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Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


34. Thorsteins Entscheidung auf dem Allthing

Nun verbreitete sich die Kunde von Björns Tode weit im Lande. Asgrim, sein Bruder in Krummachfelde (Rangarvellir), dörte davon, und er begab sich nach Auwalde zu Thorstein Kuggason. Dieser nahm sich für den alten Arngeir der Rechtssache wegen Björn an, und Thorstein, Asgrim und Björns Freunde bereiteten im Frühjahr die Klage für das Allthing vor. Als aber Asgrim im Winter von Thorstein aufgebrochen war, war er nach Holm gegangen und hatte dort Björns Gehöft in seine Verwaltung genommen. Im Frühjahr machte er sich dann auf, um mit Thorstein das Rechtsverfahren einzuleiten, und ein reiches Gefolge begleitete sie auf das Thing. Das gleiche taten auch Thord und seine Anhänger.

Es heißt nun, daß, als man zum Thing gekommen war, Thord heimlich Männer zu Asgrim gesandt habe, um ihm ein ehrenvolles Anerbieten zu machen. Er bat ihn um eine Zusammenkunft in der Nacht und versicherte, er gönne jenem, daß er bei dem Handel aufs ehrenvollste abschnitte. Das sei nur in der Ordnung, da Asgrim während der Streitigkeiten mit Björn nie sein persönlicher Widersacher gewesen sei. Asgrim, der aias auf Rechtssachen nicht gut verstand, traf denn Thord auch zur Nachtzeit. Thord war ein wortgewandter und redekundiger Mann, und erlegte nun Asgrim dar, wie sehr er zu jener Tat gedrängt worden sei. Er erzählte ihm viel von seinen Zwistigkeiten mit Björn, und wie er diesem gegenüber lange den kürzeren gezogen habe. Noch bei ihrem letzten Streit habe



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Björn ihm drei Mann getötet und vier arg verwundet. "Es sind zwölf Männer," sagte Thord, "für die noch keine Sühne vorliegt, nämlich Ottar und Eyvind, Thorstein Kalfsson, Thorkel Dalksson, zwei Achter, Stein Gudbrandsson, achtens ein Norweger, neuntens mein Sohn Kolbein, dann die beiden Eidsöhne Thorvald und Thord, zwölftens endlich Grim. Ferner wurde Dalk schwer verwundet, und alle wir andern haben mehr oder weniger Wunden davongetragen. Ich werde dir für deinen Bruder nun dreihundert Silbers 1 zahlen, denn ich gönne dir einen guten Ausgang des Rechtshandels." Asgrim hörte auf diese Vorstellungen Thords und war damit einverstanden. Er erhielt das Silber gleich gezahlt und nahm es an. Das Ganze wurde sehr schnell abgewickelt. Es war leicht zu sehen, was ihren vergleich zustande brachte: Thords Überredungskunst und die leichte Bestimmbarkeit Asgrims. Thorsinn Thvarason merkte nicht eher etwas davon, als Asgrim das Silber in der Hand hatte. Er ging aus seiner Bude zu Thorstein Kuggason und sagte ihm, daß Asgrim sich offenbar durch Thord im stillen zu einem Vergleich bewegen lasse. Er wäre dabei, Silber zu zählen. Thorstein sagte, das wäre eine arge Übereilung. Er meinte, es wäre schwer, Männern, die so eigenmächtig vorgingen, Unterstützung zu gewähren. "Doch kann man noch nicht wissen," fügte er hinzu, " was für Thord daraus entsteht." Niemand hatte geahnt, daß Asgrim sich mit keinem in dieser Sache beraten wollte, selbst nicht mit Thorstein, der doch in der Rechtssache seine Partei hielt. Deswegen waren ja Thorstein und Asgrim Kläger in dieser Sache, wegen Björns Totschlag, weil der am ersten berufene Kläger, Björns Vater Arngeir, schon zu altersschwach war. So hatte er ihnen die Sache überlassen, da er wegen seines hohen Alters nicht mehr zum Thing fahren konnte, überdies auch, als er jünger war, sich in Rechtssachen nicht genügend umgetan hatte. Anderseits wuste er, daß Thorstein Björn das Gelöbnis gegeben hatte, die Klage wegen seiner Tötung



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zu führen, falls dies notwendig werden sollte. Dies hätte ja auch Björn für jenen tun müssen, wenn er länger gelebt hätte. Thorstein sandte nun Männer zur Bude Thorkel Eyjolfssons, seines verwandten, und ließ sagen, er möchte ihn gern sprechen. Thord Kolbnnsson war in Thorkels Bude und hatte jenen vergleich abgeschlossen, ohne Thorkel ins Vertrauen gesogen zu haben, denn dieser wußte nichts davon.

von Thorstein ist nun weiter zu berichten, daß er eine Menge Männer sammelte und auch die Moorleute, Björns Verwandte, sofort zu sich rufen ließ. Nun kamen Thorstein und Thorkel zusammen. Bei Thorstein waren Björns verwandte und Freunde. Da erklärte Thorstein, er sei durch ein feierliches Gelübde gebunden, Björn zu rächen oder aber die Sache wegen seines Totschlags vor Gericht zu vertreten. "Wir, seine Verwandte und Freunde, sind nun hier zusammengekommen," fuhr er fort, "und wir müssen euch sagen, daß wir alle einig darin geworden sind, daß der Vergleich, den Asgrim mit Thord geschlossen hat, ungültig sein soll." " Es hat sich oft gezeigt," erwiderte Thorkel, "daß die Verwandten Björns ihm in seiner Sache ungerecht beigestanden haben. So meine ich, wird es wohl auch hier der Fall sein, wenn der rechtmäßige Kläger nicht den Vertrag abschließen darf, der ihm gefällt." "Darum handelt es sich jetzt gar nicht," sagte Thorstein, "ich werde die Sache ganz allein zu Ende führen, ob es nun eine Landesverweisung oder eine Geldbuße wird, wie ich mich verpflichtet habe, oder ich will mein Leben lassen. Setz' dich zur Wehr, wenn du den Kampf mit uns aufnehmen willst. Wir haben Leute genug. Es ist durchaus nicht gesagt, daß unsere Gegner siegen werden. Überdies aber würden wir in diesem Falle zusehen , ob wir nicht Thord oder die andern Männer, die Björn erschlugen, töten könnten" 1. Thorkel und Thorstein waren Vettern, und Thorkel sah wohl, daß es ihnen nicht anstünde



