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Kapitel 

MÄRCHEN AUS KORDOFAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1923

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE MIT EINER KARTE


11. Albedewui

Es war einem Sultan gegeben, daß er sieben Söhne hatte, die alle immer in gleicher Weise aufwuchsen, spielten und nie in Uneinigkeit kamen. Als sie daher in das Alter kamen, daß sie gerade recht zum Heiraten waren, rief der Sultan sie zusammen und sagte: "Meine Söhne, ihr seid nun in dem Alter, in dem andere junge Männer angesehener Leute heiraten. Als Söhnen des Sultans geziemt euch das aber vor allen. Nun seid ihr bis jetzt stets einmütig und ohne Streit aufgewachsen, so daß ihr brüderliches Gezänk gar nicht kennt, und um so schlimmer wäre es daher, wenn ihr nun dadurch, daß ihr verschiedenartige Frauen heiratet, in eine Verwirrung kämt, der ihr dann um so weniger würdet entrinnen können, als ihr an die Frauen für immer gebunden wäret." Die sieben Söhne sagten: "Du hast recht, mein Vater! Wie sollen wir aber dieser Gefahr aus dem Wege gehen?" Der Sultan sagte: "Ich habe hierüber nachgedacht und habe gefunden, daß ihr euren Frieden und eure Bruderliebe nur in der Art ungestört wahren könnt, daß ihr sieben Mädchen heiratet, die in gleicher Weise als Töchter eines Elternpaares in ungetrübter Eintracht aufgewachsen sind." Die sieben Söhne sagten: "Du hast recht, mein Vater! Wo sollen wir aber diese sieben Schwestern finden?" Der Sultan sagte: "Ich habe mich danach umgesehen. Ich habe aber nirgends in meinem Lande eine Familie gefunden, in der sieben gutartige Schwestern ein gleich liebevolles Verhältnis von Kindheit auf gehabt haben wie ihr. Darum habe ich alle klugen Leute und Fakire befragt, und die haben mir gesagt, daß ihr das Glück der Auffindung der sieben Schwestern nur im Auslande finden könnt." Die sieben Söhne sagten: "Du hast recht, mein Vater! Wo sollen wir uns nun hinwenden, um die sieben Schwestern zu finden?"

Der Sultan sagte: "Ich habe alle klugen Leute und Fakire gefragt, und sie haben mir gesagt, daß ihr euer Lebensglück nur in der Weise gewinnen könnt, daß ihr alle gemeinsam handelt und euch einem andern unterordnet. Denn dadurch, daß ihr immer in Frieden und in Eintracht miteinander gelebt habt, ist keiner dazu gekommen, einen eigenen Willen zu erlangen. Eure Stärke beruht darin, daß ihr euch gemeinsam unterordnet. Somit seid ihr weder gemeinsam, noch viel weniger einer allein dazu imstande, eine große Sache im Lande zu überwinden und bedürft deswegen eines andern, der euch als älterer, würdiger Bruder beratend zur Seite



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steht." Die sieben Söhne sagten: "Du hast recht, mein Vater. Wo finden wir aber einen ältern würdigen Bruder?"

Der Sultan sagte: "Ich habe alle Leute danach gefragt und habe nun gehört, daß weit fort von hier ein Sultan lebt, der mit einer Tochter der Alledjenu verheiratet war. In seiner Familie sind alle Männer streitsüchtig, und so hat er sich mit seinem eigenen Sohn überworfen, der den Namen Albedewui hat. Dieser Albedewui ist als Sohn einer Alledjenufürstin klug und gut. Er ist aus der Nähe seines streitsüchtigen Vaters entwichen und irrt irgendwo in den fernen Bergen umher. Diesen Albedewui müßt ihr aufsuchen." Die sieben Söhne sagten zu ihrem Vater: "Wir danken dir für deine Fürsorge und bitten dich nur, uns alles herzurichten, was wir zur Reise benötigen."

Der Sultan ließ alles für die Reise seiner Söhne vorbereiten und gab einem jeden ein sehr gutes Pferd und Nahrung und Waffen. Er gab ihnen aber keine Diener mit, so daß die sieben Söhne eines Tages allein von dannen ritten. Die sieben Söhne ritten aus dem Lande ihres Vaters. Dann ritten sie in die Wüste, und in der Wüste ritten sie viele Tage. Sie ritten so lange, bis eines Tages in der Entfernung Berge auftauchten. Als sie nun nahe zu den Bergen kamen, stürmte ein Mann auf sie zu, der war in ein Löwenfell gekleidet und schwang ein langes Schwert und jauchzte kampfbereit und laut, so daß alle Berge seinen Ruf hundertfach widerhallten.

Die sieben Brüder sagten untereinander: "Dieser Alledjenu ist stark und will mit uns kämpfen. Wenn nun jeder einzeln von uns herantritt, wird er jeden einzelnen töten. Wenn wir alle miteinander über ihn herfallen, werden wir die Schande mitnehmen."

Die Brüder seufzten miteinander und sagten: "Hätten wir doch erst Albedewui gefunden!" Der starke Mann in dem Löwenfell kam mit großen Schritten nahe herangeritten und sagte: "Meine sieben Burschen, entweder seid ihr eine lockere Reisegesellschaft, und dann muß ich euch töten, oder aber ihr seid sieben Brüder und Kinder eines Sultans, dann bitte ich euch, mich als achten Bruder mit euch zu nehmen." Die sieben Söhne des Sultans sagten: "Wir sind in der Tat sieben Brüder. Bist du vielleicht Albedewui ?" Der Mann sagte: "Ja, ich bin Albedewui. Ich habe lange auf euch gewartet, denn von Kindheit an haben mir die Fakire gesagt, daß ich erst dann, wenn ich euch gefunden habe, glücklich werden kann." Darauf umarmte Albedewui einen nach dem andern, und die sieben Brüder waren auch über alle Maßen glücklich.



