüngste Tochter des Sultans. Sie war aber dadurch nicht nur sehr erstaunt, sondern sie gewann den schönen und merkwürdigen Gärtnerburschen auch sehr lieb.

Nachdem Schatr Mohammed sich eine gute Weile so ergötzt hatte, stieg er ab, legte Waffen und Kleider ab und nahm von seinem Houssan Abschied. Der Hengst rannte von dannen, und der Bursche legte seine ärmliche Kleidung wieder an. So fand ihn auch der Gärtner, als er wieder heimkehrte. Der Gärtner sah aber auch die Spuren, die Houssan mit seinen Hufen in die Wege geschlagen hatte, und er fuhr den Burschen an: "Bursche, wie kannst du es dulden, daß hier auf den Wegen geritten wird! Wer war das?" Schatr Mohammed sagte: "Es war ein fremder Reiter, der hereinkam. Ich bin zu jung und unansehnlich, um ihn hinausweisen zu können." Der Gärtner aber strafte den Burschen. Alles das sah und hörte die jüngste Tochter des Sultans, und sie sandte nun täglich für den Gärtnerburschen eine gute Speise, da sie sich sagte, daß dieser von früher her eine bessere Kost gewöhnt sei. Der Gärtner nahm die gute Speise aber immer dem Überbringer ab, verzehrte sie selbst und gab dem Burschen schlechte Nahrung. Dieses währte aber drei Jahre.

Eines Tages kam die älteste Tochter des Sultans zu ihrem Vater und sagte: "Mein Vater, vergiß nicht, daß du sieben Töchter hast, die nun alle alt genug sind um zu heiraten. Der Sultan sah seine Tochter an und sagte: "Ich sehe, meine Tochter, daß du recht hast! Ich werde ein Fest veranstalten, an dem alle Männer der Stadt anwesend sein sollen. Sie werden dann an euch vorüberziehen, und ihr könnt dem, den ihr zum Gatten erwählt, euer Taschentuch zuwerfen." Die älteste Tochter dankte ihrem Vater und ging.

Der Sultan versammelte nun seine Leute und gab die Anordnungen zu dem großen Feste. Es wurde ein Mahl veranstaltet, und darauf zogen alle Männer an dem Fenster vorüber, an dem die Töchter des Sultans saßen. Einige ritten auf Pferden, andere auf Kamelen, andere auf Eseln und einige gingen zu Fuß. Eine der Töchter des Sultans nach der andern erwählte sich einen angesehenen Mann, warf ihm ihr Taschentuch zu und erkor ihn so zum Gatten. Als alle Männer vorübergezogen waren, hatten die ersten sechs Töchter ihre Wahl getroffen. Die jüngste hielt ihr Taschentuch noch in der Hand. Der Sultan wandte sich an sie und sagte: "Was ist es, meine Tochter! Alle Männer sind vorübergekommen; du hast dir aber keinen Gatten erkoren. Willst du denn nicht



Atlantis Bd_04-172 Flip arpa

heiraten?" Die jüngste Tochter sagte: "Gewiß, mein Vater, würde ich gern heiraten, aber ich denke, es sind wohl noch nicht alle Leute der Stadt vorübergekommen." Der Sultan fragte seine Leute, wie es sich damit verhielte; die aber sagten: "Es sind alle bis auf den Gärtner und seinen Burschen hier gewesen." Der Sultan lachte und sagte: "Dann sollen diese beiden auch vorübergehen!" Der Gärtner und sein Bursche kamen nun; als sie aber unter dem Fenster der Töchter des Sultans waren, warf die jüngste Tochter dem Gärtnerburschen in der ärmlichen Kleidung ihr Taschentuch zu.

