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Kapitel 

Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


31. Björns Heldenkampf und Tod

Anderseits wird nun von Björn erzählt, daß er fühmorgens schon auf war und speiste, sein Dienstknecht Sigmund aber war talaufwärts gesogen. Björn hatte es nicht gern, wenn man von Hause fortging, da er viele Feinde hatte und zu jeder Zeit gewärtig sein mußte, Männer zu gebrauchen. Er sah daher finster drein und sagte zu seiner Frau Thordis, er wolle nach Weißlingshöh ziehen und den Rossen Thorsteins die Mähnen schneiden, bevor er sie nach Westen sende. Doch meinte er, er habe üble Träume gehabt in der Nacht und wüßte nicht recht, was sie bedeuteten. Er sagte, er habe oft ähnlich geträumt, doch nie so schlimm wie heute. Thordis sagte: "Ich möchte, daß du heute nicht von Hause fortgingst. Du bist wenig vorsichtig, da du doch rings um dich Feinde sitzen hast. Aber was hat dir geträumt?' "Ich laste meine Fahrt nicht



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durch Träume bestimmen," sagte Björn. "Ich möchte nicht, daß du von Hause fortgingst; und du solltest so vorfichtig als möglich sein. Das hat noch niemand Schaden gebracht. Es kommt mir vor, als ob du wirklich recht schlechte Träume gehabt hättest Sage mir: Was hast du im Traum gesehen Da sprach Björn diese Weise:



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34 Winkten nicht — ein Wunder Wies sich mir —die Disen: Feindes gewaltige Wildheit Wach oft hielt die Nacht mich. Helmgeschmückt aus Himmels Heim im Traum stand bei mir Leuchtend Weib: zum Licht sie Lud aus Kampfes Blutbad 1.

"Diesen Traum hatte ich stets," sagte er, am lebhaftesten aber in vergangener Nacht." Sie wollte ihm ausreden, von Hause fortzugehen, doch ließ er sich nicht halten. Seine Knechte, die zu Hause waren, waren zum Holzhauen in den Wald gegangen. So war Björn allein daheim von den erwachsenen Männern. Nun brach er auf, um nach den Rossen zu sehen. Er hatte eine große Schere am Gürtel, um ihnen die Mähnen zu schneiden, einen Hut auf dem Haupte und einen Schild an der Seite. In der Hand trug er das Schweri, das Thorsinn Thvarason gehörte. Björn war gewaltig an Wuchs und stattlich anzuschauen, rotbärtig, sommersprossig und strupphaarig, doch schwachäugig: ein mächtiger Krieger. Ein fünfzehnjähriger Bursch begleitete ihn. Da sie die Hauswiese verließen, sprach Björn diese Weise:



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Keine Fährnis fürcht' ich,
Fahr' mit kleiner Schar aus.
Schild und hartes Schwert nur
Ständig sind zu Händen.



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Eh entsinkt des Seehelden Sicherem Arm der lichte Stahl-eh, Feinde flieh' nd, ihn Führt sein Weg durch Myrar 1.

Sie zogen nun den Weg, der nach Weißlingshöh führte, und sie mußten dabei die Hitach überschreiten, kurz nachdem sie aus dem See tritt. Da sie nun eine Weile gegangen waren, sah der Bursch vom Heuschober auf Weißlingsböb sechs Männer ihnen entgegenkommen. Björn trug den Knaben, ob er die Pferde auf der Höhe sähe. Er meinte, man könne sie leicht an der Farbe unterscheiden. Jener sprach, er sähe die Rosse wohl, aber auch sechs Männer, die ihnen entgegenkämen. Da sprach Björn diese Weise:



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Kommst allein mit, Kämplein,
Kühn, da Streites Müd' naht.
Mehr zu Jul vorm Jahre
Ja wohl Krieger sah ich.
von West Horts Verwüster
War mit großer Schar da.
Im Herbst durch den Heerbann
Hallte das Schwert des Skalden

Björn hatte einen schönen Rock. Er hatte Strumpfhosen an den Beinen, um den Fuß aber hatte er auch den Seidenriemen gewunden, den er damals mit König Olaf dem Heiligen vertauscht hatte. Er schwang das Schwert Thorsinn Thvarasons und sprach:"Ein böses Schwert hat hier ein tüchtiger Mann." Kalf sah ihn bald, als er so weit gekommen war, setzte ihm nach und sprach: "Wahrlich es ist große Aussicht, daß das Glück sich wendet für mich. Man glaubte mich in Gefahr gebracht zu haben, aber nun denke ich, werde ich Björn, diesen Bären erjagen, den wir alle erjagen wollen." "Die Männer sind gleich hier, Björn," sagte der Bursch, "sie kommen sehr schnell." Björn sagte: "Um so leichter werden wir die Pferde