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Nachdem die sieben Brüder eine Zeitlang mit Albedewui gelagert hatten, brachen sie gemeinsam mit ihm auf. Albedewui sagte: "Unsere erste Sache muß nun die sein, für euch sieben Brüder sieben Schwestern zu finden, die als Frauen eurer würdig sind."

Albedewui ritt an die Spitze, und dann zogen sie alle zusammen weiter und immer weiter in die Ferne. Nach vielen Tagen sahen sie Bäume aus der Ebene aufsteigen und Häuser und Gartenzäune. Sie kamen an eine große Stadt. Die Stadt lag aber ganz still da. Es bellte kein Hund, es schrie kein Esel, es kreischten keine Vögel. Die acht jungen Leute ritten in die Stadt hinein. Sie ritten zwischen üppigen Gärten und schönen Häusern hin, aber nirgends sahen sie einen Menschen oder sonst ein lebendes Wesen. Albedewui sagte: "Dies ist eine eigentümliche Stadt. Sie sieht aus wie ein Ort der Menschen, aber es ist nichts von solchen zu sehen. Ich rate also, daß wir uns nach einem großen Kaffeeladen umsehen und abwarten, ob sich dann nichts zeigt." Die sieben Brüder sagten: "Albedewui, unser großer Bruder, du hast recht."

Die acht jungen Leute ritten also in die inneren Teile der Stadt. Sie sahen da überdeckte Straßen und einen weit angelegten Basar. In jedem Laden lagen wertvolle Stoffe und Perlen und Steine und Öle und Teppiche und alle sonstigen wertvollen Kaufmannsgüter aus, aber nirgendwo saß oder stand oder lag ein Mensch. Sie ritten durch den Basar, bis sie zu einer großen Kaffeeküche kamen. Albedewui sagte: "Wenn in irgendeinem Teil einer Stadt lebende Menschen sind, so ist das beim Kaffeekoch. Wir wollen also hier absteigen, unsere Pferde festbinden und abwarten, was da kommt." Die sieben Brüder sagten: "Albedewui, unser ältester Bruder, du hast recht!" Die acht jungen Leute stiegen also ab, banden ihre Pferde fest, nahmen von einem nahegelegenen Ladenaushang einen großen Teppich weg und breiteten ihn aus. Die acht jungen Leute machten es sich bequem.

Nachdem die acht jungen Leute sich schon einige Zeit ausgestreckt hatten, kam vorsichtig ein altes Weib heran. Es war das aber ein Gulweib. Sie sah die acht jungen Leute und schlich sich wieder von dannen. Sie rannte zu ihren Leuten und sagte: "Es sind acht junge, wohlgenährte Leute in meinem Kaffeehaus abgestiegen. Bereitet mir sogleich acht Schalen Kaffee und tut etwas Bendj hinein, so daß sie ohnmächtig werden." Die Leute des Gulweibes taten das. Dann nahm das Gulweib eine Sinia und brachte den



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Kaffee dahin, wo die acht jungen Leute sich gelagert hatten. Sie begrüßte die jungen Leute, und diese nahmen den Kaffee.

Die sieben Brüder nahmen den Kaffee und tranken ihn sogleich. Albedewui aber goß den Kaffee heimlich aus und beobachtete, was nun mit den sieben Brüdern geschehen würde. Albedewui sah, daß den sieben Brüdern die Augen zufielen und daß sie einschliefen. Albedewui sah, wie das alte Weib in der Nähe stehenblieb und dies beobachtete; und um nicht ihren Verdacht zu erwecken, blinzelte er auch mit den Lidern und ließ sich langsam hintenüber fallen, so jedoch, daß er durch die halbgeschlossenen Augenlider sehen konnte was das alte Weib tun würde.

Das alte Weib sah, ob die jungen Leute ohnmächtig hinfallen würden, und als sie alle auf dem Teppich lagen, wandte sie sich um und rannte von dannen. Sogleich erhob sich Albedewui vorsichtig, ergriff sein Schwert und folgte der Alten in einiger Entfernung. Er sah, daß die Alte durch die Straße von dannen lief und dann in einer Höhle, die tief in die Erde hineinführte, verschwand. Albedewui stellte sich neben dem Eingang der Höhle auf, so daß ein von innen Kommender ihn nicht sehen konnte, und wartete mit erhobenem Schwert, was nun kommen würde.

Die alte Gui war in die Höhle hineingelaufen. Sie lief den langen Gang entlang, bis sie an die unterirdische Halle kam, in der sie mit ihren Söhnen, das waren sieben Gui, lebte. Die Alte rief den Söhnen zu: "Macht, meine Söhne, daß ihr heraufkommt; die acht wohlgenährten jungen Leute haben ebenso wie alle andern den Kaffee getrunken und liegen nun ohnmächtig auf einem Teppich. Lauft schnell hinauf und bindet sie, damit sie uns nicht mehr entweichen können und jeder von uns einen Mann verzehren kann."

Die sieben Gui erhoben sich. Jeder suchte sich die Stricke, die er brauchte, um einen Mann zu binden; dann ging einer nach dem andern aus der Halle, um durch den Höhlengang nach der Stadt hinauf zu kommen.

Als der erste Gui aus dem Eingang der Höhle trat, schlug Albedewui ihm mit dem Schwert in den Nacken, daß der Kopf herunterrollte. Er warf den toten Körper und den Kopf beiseite, und ebenso tötete er einen Gui nach dem andern, also alle sieben Gui; nun wartete er vergebens noch eine Weile, denn jetzt kam niemand mehr.

Albedewui sagte: "Die Jungen scheinen ja nun alle getötet ZU sein; aber jedenfalls ist die alte Gui noch unten, wenn nicht sonst



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noch jemand, und somit werde ich selbst einmal hinabgehen und nach dem Rechten sehen."