Der Sultan sah dies und wurde sehr zornig. Der Sultan sagte: "Sind nicht genug gute Leute hier gewesen? Willst du mich zum Narren halten? Glaubst du, daß ich diesem Schwiegersohne einen Platz neben seinen Schwägern geben werde?" Die jüngste Tochter sagte: "Du hast jeder von uns die Erlaubnis gegeben, sich einen Gatten zu wählen. Das habe ich getan. Was du nachher mit uns tun willst, hast du nicht gesagt." Der Sultan ward noch zorniger und sagte: "Ist das der beste Mann, den du hast finden können?" Die Tochter des Sultans sagte: "Ja, es ist so!" Der Sultan veranstaltete darauf für seine ältesten sechs Töchter ein großes Hochzeitsfest, die jüngste und ihren Gatten wies er aber aus seinem Haus und in das Quartier der Sklaven.*

Der Sultan wird infolge der Wahl seiner Tochter krank. Der Arzt verordnet Gazellenmilch. Die sechs reichen Schwiegersöhne marschieren nach der Steppe. Der siebente wandert langsam hinterher, reibt, als er allein in der Wüste ist, die sieben Haare und wünscht sich ein großes fürstliches Zeltlager mit weiblichen milchenden Gazellen. Es entsteht. Der Jüngling weilt in diesem Zauberlager, als die sechs Schwäger erfolglos von der Jagd heimkehren und nimmt sie gastlich auf. Sie erkennen ihn nicht, sehen die Gazellen und erbitten Gazellenmilch. Sie erhalten das Gewünschte, bringen es heim, finden aber, daß es keine Wirkung hat. Der Mann der Jüngsten nimmt gute Gazellenmilch, läßt das Zauberlager verschwinden und kommt dann in alter Weise als Kümmerling heim. Er sendet die gute Gazellenmilch durch seine Frau, heut zwar seinen königlichen Schwiegervater, findet aber dennoch keine Anerkennung und verbleibt demnach zunächst in seinen traurigen Verhältnissen.

Dieser Teil war wie gesagt nur in einer der zwei Varianten erhalten. Beide Varianten enthielten aber in gleicher Ausführlichkeit die obige treffliche Fortsetzung.



Atlantis Bd_04-173 Flip arpa

Eines Tages kamen fremde Reiter bis nahe zu der Stadt. Die Leute meldeten es dem Sultan, und als der Späher aussandte, kamen die mit der Botschaft zurück, daß ein fremder Sultan mit großer Heeresmacht sich auf die Stadt zu bewege und sie anzugreifen beabsichtige. Darauf rief der Sultan alle seine waffenfähigen Leute und seine sechs Schwiegersöhne zusammen. Er teilte die Leute in sechs Haufen und stellte an die Spitze eines jeden je einen seiner Schwiegersöhne. An seinen siebenten Schwiegersohn dachte er dabei nicht, denn niemand dachte daran, daß der ärmliche Gärtnerbursche die Waffen zu führen verstehe. Als der Sultan seine Macht so bereitgestellt hatte, ließ er sie vor der Stadt aufstellen und dann dem Feinde entgegenziehen.

Als das Heer mit den sechs Schwiegersöhnen an der Spitze nach der einen Seite die Stadt verlassen hatte, nahm der Gärtnerbursche von seiner Frau Abschied und sagte: "Ich will sehen, was es draußen gibt." Die junge Frau lachte und sagte: "Gehe du nur, wohin du willst; die andern haben dich vergessen." Schatr Mohammed ging nun auf der andern Seite zum Tore hinaus, und als die Weiber und alten Männer das sahen, spotteten sie und schrien: "Gehe dort nur grade aus, dann wirst du schon zu den Feinden kommen!" Schatr Mohammed ging unbekümmert zum Tore und dann ein Stück in die Wüste hinaus. Als er nun sah, daß er unbeobachtet war, zog er die sieben Haare seines Pferdes heraus und sagte: "Mein Houssan! Nun komm! Nun wollen wir reiten!" Houssan kam. Houssan rieb seinen Kopf an Schatr Mohammeds Brust. Houssan scharrte mit den Füßen. Schatr Mohammed warf aber die alten Lumpen in den Wind, kleidete sich in seine guten Gewänder, warf den Kettenpanzer über, ergriff die Waffen, sprang in den Sattel, und dann jagte Houssan in langen Sätzen um die Stadt dem Kampfplatz zu.