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fangen können, je mehr uns dabei helfen." Der Bursch sagte: "Das sind sicher keine Friedensleute. Sie sind alle bewaffnet. Und ich sehe immer mehr Männer. Es kommen auch hinter ung noch Bewaffnete." " Gib nicht so viel darauf," sagte Björn, "leicht möglich, daß sie auf dem Schafplatz zu tun haben." Der Bursch sagte: "Ich sehe noch mehr Männer. Die kommen von Holm. Wir haben jetzt nur noch einen Ausweg nach Klippen tal zu gehen, dann können wir durch das Höhlental uns in Sicherheit bringen."Björn sagte:"Bisher bin ich noch nie in die Flucht gejagt und, so soll es auch künftig bleiben. Ich werde nicht zurückweichen . Gehen wir nach Klippachkies (Klifsjörvi) auf Klippsand (Klifssland). Ich möchte gern zum großen Graustein (Grastein), wenn wir ihn erreichen können." Der Bursch versetzte: "Ich weiß nicht, wie wir das machen sollen: von allen Seiten suchen uns Männer heim, und deutlich sehe ich, daß sechs in jeder Schar sind, obwohl die einen noch weiter zu uns haben als die andern. Jetzt sehe ich im ganzen nicht weniger als vierundzwanzig." Björn frug: "Wo sind die Männer, die uns zunächst find:" Der Bursch sagte es, und nach seiner Angabe glaubte Björn den Kalf zu erkennen. Kalf war von hohem Wuchs und dunkler Gesichtsfarbe. Er war ganz nahe jetzt, in Björns Rücken, während Kolli und die Eidsöhne von vorn herankamen . Dalk und seine Begleiter kamen aus der Richtung von Holm und waren noch in weiter Entfernung. Björn sagte nun zu dem Burschen: "Geh jetzt auf den Hügel zu den Rossen. Ich werde bier warten. Es nützt nichts, weiter zu gehen."

Björn setzte sich dann nieder, und der Bursche ging, um die Rosse zu holen. Er wollte sie herabtreiben, kon-nie es aber nicht, denn schon hatte ihr Kampf 'begonnen. Zuerst erreichte den Björn Kalf mit fünf Mann und ungefähr gleichzeitig Kolli und die Eidsöhne, gleichfalls, zu sechs. Thorvald Eidsson schoß den Speer auf Björn, sobald er ihn erreichen konnte. Björn fing den Speer in der Luft auf und warf ihn dem Eigentümer zurück. Der Speer traf Thorvald in den Leib, und er fiel tot zur Erde. Inzwischen waren sie zwischen Björn und den Graustein gekommen, so daß Björn auch dort nicht mehr hin konnte. Thord wollte seinen Bruder rächen und führte einen mächtigen



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Hieb auf Björn. Björn aber hielt den Schild so, daß sein Arm in der Schildfessel stak. Der Hieb traf den Schild. Er war so gewaltig, daß Björns Arm zerschlagen wurde und der Schild niederfiel. Da aber ergriff Björn mit der andern Hand den Schild und schlug dessen spitzes Ende Thord ins Haupt, daß er sogleich tot niederfiel. Einige Männer aber sagen, er habe ihn mit der Roßschere getötet. Kolli war einer von den Männern, die Björn unablässig aufs eifrigste angriffen. Doch können wir nicht genau berichten, welche Wunden er ihm beibrachte. Kalf rief, es wäre ihm ganz gleichgültig, wenn Björn auch einige Männer fälle: diesmal solle er doch nicht entwischen. "Es fehlt uns ja nicht an Männern," sagte er.