Albedewui ging also in den Höhlengang hinab. Er ging lange dahin, bis er in die große unterirdische Halle kam, in der die alte Gui war. Die alte Gui machte gerade Feuer. Sie hörte die Schritte, und weil die Schritte Albedewuils vielfach im Felsen widerhallten, meinte sie, es kämen mehrere Männer. Die alte Gui sagte also, ohne sich umzusehen: "Nun, meine Söhne, habt ihr den ersten Braten gleich mitgebracht?" Albedewui sagte: "Gewiß, meine Mutter!" Und damit stand er auch schon neben ihr, hatte sie bei den Haaren und schwang das Schwert über ihr. Albedewui sagte: "Ja, meine Mutter. Hier ist der Braten, und es handelt sich nur noch darum, in wie viele Stücke wir ihn zerschneiden wollen." Als Albedewui sie bei den Haaren gepackt hatte, fiel die alte Gui voller Schrecken auf die Knie. Die alte Gui schrie und heulte, als sie das Schwert über sich sah, Die alte Gui schrie: "Töte mich nicht! Töte mich nicht!"

Albedewui sagte: "Was ich mit dir anfange, das wird davon abhängen, was du mir von deinen Sachen zeigst oder nicht. Erst werde ich mir einmal nach der Sitte eurer Sippe meinen Braten sichern." Dann nahm er das Schwert zwischen die Zähne und band der Alten mit dem Strick, den er einem toten Gui abgenommen hatte, die Hände zusammen. Als die Alte gefesselt und ihr die Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren, sagte Albedewui: "Nun vorwärts, meine Mutter! Nun zeige mir, was du hier unten für gute Sachen hast." Die Alte sagte: "Ich will dir alles zeigen, aber töte mich nicht!" Albedewui sagte: "Bedingungen mache ich und nicht du. Mach, daß du vorwärts kommst! Zunächst zeige mir aber das Mittel, womit ihr diejenigen wieder ins Leben ruft, die ihr mit dem Bandj leblos gemacht habt." Die Alte zeigte Albedewui eine Büchse, die mit einem Pulver gefüllt war, das den Ohnmächtigen in die Nase geblasen werden müsse. Dann zeigte sie Albedewui sieben Kammern, von denen die eine ganz mit Gold, die zweite mit Silber, die dritte mit Diamanten, die vierte mit Seidenstoffen, die fünfte mit Rubinen, die sechste mit duftenden Ölen, die siebente mit herrlichen Teppichen gefüllt war. Die alte Gui sagte: "Damit habe ich dir alle unsere Schätze gezeigt! Nun laß mich wieder frei!"

Albedewui sagte: "Warte ein wenig, meine Mutter. Erst sage mir einmal, was in der achten Kammer ist, zu der jene versteckte



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kleine Türe dort führt!" Die Alte sagte: "Das weiß ich nicht, das sage ich nicht. Es ist nichts von Bedeutung!" Albedewui trat aber an die kleine versteckte Tür und zertrümmerte sie mit einem Schwerthiebe. Es war ein dämmriger Raum. Albedewui konnte aber sehen, daß am Boden sieben junge Mädchen lagen, die alle gefesselt waren und die ihm alle sieben sehr schön zu sein schienen. Als Albedewui die Tür aufschlug, schrien die Mädchen auf und weinten. Sie sahen das alte Weib und riefen: "Töte uns lieber, als daß du uns noch länger hier gefangen hältst." Da hob Albedewui das Schwert und schlug dem alten Gulweib den Kopf ab, so daß er über den Boden hinrollte. Als die jungen Mädchen das sahen, hoben sie die gebundenen Hände und weinten vor Freude.

Nachdem die Mädchen sich ein wenig beruhigt hatten und nachdem Albedewui die Stricke von ihren Händen abgebunden hatte, sagte er: "Ihr armen Mädchen, die ihr anscheinend lange hier gelegen habt! Ihr werdet euch erst ein wenig umkleiden wollen, ehe ihr mir von all diesem Eigenartigen erzählt. Geht also dort drüben hin, wo die sieben offenen Kammern sind. Kleidet und schmückt euch nach eurem Geschmacke mit allem, was euch behagt und kommt dann in die Halle, in der ich auf euch warten werde."

Albedewui ging in die Halle. Als Albedewui einige Zeit gewartet hatte, traten die sieben Mädchen herein. Sie hatten sich in seidene Kleider gehüllt und mit prächtigen Ringen und Ketten geschmückt. Sie hatten sich die Haare geordnet und duftende Öle darüber gegossen. Albedewui wollte aufstehen und den schönen Mädchen entgegengehen, doch ehe er es verhindern konnte, waren sie vor ihm niedergefallen und dankten ihm auf den Knien als ihrem Wohltäter und Erretter. Albedewui bat sie, ihm zu berichten, wie sie in die schreckliche Gefangenschaft gekommen wären. Darauf erzählten sie ihm: "Diese Stadt wurde von einem reichen und mächtigen Sultan beherrscht, der unser Vater war. In der Stadt wohnten viele Menschen, die emsig arbeiteten und ihr Geld in dem Basar und auf weiten Reisen sammelten. Wir lebten alle sehr glücklich und fröhlich, bis eines Tages ein fremder Sultan, ein Sultan der Alledjenu zu meinem Vater sandte und verlangte, er solle ihm sogleich seine sieben Töchter senden, damit er sie heirate. Denn, so sagte er, er habe nur eine Freude am Leben, das sei seine Tochter Sams-Adunia, die werde ihm aber eines Tages, wie die Fakire sagten, von einem gewissen Albedewui genommen werden, deshalb wolle er beizeiten einen Ersatz für sein häusliches Glück haben, und er wolle deshalb