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die Sache so auf die Spitze zu treiben, zumal er Thorsteins Kampfeseifer kannte, auf der andern Seite hatte Thord Kolbeinsson ihn vorher bei dem vergleich nicht ins vertrauen gezogen . Er wollte daher zwar die Sache gern zu Thords Gunsten zu Ende führen, aber nicht seinetwegen mit seinen verwandten deshalb in Streit geraten. So sagte er denn, er wünsche, daß Thord selbst ohne Friedlosigkeit oder eine größere Geldbuße, als er selbst schon gezahlt hätte, davonkäme. Thorstein aber sollte über die andern Männer, die beim Totschlag beteiligt waren, ganz nach seinem Gutdünken Friedlosigkeit oder Geldstrafen verhängen. Thorstein sagte, daß es nicht richtig wäre. wenn Thord ohne jede Strafe davon käme, da doch alles Böse, was in dieser Rechtssache geschehen wäre, auf ihn zurückginge. Thorkel erwiderte: "Dann will ich, daß diese Sache nur mit Geldbußen abgetan wird, bestimmen wir denn und einigen wir uns darauf hin, daß Thord ohne Landesverweisung nur mit einer Geldbuße davon kommt."

Endlich einigte man sich dahin, daß ein fester vertrag derart geschlossen werden solle, daß Thorstein und Thorkel in der Sache das Urteil fällen sollten. Thord sollte statt der Landesverweisung die Geldsumme zahlen, die Thorstein festsetzen würde. Die übrigen Teilnehmer an Björns Totschlag aber sollte Friedlosigkeit oder Geldbuße treffen nach Thorsteins Ermessen. Das Urteil endlich sollte verkündet werden, noch ehe sie das Thing verließen. Und so geschah es auch.

Es war jetzt gerade so, als ob Thorstein ganz allein das Urteil fällte, da ja Thorkel schon vorher seinen verwandten Thord von der Landesverweisung freibekommen hatte. Er setzte aber reichliche Geldbußen gest, denn es war genug Geld da.

Die Entscheidung Thorkels und Thorsteins lautete so: Dalk sollte keine Buße erhalten für sich und seinen Sohn, aber auch nichts zahlen für seine Teilnahme an Björns Tötung. Auch Kalf sollte keine Buße für seinen Sohn empfangen, er sollte aber außerdem aus seinem Bezirk verbannt werden, sein Besitztum in Sennachtal (Selardal) verlassen und südwärts der Heide in seinen Geburtsort zurückkehren. Thord sollte dem Asgrim dreihundert Silbers zahlen, die dieser sich schon aus



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bedungen und erhalten Batie, drei andere Hundert aber sollte er wegen seiner Befreiung von der gesetzlichen Strafe geben, ebenso ein drittes Dreihundert für Kalf. Thords verwandte, die auf der Lava gefallen waren, sollten ohne Gesetzesschutz sein, ebenso die Achter und aue die Männer, die dabei waren, als man Björn den Hinterhalt legte. Nun waren noch zwölf Männer übrig, die alle tatkräftig an Björns Totschlag sich beteiligt hatten. Die verurteilte Thorstein zur Friedlosigkeit. Sie sollten noch denselben Sommer außer Landes gehen und jeder eine Mark Übersiedlungsgeld erhalten. Wenn sie aber nicht aus dem Lande kommen könnten, wie verordnet war, dann sollten sie ganz friedlos sein, und jeder, der sie träfe, sollte sie töten können. Nun verließen sie das Thing. Thorkel aber nahm sich der verbannten Männer an, ließ ihre Verwandten Geld zusammenlegen, um ihnen fortzuhelfen, und schaffte sie im Sommer außer Landes.

Allgemein sagte man, daß kaum jemals eine Totschlagssache für einen Mann einen solchen Ausgang nahm wie die für Björn 1. Denn alle Achtungen, die Thorstein verhängt haue, mußten durchgeführt werden. Thord und seine Leute waren damit sehr wenig einverstanden, obwohl sie nichts dagegen tun konnten.

Auch die Moorleute, die verwandten Björns, empfingen von Thord Kolbeinsson zum Vergleich große Geldbußen. Der alte Arngeir zog zu Thorstein Kuggason mit reichem Gelde, das er erhielt, und Thordis empfing davon die Morgengabe ihres Gatten wie ihre Mitgift und sog westwärts nach Bardaströnd am Breitfjord (Breidafjörd) zu ihren Verwandten. Asgrim aber fuhr mit dem vermögen, das ihm zugefallen war, nach Krummachfelde (Rangarvellir) im Osten und wohnte dort. Thord Kolbeinsson fuhr heim nach Hitachkap zu seiner Behausung , und er war sehr wenig zufrieden mit dem Ausgang der Sache. Jetzt hatten die Streitigkeiten endlich ein Ende. Und damit schließt die Geschichte von Björn und Thord. 1


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