Einige riefen jetzt, man solle einen Kreis um Björn bilden, ihn beobachten, daß er nicht entweichen könne. und dann auf Thord Kolbeinsson warten, damit er ihm den Todesstreich gäbe. Während sie aber mit einander redeten, löste Björn die Roßschere von seinem Gürtel. Die hatte er frisch geschliffen, ehe er von Hause ging. Sie war groß und sehr scharf. Nun kam Dalk heran mit seinen sechs mann und wollte Björn sogleich angreifen. Denn er war ein kühner Mann, und er glaubte keinen geringen Grund zum Kampf gegen Björn zu haben, da er seinen Sohn zu rächen hatte. Björn aber ergriff jetzt das Schwert Thorsinns, das er von Hause mitgebracht hatte, und hieb den Dalk so stark in den Fuß, daß dieser brach, aber das Schwert verwundete nicht. Dalk wurde kampfunfähig. Man schaffte ihn fort, an einen Platz, wo er sicher war. Jetzt kam nun endlich auch Thord Kolbeinsson. Als Björn ihn sah, sagte er: "Spät kommst du zu diesem Kampf, mein Junge." "Und doch werde ich dir heute noch so nahe kommen, daß du einen ,Spotthieb' von mir erhältst," erwiderte Thord. "Solche Hiebe wirst du auch nur austeilen können, solange du lebst," erwiderte Björn. Thord hatte sich versprochen, er hatte sagen wollen, er würde ibm heute einen Schmach-Hieb' beibringen ."Björn ergriff nun die Roß schere, weil er wußte, daß das Schwert nichts ausrichte, lief auf Thord zu und suchte mit dieser auf ihn zu stechen. Thord wich aus, und ein Knecht Thords, namens Grim, der dort stand, empfing die Todes



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wunde. In diesem Augenblick hieb Kalf auf Björn und schlug ihm eine tiefe Wunde. Björn fiel nun zu Boden, so daß er auf den Knien lag, aber er wehrte sich doch mit der Roßschere aufs mannhafteste — er war ja ein Mann von größtem Mut, wovon er oft Proben abgelegt hatte — und verwundete alle, die auf ihn losgingen. Man griff ihn nun aufs eifrigste an, doch niemand stürmischer als Kolli. Björn sagte: "Du setzt mir ja heute hart zu, Kolli." "Ich weiß nicht, was ich an dir zu schonen habe," versetzte Kolli. "Das ist richtig." erwiderte Björn, " deine Mutter wird dir das aufgetragen haben, daß du mich so heftig angreifen solltest, ich aber glaube zu sehen, daß du andere Gaben mehr besitzest als Kenntnis von deinem Geschlecht ." Kolli sagte:"Ich besinne mich nicht, daß du das Suber gesagt hättest, daß ich eine Sippenpflicht gegen dich hätte." Und sofort ging Kolli fort und ließ von dem Angriff ab. Björn wehrte sich lange mit der Roßschere, auf den Knien hockend, und alle wunderten sich darüber, wie er sich allein da so verteidigen konnte: ein sozusagen waffenloser Mann, gegen so viele Angreifer. Und doch deuchte es allen, die ihm nahe kamen, daß sie vollauf mit ihm zu tun hätten. Nun heißt es, hieb Thord auf Björn und schlug ihm den Hintern ab. Da fiel Björn. Thord wollte nun nicht lange mit dem Todeshieb warten, und dieser trennte Björn das Haupt vom Rumpfe. Da sprach Thord diese Weise:



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Tot schnitt meine Schneide
Schwertes kühnen Härter.
Hießest im Heide-strauss mich,
Heerfürst, feig und wehrlos.
Rache ich nahm für reichen
Raub an deinem Haupte.
Mord am Eigner Märings —
Mein Recht ganz allein wars 1.

Thord nahm nun Björns Haupt und band es am Sattelriemen



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fest. So ließ er es am Sattel hängen. Kalf sagte, er wolle, daß sie nach Holm gingen und dort den Totschlag bekannt machten. Man solle dort den Seinen den Halsschmuck bringen, den Björn getragen hatte. Dalk erwiderte, daß sei unnötig und zu hart. Er meinte, es stünde ihnen besser an, den verwandten Björns Buße für diese Tat auszubieten als ihnen noch größeres Leid zuzufügen. Thord mischte sich nicht in diesen Streit. Kalf ritt gleich mit Thord vom Kampfplatz. Als sie nun fortgeritten waren und hinab nach Klippsand kamen, flogen ihnen einige Raben entgegen, und da dichtete Thord diese Weise:



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38
Wohin Sturmes Weben
Wiegt euch, schwarze Flieger: ?
Raub nordwärts dich, Rabe,
Rief —ich weiß — von Hlifssand.
Ob dem Hvitingsabbang
Ebbte ab Björnens Leben.
Schwertherrns schwarzes Herzblut
Sog der Leichenvogel 1.


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