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meines Vaters sieben Töchter für sein Haus haben; wenn unser Vater dies ausschlage, so werde er sein Land vernichten lassen.* Unser Vater war über diese Nachricht sehr entsetzt und ließ seinerseits die Fakire seines Landes fragen, was sie hierzu zu sagen hätten. Die Fakire sagten ihm, es stünde ihm und der ganzen Stadt großes Unglück bevor, aber seine sieben Töchter würden nicht den Alledjenukönig heiraten, sondern eben der Albedewui, der einst die Tochter des Alledjenukönigs, die Sams-Adunia, heiraten würde, eben der würde seine eigenen Töchter einst erretten und würde sie ihren guten Ehegatten zuführen. Unser Vater ließ also die Forderung des Alledjenukönigs abweisen. Aber dieser forderte einen mächtigen Gui auf, der mit seiner Tochter immer im Streit lag und der Sams-Adunia zur Frau begehrte, unseres Vaters Stadt zu vernichten. Der mächtige Gui sandte nun, in der Hoffnung Sams-Adunia gewinnen zu können, das alte Gulweib aus, das du vorhin vor unserm Gefängnis getötet hast, mit ihren sieben Söhnen gegen unsere Stadt zu ziehen und sie zu vernichten. Er versprach den sieben Gulsöhnen uns als Gattinnen, wenn sie alle in der Stadt sonst aufzehrten. Das Gulweib machte sich mit seinen Söhnen schnell an das Werk, und wenn du durch die Stadt gegangen bist, wirst du gesehen haben, daß außer uns niemand am Leben blieb. Von uns sieben verlangte das Gulweib nun das Einverständnis der Ehe mit ihren Söhnen, und sie hätte im Laufe der Zeit ihren Willen doch vielleicht ertrotzt, wenn du nicht gekommen wärest und uns gerettet hättest."

Nach dieser Erzählung begannen die Mädchen in der Erinnerung an das Schreckliche, das sie erlebt hatten, zu weinen.

Der junge Mann sagte: "Ihr habt allerdings Schreckliches erlebt. Es ward mir aber gegeben, die Gui zu töten, und ich bin auch der, der euch eurem zukünftigen Glück entgegenführen kann." Die sieben Mädchen riefen: "So bist du also Albedewui!" Der junge Mann sagte: "Das bin ich, und ich habe auch die hierher geführt, die nach allem als eure zukünftigen Gatten bestimmt sind. Es sind die sieben Söhne eines Sultans, alle so untereinander gleich und miteinander durch innigste Geschwisterliebe verbunden wie ihr. Diese sieben Söhne liegen nun oben im Kaffeehaus auf dem Teppich. Das



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Gulweib hat sie in Ohnmacht geworfen, und ich bitte euch nun, hinzugehen und sie zum Leben zurückzurufen. Ich habe dem Gulweib diese Büchse mit Pulver abgenommen, von dem nun jede von euch dem in die Nase blasen mag, der ihr der Begehrenswerteste scheint. Diese sieben Söhne eines Sultans sind meine besten Freunde und die schönsten jungen Männer, so wie ihr die schönsten Mädchen seid. So wird es euch nicht schwer fallen, sie mit freundlichen Blicken zu betrachten, und so könnt ihr in dem Hause des Vaters dieser Jünglinge eine neue und würdige Heimstätte finden."

Als die sieben schönen Mädchen dies gehört hatten, nahmen sie gern aus der Hand ihres Wohltäters die Gabe entgegen, mit der sie ihre zukünftigen Gatten wieder zum Leben zurückrufen konnten. Nachdem sie aber in kluger Vorsicht erst ein Schaf, das Albedewui geschlachtet, zubereitet und so für Speise gesorgt hatten, kehrten sie unter seiner Leitung aus der unterirdischen Halle durch den Höhlengang zur Oberwelt zurück. Mit Schrecken sahen sie dort die Leichen der sieben Gui liegen. Mit Wonne sogen sie aber die ungewohnt gewordene Luft ein, und eilten in dem Gedanken, daß solcher Genuß den ohnmächtigen Jünglingen vorenthalten sei, schnell dahin, wo diese noch lagen.

Unter der Führung Albedewuis kamen sie bald zu dem Kaffeehaus, und nun ereignete es sich, daß ohne lange Wahl und ohne Zögern ein jedes der sieben jungen Mädchen neben dem Jüngling niederkniete, der ihr an Alter entsprach, nämlich die Älteste neben dem Ältesten und die Jüngste neben dem Jüngsten. Und jede verabreichte sogleich ihrem zukünftigen Gatten das wiederbelebende Pulver, so daß jeder, die Augen aufschlagend, sich seiner zukünftigen Gattin zuwenden mußte, und ein jeder unwillkürlich seine Arme um seine schöne Lebensretterin schlang.

Als die ersten Augenblicke des Erstaunens vorüber waren und alle sich ein wenig gefaßt hatten, nahmen sie Speise und Trank zu sich. Danach aber sprach Albedewui: "Meine sieben Brüder, ihr seht, ihr habt auf wunderbare Weise die sieben Gattinnen gefunden, die ihr nach dem Gebote eures Vaters suchen solltet und die ihr nun in das Serail eures Vaters führen und später dort heiraten könnt. Macht euch also morgen auf und kehrt mit eurem kostbaren Funde heim!"

Die sieben Jünglinge und sieben Mädchen sagten aber: "Was willst du? Du, dem wir alles verdanken, du willst uns allein fortschicken und willst nicht mitkommen?" Albedewui sagte: "Meine



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Brüder und Schwestern, ich habe aus der Erzählung der sieben Mädchen gehört, daß mir Sams-Adunia als Gattin zugedacht ist. Ich will mich also sogleich auf den Weg machen und will sehen, ob ich sie bald gewinnen kann. Macht euch also auf den Heimweg. Wartet aber mit eurer Heirat so lange, bis ich zu euch komme, und wenn ihr sieben Jahre warten müßtet." Die sieben Jünglinge und sieben Mädchen sagten: "Ja, wir wollen auf dich und deine Sams-Adunia warten!" Albedewui sagte: "Es ist gut, ich danke euch! Ruht euch heute noch von der Erregung aus. Reitet morgen dann der Heimat zu. Achtet aber genau darauf, daß ihr immer dem mittelsten Weg folgt und bedenkt, daß jede Abzweigung auf einen Nebenweg euch in eine Gefahr bringt." Die sieben Jünglinge und sieben Mädchen versprachen, genau darauf zu achten.