Inzwischen war das Heer unter der Leitung der sechs Schwiegersöhne nahe an die Kriegsmacht des fremden Sultans herangekommen, und der fremde Sultan hatte seine Reiter aufgerufen und war an ihrer Spitze den sechs Haufen entgegengeritten. Der fremde Sultan wußte nun seine Leute so mit Kampfesfreudigkeit zu erfüllen, daß die sechs Haufen den Anprall nur sehr schwer aushielten und sich nur mit Mühe auf dem Platze halten konnten. Ja, die Sache stand schon recht schlecht, und die sechs Schwiegersöhne hatten sich schon vorsichtig in eine hintere Reihe gedrückt, als von der Seite Schatr Mohammed auf Houssan heranstürmte und die erstaunten Feinde mit seinen Waffen zurückdrängte. Schatr Mohammed



Atlantis Bd_04-174 Flip arpa

war bald mitten unter den Reitern und wußte mit Geschick den feindlichen Sultan zum Sturze zu bringen, indem er dessen Pferd die Kniekehlen durchschnitt. Dadurch entstand ein allgemeines Gedränge auf einen Punkt. Die feindlichen Reiterscharen drängten alle um den Platz, auf dem ihr Herr zu Sturz gekommen war und verloren so die Wucht des Angriffs. Schatr Mohammed aber brachte die zurückgedrängten Leute seines Schwiegervaters wieder nach vorn, und da nun die feindliche Macht, in ihrer Mitte den gestürzten Sultan schützend, sich geschlossen zurückzog, verfolgte er sie noch eine Zeitlang und umschwärmte sie mit den Reitern seines Schwiegervaters, bis die Dunkelheit einbrach.

Als es dunkel wurde, ritt Schatr Mohammed unbemerkt von dannen. Er ritt dahin, wo er vordem seine Kleider weggeworfen hatte, stieg von dem Pferd, verabschiedete sich von ihm und ging auf demselben Wege, auf dem er gekommen war, in die Stadt zurück. Als er durch die Stadt kam, riefen die alten Männer und Weiber: "Da kommt noch einer von unsern siegreichen Fans." Schatr Mohammed kümmerte sich aber nicht um den Spott, sondern ging zu seiner jungen Frau und sagte: "Hier bin ich wieder! Was gibt es Neues?" Seine junge Frau sagte: "Die Männer meiner sechs Schwestern haben die Reiter zurückgebracht. Die Reiter meines Vaters haben erst fast die Schlacht verloren, dann aber ist es einem Fans gelungen, den fremden Sultan zum Sturz zu bringen. Der Fans hat die Feinde zurückgedrängt. Nun streiten sich aber alle Leute, welcher der sechs Schwiegersöhne meines Vaters der Fans sei. Die sechs Schwiegersöhne meines Vaters streiten sich untereinander und jeder sagt: "Ich habe den Sieg herbeigeführt!" Schatr Mohammed sagte: "Welcher von den Schwiegersöhnen glaubst du denn, daß es gewesen sei ?" Die junge Frau sagte: "Das ist nicht meine Sache. Ich denke, mein Vater wird es schon finden; denn morgen wird der Sultan selbst mit in die Schlacht reiten!"

Am andern Tag führte der Sultan alle seine Reiter vor das Dorf. Er teilte sie wieder in sechs Haufen und stellte einen jeden unter den Befehl eines seiner Schwiegersöhne. Er sagte dann: "Meine Schwiegersöhne und ihr andern alle! Heute werdet ihr wieder gegen den feindlichen Sultan reiten müssen, denn er rückt, wie ich höre, wieder gegen unsere Stadt heran. Nun will ich mich aber selbst überzeugen, wer von allen der größte Krieger und somit nach meinem Tode der würdigste als Nachfolger in meiner Stadt ist. Ich werde also hinter euch herreiten und aus der Entfernung mit ansehen,



Atlantis Bd_04-175 Flip arpa

wie alles verläuft. Nun reitet voran!" Danach setzte sich das Heer in Bewegung, und der Sultan folgte mit einigen andern alten Leuten in einiger Entfernung. Bald wurden denn auch die sechs Schwiegersöhne, die an der Spitze ihrer Haufen in einer Reihe ritten, der Heeresmacht des fremden Sultans ansichtig, die heute noch stattlicher und kriegsmutiger war als am Tage zuvor. Denn nachdem der Sultan sich von seinem Sturz erholt hatte, ward er von einem großen Zorn über sein Unglück ergriffen und hatte die Seinen mit erhöhter Wärme durch feurige Reden zur Tapferkeit ermahnt.