Am andern Morgen nahmen die sieben Jünglinge und sieben Mädchen von Albedewui Abschied und ritten von dannen. Anfangs folgten sie mit Sorgfalt der Mittelstraße, nach einiger Zeit kamen sie aber so ins Gespräch, daß sie die Richtung versahen und auf einen Nebenpfad kamen. Auf diesem Nebenpfad gingen sie hin und merkten es gar nicht, bis vor ihnen ein Gui sich erhob, der ein langes Schwert gezogen hatte und über ihnen schwang. Der Gui schrie: "Ich lasse euch nicht weiter! Ihr Burschen, ich werde euch totschlagen und werde euch diese schönen Mädchen wegnehmen! Ich werde euch aufessen und werde dann die fetten Täubchen zu mir nehmen." Die sieben Jünglinge und sieben Mädchen wußten nicht, was jetzt zu tun sei und alle schrien. Sie schrien entsetzt auf und riefen: "Weshalb ist gerade jetzt nicht Albedewui bei uns!" Der mächtige Gui rief: "Was redet ihr da? Sprecht ihr von dem Albedewui? Euer Albedewui ist der, den ich am meisten herwünsche, denn von ihm heißt es, daß er mir einst Sams-Adunia rauben würde! Wenn ihr mir den einen Albedewui gebt, lasse ich euch alle vierzehn gehen, wohin ihr wollt!"

Nachdem nun am Morgen die sieben Söhne des Sultans mit den sieben Mädchen fortgeritten waren, hatte auch Albedewui sein Pferd gesattelt und hatte sich auf den Weg gemacht, nach seiner zukünftigen Frau zu suchen. Er ritt eine Zeitlang des Weges und dachte über das nach, was er gestern erlebt hatte. Er sagte bei sich: "Diese sieben Jünglinge werden mit den sieben Mädchen der Heimat entgegenreiten. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten sorgfältig darauf achten, daß sie den Weg nicht verlieren, denn seitwärts zweigen die Pfade ab, die zu dem großen Gui führen. Nun werden sich die



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sieben Jünglinge und sieben Mädchen die Zeit damit vertreiben, daß sie miteinander schwatzen. Das Schwatzen ist aber gefährlich, denn sie können darüber den richtigen Weg verlieren. Sie werden vor Glückseligkeit viel lachen und gar nicht mehr nach dem Wege sehen. Ihre Pferde werden sie dahin bringen, wo Wohnungen am Wege sind. Das sind aber die Wohnungen der Gui. Wenn sie zum großen Gui kommen, werden sie sich nicht zu helfen wissen. Sicherlich sind sie also jetzt schon nahe der Gefahr. Ich will ihnen daher schnell nachreiten und will sehen, ob ich ihnen noch helfen kann."

Albedewui drückte also seinem Pferd die Sporen in die Seiten und jagte so schnell er konnte den sieben Jünglingen und sieben Mädchen nach. Er verfolgte aufmerksam die Spuren ihrer Pferde und kam nach kurzer Zeit auch dahin, wo sie vom Hauptwege abgewichen waren. Albedewui kam wie ein abgeworfener Speer angeschossen. Er kam gerade dazu, als der große Gui sich mit den sieben Jünglingen stritt und als der große Gui sagte: "Wenn ihr mir den einen Albedewui gebt, lasse ich euch alle vierzehn gehen, wohin ihr wollt!" Als der heranjagende Albedewui das hörte, rief er: "Den Albedewui kannst du hinnehmen, der Mann ist hier!" Der große Gui blickte auf den Mann, der angeritten kam und fragte: "Wie heißt du?" Albedewui sagte: "Du sagtest meinen Namen. Ich heiße Albedewui, und da du mich für die andern gefordert hast, so laß die andern nur ziehen, denn ich gedenke bei dir zu bleiben."

Darauf erlaubte der große Gui den andern vierzehn fortzugehen und ihres Weges in die Heimat zu ziehen. Zu Albedewui aber sagte er: "Höre, Albedewui! Es ist mir gesagt worden, daß du mir einst Sams-Adunia, die Tochter des Alledjenukönigs, rauben wirst. Wenn du das tun willst und mir dann diese Sams-Adunia bringst, magst du auch ungeschoren bleiben. Ich will nämlich dieses Mädchen durchaus zur Frau haben. Ich lebe aber seit Jahren mit ihrem Vater und ihr im Kriege, und noch letzthin hat sie mir sieben Burschen geraubt, die jetzt daheim als Kamele Holz tragen müssen. Sage mir, ob du das willst?" Albedewui sagte: "Warum, mein großer Gui, soll ich Sams-Adunia nicht rauben?! Es ist mir auch gesagt, daß ich das werde tun müssen, nur weiß ich nicht, wie ich zu ihr komme und wie ich es anstellen soll!" Der große Gui sagte: "Es trifft sich sehr gut, daß gerade jetzt der Mann gestorben ist, dem die Dagit-el-chifa (Tarnkappe, die den, der sie aufsetzt, unsichtbar macht) und die Al-bussat (die Wandermatte, die jeden,



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der sich darauf setzt, dann, wenn er sie mit der Sod-al-hedma, einer Peitsche, schlägt, dahin trägt, wohin er will) gehörte, und daß seine zwei Söhne sich um den Besitz dieser zwei Dinge streiten. Wenn du jenen Weg gehst, kommst du zu den streitenden Burschen und kannst, wenn du geschickt bist, beide Gegenstände gewinnen. Einmal in deren Besitz, muß aber ein kluger und geschickter Mann wie du, die Prinzessin leicht rauben und mir auf der Wandermatte hierher bringen können. Willst du das tun?" Albedewui sagte: "Weshalb soll ich das nicht tun?" Der große Gui sagte: "So zieh zum Zeichen, daß du es tun willst, den Ring vom Finger und übergib ihn mir!"

Albedewui drehte nachdenklich an seinem Fingerringe. Er ließ ihn dann wie unabsichtlich herabgleiten, so daß er auf dem Boden hinrollte. Als er aber am Boden lag, bückte sich der große Gui, denn er war sehr gierig darauf, Sams-Adunia zu gewinnen und strebte danach, von Albedewui in diesem Sinne eine Zusage zu erhalten. Als der große Gui aber so eilig nach Albedewuis Ring huschte, zog der sein Schwert ab, schlug dem großen Gui den Kopf ab und sagte: "Kannst du nicht abwarten, bis ich dir den Ring gebe ?"

Danach steckte sich Albedewui den Ring wieder an, bestieg sein Pferd und ritt in der Richtung fort, in der nach der Angabe des großen Gui die beiden Burschen sich um die Erbschaft der Tarnkappe und der Wandermatte stritten. Und richtig, er war noch gar nicht weit gekommen, als er schon hörte, daß zwei Burschen sich stritten. Der eine schrie: "Ich will die Kappe haben, und du kannst die Matte haben." Worauf der andere antwortete: "Nein, du kannst die Matte nehmen, sollst mir aber die Kappe geben." Nachdem der Streit eine Zeitlang gedauert hatte, kam Albedewui näher, hielt sein Pferd aber in der Richtung, daß die Burschen meinen mußten, er wolle in einiger Entfernung an ihnen vorüberreiten. Die beiden Burschen sahen den Reiter vorüberreiten. Der eine sagte: "Da kommt ein fremder Mann vorbei, der nichts von unserm Streit weiß. Wir wollen ihn bitten, hierher zu kommen und zu entscheiden, wem eines oder beides zufallen solle. Der andere Bursche sagte: "Das ist das erste vernünftige Wort, das ich von dir höre." Die beiden Burschen riefen also Albedewui. Albedewui kam näher und sagte: "Was wollt ihr von mir? Sagt es schnell, denn ich habe nicht viel Zeit zu verlieren." Der eine Bursche sagte: "Es ist eine sehr einfache Sache. Wir sind die Söhne eines armen Mannes, der



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nichts hinterlassen hat, als eine elende Kappe und eine alte Matte, zu der eine verbrauchte Peitsche gehört. Wir streiten nun darüber, wem diese Dinge, die hier liegen, zukommen." Der andere Bursche sagte: "Wir bitten dich zu entscheiden und zu teilen." Albedewui sagte: "Das ist sehr einfach. Ich werde zunächst vom Pferde steigen und werde dann ein Stück Holz werfen. Ihr lauft hinterher; wer es zuerst erreicht, soll zunächst einmal die alte schmutzige Kappe erhalten."

Die Burschen sagten: "Das ist sehr gut! So wollen wir es machen." Albedewui stieg neben den Erbstücken vom Pferd, ergriff ein Holz und warf es soweit er konnte. Die beiden Burschen liefen so schnell sie vermochten hinterher.

Als sie weggelaufen waren, ergriff Albedewui schnell die Tarnkappe und setzte sie auf. Dann setzte er sich auf die Matte und schlug mit der Peitsche auf die Matte. Die Matte sagte: "Wohin willst du?" Albedewui sagte: "Bringe mich schnellstens in die Stadt Sams-Adunias!" Sofort hob die Matte Albedewui empor, und gleich darauf befand er sich in einer ihm ganz fremden Stadt. Er stand auf, nahm die Matte unter den Arm, zog die Kappe ab und ging auf einen Mann zu, der auf der Straße stand. Albedewui sagte zu dem Manne: "Wo wohnt hier Sams-Adunia?" Der Mann sagte: "Du siehst den großen Gasr (Turm) dort! In seinem obersten Zimmer wohnt Sams-Adunia. Sams-Adunia kommt aber jedes Jahr nur einmal herab, um über das Land zu gehen, dann kehrt sie wieder auf den Gasr zurück."

Albedewui dankte dem Manne und ging. Als es Abend war, nahm er seine Kappe auf, setzte sich wieder auf seine Matte, peitschte sie und sagte: "Bringe mich oben durch das Fenster in den Raum, in dem Sams-Adunia sich befindet." Sogleich war Albedewui hochgehoben, und im nächsten Augenblick befand er sich in dem Zimmer, in dem Sams-Adunia auf einem Angareb lag und schlief. Albedewui beugte sich über Sams-Adunia. Albedewui sah, daß Sams-Adunia sehr schön war. Albedewui streckte den Arm aus und glitt mit der Hand über Sams-Adunias Hand. Er sagte: "Dies also ist die mir bestimmte Gattin!"

Sams-Adunia erwachte. Sams-Adunia fühlte, daß eine fremde Hand über die eigene strich. Sie konnte aber niemand sehen, denn Albedewui hatte die Tarnkappe noch nicht abgenommen. Sams-Adunia erschrak nicht, denn sie war tapfer. Sie sagte aber zu dem Fremden: "Wer ist der Fremde, der mich berührt? Ich fühle es,



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daß ein Fremder da ist. Sage mir also, wer du bist. Besonders wenn du Albedewui bist, sage es, denn ich weiß, daß du mir zum Gatten bestimmt bist. Zeige dich also, wer du auch bist!"