Als das feindliche Heer mit seinem Sultan an der Spitze die Heerhaufen aus der Stadt sah, riefen die Leute einander aufmunternde Worte zu. Der Sultan aber rief: "Heute, meine Freunde, können wir gleich die ganze Sache auf einmal erledigen, denn ich sehe, daß der alte Sultan der Stadt selbst hinter seinen Leuten herreitet. Seht also, daß ihr den alten Sultan gefangen nehmt!" Der Sultan setzte dann sein Pferd in Galopp und gab damit das Beispiel zu einem scharfen allgemeinen Angriff, der hart gegen die sechs Haufen des Stadtheeres anprallte. Der Sultan hatte seine Leute nicht umsonst auf die wertvolle Beute aufmerksam gemacht. Von allen Seiten suchten sie durch und um die sechs Heerhaufen zu reiten, um den Stadtsultan zu erreichen. Die sechs Schwiegersöhne waren sogleich beim ersten Zusammenstoßen zurückgedrängt.

Die feindlichen Reiter drangen mit ihrem Sultan an der Spitze immer weiter und weiter vor, und vergebens und ängstlich suchte der Stadtsultan unter seinen Leuten nach dem Fans, der heute wie gestern durch seine Gewalt die Sache retten würde. Der Fans kam nicht, und nach kurzer Zeit war es dem feindlichen Sultan und einigen seiner tapfersten Leuten gelungen, so nahe zu dem Stadtsultan heranzudringen, daß seine Gefangenschaft nahe bevorstand.

Schatr Mohammed hatte, nachdem das Heer unter seinen sechs Schwägern mit dem Sultan von dannen geritten war, von seiner jungen Frau Abschied genommen und war zur andern Seite der Stadt von dannen gegangen. Die Weiber und alten Männer riefen ihm Schimpfworte nach; aber Schatr Mohammed ging unbekümmert seinen alten Weg. Wie am Tage vorher rieb der Jüngling dann in der Wüste die sieben Haare, begrüßte den herankommenden Hengst, kleidete und wappnete sich und ritt zum Schlachtfelde. Schatr Mohammed kam gerade an, als der fremde Sultan mit einigen seiner besten Streiter drauf und dran war, auf den Stadtsultan zuzustürmen



Atlantis Bd_04-176 Flip arpa

und ihn, der nur von wenigen alten Leuten umgeben war, gefangen zu nehmen. Zwar hatte der Stadtsultan in Erinnerung an seine Jugendtaten das Schwert gezogen und hochgehoben, aber er wäre sicher im Kampfe verloren gewesen, wenn Schatr Mohammed nicht mit einem Schwertstreich das Schwert des feindlichen Sultans zurückgeschlagen und mit einem zweiten ihm durch den Lederkragen des Panzerhemdes die Halsader durchgeschlagen hätte, so daß er tot zu Boden sank. Nun fielen zwar die Begleiter des fremden Sultans in Übermacht über Schatr Mohammed her. Er wußte sie aber in geschickter Weise alle kampfunfähig zu machen, ohne daß er selbst mehr als eine Armwunde davongetragen hätte.

Als der Sultan den Arm seines Befreiers stark bluten sah, beeilte er sich, sein eigenes Taschentuch herauszureißen und ihn zu verbinden. Er konnte aber den Fans, der so plötzlich unter den Seinen aufgetaucht war, nicht erkennen; er war zu schnell wieder im Kampfgewühl verschwunden.