Albedewui nahm die Kappe ab, so daß Sams-Adunia ihn nun sehen konnte. Albedewui sagte: "Ich bin dein zukünftiger Gatte; ich bin Albedewui." Darauf erhob sich Sams-Adunia und betrachtete ihn lange, dann sagte sie: "Ich freue mich, daß du so und nicht anders bist."

Albedewui sagte: "Ich liebe dich so, daß ich dich gleich mit mir hinwegnehmen möchte; sage mir aber, ob das angeht." Sams-Adunia sagte: "Mein Lieber, das ist nicht möglich. Mein Vater liebt mich so und ist so mächtig, daß er mich nicht nur überall finden, sondern auch leicht zurückbringen und dich töten lassen würde. Gehe aber getrost zu meinem Vater und bitte ihn um meine Hand. Er wird dir verschiedene schwere Aufgaben stellen. Sage mir jedesmal, welche Aufgabe es ist, und dann werde ich dir sagen, wie du sie lösen kannst. Wenn mein Vater aber erst gesagt hat, daß du mich als Frau mitnehmen könntest, wenn du dies oder das beständest, dann kannst du mich getrost mitnehmen. Er kann vielleicht versuchen, dir noch mehr aufzubürden; du brauchst diesen andern Forderungen aber nicht mehr zu folgen, denn er hat sich durch sein Wort gebunden." Albedewui sagte: "Ich werde nun also zu deinem Vater gehen und ihn um deine Hand bitten. Wenn er mir die erste Aufgabe vorgeschrieben hat, komme ich zurück."

Albedewui verließ Sams-Adunia auf seiner Matte und ging zum Alledjenusultan. Er warf sich vor ihm nieder und sagte: "Mein Sultan, ich bin Albedewui, der Sohn eines Sultans. Ich bitte dich, gib mir deine Tochter zur Frau." Der Alledjenusultan sagte: "Meine Tochter Sams-Adunia haben schon viele zur Frau begehrt, aber jeder hat noch das Begehren mit dem Tode bezahlt; denn ein jeder muß mir einige Aufgaben lösen, und wenn er das nicht vermag, stirbt er. Überlege dir also die Sache!" Albedewui sagte: "Ich liebe deine Tochter so sehr, daß ich jeden Versuch, sie zum Weibe zu erhalten, machen will; und wenn ich es auch etwa mit dem Tode bezahle, so ist es mir lieber, als wenn ich ohne deine Tochter weiter leben soll." Der Sultan sagte: "Du sollst es haben, wie du es verdienst. Meine erste Forderung ist, daß du meine sieben Kamele heraustreibst in die Wüste, mit Holz belädst und beladen wieder zurückbringst." Albedewui sagte: "Ich werde das mit meinem ältern Bruder besprechen, dann werde ich es versuchen."



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Albedewui ging sogleich zu dem Manne, bei dem er sich ein Quartier besorgt hatte, schloß sich ein und ließ sich von seiner Matte zu Sams-Adunia hinauftragen. Oben angelangt, erzählte er ihr, was ihr Vater von ihm verlangt habe. Sams-Adunia sagte: "Diese Aufgabe ist eine sehr schwere für einen andern und würde ihm sogleich den Kopf kosten. Denn diese sieben Kamele sind keine gewöhnlichen Tiere, sondern es sind die jungen Gui, die im Kampfe mit dem großen Gui gefangen wurden.

Nimm nun diesen Stab, gehe zu dem Tore des Kamelstalles und schlage mit dem Stab gegen die Türe. Sage dazu: ,Auf Befehl Sams-Adunias kommt alle sieben heraus!' Dann wird die Tür sich öffnen und alle sieben Kamele, das größte voran, werden herauskommen. Sie werden in die Wüste gehen bis zu einem Hügel, auf dem viel Holz ist. Am Hügel klopfe das größte Kamel mit dem Stab und sage: ,Auf Befehl Sams-Adunias beladet euch alle sieben mit Holz und bringt es nach Haus!' Dann werden sich alle Kamele selbst beladen und die Holzlasten heimbringen. Damit hast du deine erste Aufgabe gelöst."

Albedewui sagte: "Ich danke dir!" Albedewui nahm den Stab Sams-Adunias und ließ sich wieder in sein Quartier tragen. Am andern Morgen aber ging er in den Palast und ließ sich den Stall der sieben Kamele zeigen. Er schlug mit dem Stabe Sams-Adunias dagegen und sagte: "Auf Befehl Sams-Adunias kommt alle sieben heraus!" Darauf öffnete sich das Tor und sieben gewaltige Kamele, wie er sie nie vorher in seinem Leben gesehen hatte, kamen heraus. Das größte schritt aber voran. Die Kamele gingen in die Wüste und Albedewui ging mit, neben dem größten her, bis es an einen Hügel kam, der über und über mit Holz bedeckt war. Dort schlug er dem vordersten Kamel gegen die Füße und sagte: "Auf Befehl Sams-Adunias beladet euch alle sieben mit Holz und bringt es nach Hause!" Darauf legten die Kamele sich nieder, und jedes einzelne Kamel belud sich selbst mit Holz. Als sie aber jedes eine gewaltige Last Holz aufgepackt hatten, trotteten sie alle gemächlich nach Haus und luden das Holz vor ihrem Staue ab. Dann gingen sie wieder durch das Tor hinein, und dieses schloß sich hinter ihnen.

Als die Diener des Sultans dieses sahen, liefen sie zum Herrscher und sagten: "O Sultan! Dieser Freier Sams-Adunias ist anders als die andern, denn er hat die erste Aufgabe, die du ihm gestellt hast, gelöst, trotzdem sie sehr schwer ist."



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Der Sultan ließ Albedewui rufen und sagte: "Ich höre, daß du deine erste Aufgabe ausgeführt hast. Nun will ich dir sagen, was du morgen zu bestehen hast. Wenn du das vermagst und mit dem Leben davonkommst, dann will ich dich nicht weiter behelligen, dann magst du meine Tochter wegführen und heiraten."

Albedewui sagte: "Ich bitte dich, mir zu sagen, was ich morgen zu bestehen habe." Der Sultan sagte: "Ich besitze einen außerordentlich großen Gisan (Wasserkessel), in dem du bequem stehen und liegen kannst. Wenn du dich nun der entscheidenden Probe unterziehen willst, steige in diesen morgen früh hinein. Ich werde dann alles Holz, das die sieben Kamele herbeigebracht haben, unter den Kessel packen und anzünden lassen. Wenn all dieses Holz verbrannt ist und du dennoch im Kessel am Leben bist, so will ich mich in den Verlust meiner geliebten Tochter ergeben; dann magst du sie mit dir heimführen!" Abedewui sagte: "Ich danke dir für dieses Versprechen. Jetzt will ich zu meinem ältern Bruder gehen und will mit dem die Angelegenheit beraten und mich für das schwere Unternehmen vorbereiten."

Albedewui verließ das Serail des Sultans und eilte in sein Quartier. Dort setzte er sich auf seine Matte und ließ sich schnell zu Sams-Adunia tragen. Er begrüßte die schöne Prinzessin und erzählte ihr, was der Sultan als entscheidende Probe verlange. Sams-Adunia sagte: "Die Sache ist nicht so schwer für dich zu bestehen. Nimm diesen meinen Ring hier. Wenn du morgen in den Gisan steigst, halte ihn zwischen Lippe und Gaumen. Alles Feuer, das unter dem Gisan angezündet wird, kann dir dann nichts anhaben. Ziehe deine Kleider aus und lege sie dir als Teppich unter. Wenn du Durst oder Hunger hast, reibe an dem Stein, und du wirst alles haben, was du brauchst. Wenn dann alle sieben Kamellasten unter dem Kessel verbrannt sind, wirst du wohl und munter sein."

Albedewui nahm den Ring Sams-Adunias, dankte ihr und kehrte schnell in sein Quartier zurück. Am andern Morgen aber machte er sich frühzeitig auf den Weg und suchte die Leute des Sultans auf. Er ward zu dem großen Gisan gebracht. Es war ein Wasserkessel, in dem Albedewui bequem liegen und stehen konnte, und die einzige Schwierigkeit bestand darin, hineinzusteigen. Sobald er einmal hineingelangt war, zündeten die Leute des Sultans darunter Holz an und legten immer mehr Holz in die Flammen. Es waren aber die Holzlasten, die die sieben Gulkamele am Tage vorher aus der Wüste gebracht hatten, aufgeschichtet, und das war eine gewaltige



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Masse. Albedewui hatte sogleich den Ring Sams-Adunjas in den Mund genommen, und das bewirkte, daß er überhaupt nichts von der Hitze bemerkte, die unten entfacht war. Er entledigte sich, um es sich ganz bequem zu machen, seiner Kleider und legte sie auf den Boden. Nachdem er sich so ein weiches Lager bereitet hatte, schlief er einige Stunden ausgezeichnet, und als er dann erwachte, sagte er: "Jetzt wäre es wohl an der Zeit, eine Schale Kaffee zu trinken." Er rieb also an dem Ringe Sams-Adunias, und alsbald hatte er eine Sinia mit Kaffee vor sich, und nachdem er diesen geschlürft hatte, bestellte er sich einige gute Speisen auf gleiche Weise. So verbrachte Albedewui seine Zeit aufs angenehmste, während die Sklaven des Sultans in Schweiß gebadet und unter großer Anstrengung immer neue Massen von Holz in das Feuer unter den Wasserkessel warfen.

Endlich waren alle sieben Kamellasten Holz verbrannt, und die Sklaven liefen zum Sultan der Alledjenu und teilten ihm dies mit. Der Sultan kam hierauf selbst heraus, denn er wollte sehen, wie die Knochen Albedewuis aus dem Kessel genommen wurden. Nachdem sich der Gisan etwas abgekühlt hatte, stiegen die Sklaven hinauf und öffneten ihn, um die verkohlten Teile des tollkühnen Freiers herauszunehmen. Wie groß war aber das Erstaunen des Sultans und aller seiner Leute, als Albedewui wohlbehalten und von der angenehmen Ruhe und Speisung gekräftigt, mit der Kappe, der Matte und der Peitsche aus dem Gisan herausstieg. Albedewui breitete seine Matte aus, warf sich vor dem Sultan auf ihr nieder und sagte: "Großer Sultan, nachdem ich nun diese Probe bestanden habe, bitte ich dich, dein Wort zu halten und mir deine Tochter zur Frau zu geben." Der Sultan sagte: "Ich habe dir allerdings gesagt, daß ich dir nun meine Tochter geben will, ich verlange aber von dir, daß du noch eine Probe bestehst."

Als der Sultan das sagte, setzte Albedewui schnell seine Kappe auf, schlug mit der Peitsche auf die Matte und sagte: "Bring mich schnell zu Sams-Adunia." Der Sultan sah sich, sobald Albedewui die Kappe aufgesetzt hatte, vergebens nach diesem um. Er rief ihn und hieß seine Leute ihn suchen. Mittlerweile setzte sich aber oben im Gasr Sams-Adunia zu Albedewui auf den Teppich und gelangte mit ihm zu den sieben Brüdern und Schwestern.

Der Vater der sieben Brüder war inzwischen gestorben. Die sieben Brüder hatten nichts unternommen in der Wahl des neuen Sultans. Als nun Albedewui mit Sams-Adunia ankam, überredeten



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sie ihn, Sultan zu werden. Darauf heirateten Albedewui und die sieben Brüder an einem Tag und das war der schönste Tag, den die Leute in diesem Lande überhaupt je erlebt hatten.


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