Schatr Mohammed jagte zwischen die Kämpfer. Schatr Mohammed schrie: "Ich habe den fremden Sultan erschlagen!" Seine mächtigen Schwertstreiche und sein Ruf, die Sätze seines Houssan und die Kraft bahnten ihm überall einen Weg. Er schlug alle seine sechs Schwäger, von denen ein jeder schon von Feinden umringt war, heraus und zwang den Feind schnell zur Flucht. Die Reiter des Stadtsultans verfolgten die feindlichen Krieger bis zum Lager, töteten viele, machten viele zu Gefangenen und gewannen im Lager eine mächtige Beute. Sie wollten die Beute schon unter sich teilen; da kam auch der Stadtsultan herangeritten und sagte: "Alles, was heute erbeutet wird, kann nur einem gehören, nämlich dem Fans, der mich und den Sieg gerettet hat. Wer ist das?" Darauf schrie ein jeder der sechs Schwiegersöhne: "Ich war es! Ich war es!" Der Sultan aber lächelte und sagte: "Es waren nicht sechs Helden, sondern es war nur einer. Wer dieser eine ist, können wir morgen sehen. Heute bringt alles in die Stadt. Ich werde morgen den berechtigten Besitzer der Beute ausfindig machen."

Das ganze Heer kehrte zur Stadt zurück, und jeder der sechs Schwiegersöhne sagte daheim zu seiner Frau: "Ich war heute wieder der Fans!" Jede der sechs Frauen ging zu der gemeinsamen Mutter und sagte: "Mein Mann war der Fans." Die Mutter sagte zu ihrem Gatten, dem Sultan: "Jeder unserer sechs Schwiegersöhne will der Fans gewesen sein." Der Sultan aber sagte: "Es ist sehr einfach. Der Fans, der mir das Leben, der den Sieg und uns allen den Besitz



Atlantis Bd_04-177 Flip arpa

erhalten hat, hat eine schwere Wunde am Arm erhalten. Die habe ich mit meinem eigenen Taschentuch verbunden. Sage also deinen Töchtern, daß die, die mir dies Tuch bringen kann, den Fans zum Gatten hat." Die Mutter ging nun zu ihren sechs Töchtern und sah selbst zu, ob einer ihrer sechs Schwiegersöhne eine Wunde und das Taschentuch des Gatten am Arme habe. Sie kam zurück und sagte: "Keiner deiner sechs Schwiegersöhne war der Fans."

Lange nachdem der Kampf zu Ende war, kam Schatr Mohammed durch dasselbe Tor, durch das er weggegangen war, in seiner schlechten Kleidung zurück. Er begrüßte seine Frau, ging dann aber gleich auf sein schlechtes Lager und warf sich hin, denn er war müde. Er schlief sogleich ein. Schatr Mohammeds junge Frau hatte nun aber schon lange den Gesang und die Jubelschreie der andern aus der Schlacht Gekommenen gehört. Sie war traurig, daß ihr Mann und sie so ganz einsam und von den andern verlassen lebten. Sie ging in die Kammer, in der Schatr Mohammed lag, setzte sich auf das Angareb und weinte. Schatr Mohammed schlief so fest, daß er das leise Weinen seiner Frau nicht hörte. Nun schien an diesem Tage der Mond zum ersten Male wieder hell, und sein Licht fiel in die Kammer und auf Schatr Mohammeds Angareb. Als die junge Frau sich nun ein wenig beruhigt hatte und aufsah und als ihr Blick auf ihren Mann fiel, sah sie, daß von Schatr Mohammeds Arm ein dunkler Tropfen nach dem andern fiel und daß auf dem Boden eine Blutlache entstand. Da erschrak die junge Frau, und in ihrer Angst lief sie in das Haus ihrer Mutter, das sie seit ihrer Verheiratung nicht wieder betreten hatte. Sie fiel vor ihrer Mutter nieder und weinte und schrie: "Mutter hilf! Schatr Mohammed, mein Mann, verblutet!"

Die Mutter erhob sich schnell. Sie sagte nichts. Sie ging eilends ihrer Tochter voran über den Hof in den Teil, in dem die Sklaven untergebracht waren. Die Mutter trat in den Raum. Die Mutter sah, wie elend und zerfallen der Raum war. Die Mutter sah Schatr Mohammed, der im Schlafe lag. Die Mutter sah das Blut herabtropfen; sie schlug Schatr Mohammeds Kleid zurück und sah, daß um seinen Arm das Taschentuch des Sultans gebunden war. Die Mutter gab ihrer Tochter eine Salbe und sagte leise: "Dies, meine Tochter, ist eine Salbe, welche du auf die Wunde streichen mußt. Dann wird sie bald heilen. Der Mann aber, mein Kind, den du geheilt hast, ist der Fans, der deinen Vater und uns alle gerettet hat." Die Mutter band darauf vorsichtig das Tuch ab, das um Schatr



Atlantis Bd_04-178 Flip arpa

Mohammeds Arm gebunden war und nahm es mit sich fort. Sie ging zum Sultan.

Der Sultan empfing von seiner Gemahlin das blutige Taschentuch. Der Sultan betrachtete es und sagte: "Jawohl, dieses ist es. Nenne ihn mir!" Die Gemahlin des Sultans sagte: "Es ist der Siebente! Es ist Schatr Mohammed, der Gärtnerbursche!" Der Sultan sagte: "Wo wohnt er ?" Seine Gemahlin sagte: "Er wohnt mit deiner Tochter im Quartier der Sklaven." Der Sultan sagte: "Meine Gattin, es ist besser, daß einer aus der Erdtiefe zur Sonne aufsteigt, als daß er vom Himmel zur Erde falle. Ist Schatr Mohammeds Wunde gefährlich ?" Seine Gattin sagte: "Es ist eine starke Wunde, aber ich habe deiner Tochter die Wundsalbe gegeben."

Als Schatr Mohammed am andern Morgen erwachte, standen Boten des Sultans da, die sagten: "Der Sultan möchte Schatr Mohammed sprechen." Schatr Mohammed besah seinen Arm. Er sah, daß das Taschentuch abgenommen war. Schatr Mohammed fragte seine Frau: "Wer nahm das ab?" Seine Frau sagte: "Meine Mutter kam in der vorigen Nacht, als du schliefst. Sie nahm es ab, um es dem Sultan zu bringen." Schatr Mohammed sagte zu den Boten des Sultans: "Dann sagt dem Sultan, daß ich sogleich kommen würde." Die Boten gingen. Schatr Mohammed nahm aber die sieben Haare seines Hengstes hervor; er rieb sie zwischen den Händen. Houssan kam. Schatr Mohammed begrüßte den Hengst, und Houssan rieb seinen Kopf an Schatr Mohammeds Brust. Schatr Mohammed sagte: "Mein Freund, die Zeit unseres Elends ist vorüber." Dann kleidete sich Schatr Mohammed in die prächtigen Gewänder und legte die Waffen an. Er nahm seine junge Frau vor sich auf das Pferd und ritt mit ihr fort. Seine junge Frau aber sagte: "So habe ich dich einmal am Teiche hinter dem Gasr gesehen."

Schatr Mohammed ritt zum Gasr des Sultans. Der Sultan kam ihm an der Spitze seiner alten angesehenen Leute entgegen und sagte: "Mein Sohn, ich danke dir für alles, was du für uns getan hast. Komm mit deiner Gattin zu mir und sage mir, wer du bist!" Schatr Mohammed setzte seine Gattin zu Boden und ging mit ihr und dem Sultan in das Prunkzimmer des Serails. Schatr Mohammed setzte sich neben den Sultan und sagte: "Dieser Platz kommt mir zu, denn ich bin der Sohn eines Sultans." Danach erzählte er alles, wie es sich ereignet hatte. Der Sultan, der sich alt fühlte, setzte Schatr Mohammed jetzt zu seinen Lebzeiten schon als seinen



Atlantis Bd_04-179 Flip arpa

Nachfolger ein. Der Gärtner aber, der den armen Jüngling seinerzeit so hart bestraft und ihm die Speise der Sultanstochter nicht hatte zukommen lassen, ward geschlagen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt