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Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


27. Thorstein Kuggasons Aufenthalt bei Björn

Ein Mami hieß Thorstein Kuggason. Er wohnte in Auwalde (Ljaskfogar). Er war begütert, von edlem Geschlecht und galt als ein sehr selbstbewußter Mann. Er war mit angesehenen und wackeren Männern verschwägert. Seine Frau hieß Thorfinna. Sie und Björns Frau Thordis waren nahe Geschwisterkinder. Thord Kolbeinsson und Dalk gingen Thorstein um Unterstützung gegen Björn an. Sie fürchteten, daß ihnen Streit mit Björn bevorstünde. Thorstein erklärte sich für diesmal dazu außerstande:"Ich halte es für das beste, dann gegen Björn euch beizustehen, wenn ihr ihm einen neuen Handel angehängt habt. Und das wird nicht schwer sein. Ich weiß ja, der Mann scheut keinen Zwist. Dann werde ich euch gern meine Hilfe leihen." Nun, meinte Thord, würde die Sache gut gehen. Und für diese Zusicherung seiner Freundschaft lud Dalk den Thorstein sum Julgelage ein und bat ihn mit viel Mannen zu kommen, wie er wolle. Das war im Frühjahr vor dem Thing. lts die Männer aber im Sommer vom Thing kamen, da



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nahmen sie sich sehr in acht. Es wurden keine Zusammenkünfte im Bezirk veranstaltet, man wollte möglichst verhüten, daß Thord und Björn aneinandergerieten. So herrschte denn jetzt Ruhe.

Den Winter darauf, vor dem Julfeste, rüstete Thorstein sich zur Fahrt auf das Gelage bei Dalk und ritt nach Strand (Strönd) zu seinem verwandten Thorgeir Steinsson auf Breitfarmhofen (Breidabolstad). Thorgeir riet ihm ab von der Fahrt nach Süden, wenn er auf seinen Rat etwas gäbe. Thorstein jedoch wollte durchaus dorthin und zog weiter mit zwölf Mann. Seine Frau Thorfinna begleitete ihn. Sie war die Tochter vermunds aus dem Seefjord (Vatnsfförd). Sie kamen nach Dunkadarstadir und waren bei Kalfs Vater Össur zu Gaste. Am Tage darauf zogen sie weiter auf die Knappifeldheide (Knappafellsheid) und rasteten zu Hafrstadir im Knappital (Knappadal). Dort wohnte ein Mann, namens Hafr. Am Morgen waren nun zwei Wege über die Höhlentalheide (Hellisdalsheid) — das Tal geht von Klippental (Klifsdal) aus. Sie wählten diesen: das Höhlental (Hellisdal) aufwärts und dann nach Klippental hinab. Dieser Weg führte gerade auf Björns Gehöft Holm. Das Wetter wurde schlecht: starker Schneefall.

Sie kamen spät abends zu einem eingehegten Heuschober auf einem Hügel. Der gehörte Björn. Es war da starkes Schneetreiben . Hier stand ein Mann vor dem Schober; der brachte Heu heraus und gab es den Pferden Björns. Sie begrüßten sich und frugen nach Neuigkeiten. Darauf sagte Thorstein:"Willst du uns den Weg weisen über das Lavafeld:" Der Knecht sagte: "Ich glaube nicht, daß Björns Hausgenossen dir Freundschaft zu lohnen haben, ich werde das nicht tun." "Gelt," erwiderte Thorstein, " wenn ich dich nun zwinge mit uns zu gehen, wird dich das besser dünken "Das mögt ihr halten," sprach der Knecht",wie ihr wollt." Das Schneetreiben und die Kälte wurden nun immer stärker. Der Knecht aber war, ehe sie es gewahr wurden, auf und davon. ging heim und sagte Björn, daß er in einer schlimmen Klemme gewesen sei: Thorstein Kuggason habe ihn getroffen, bei jenem wären elf Männer gewesen,



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und sie hätten ibn zwingen wollen, ihnen den Weg zu zeigen. Björn sagte: "Wenn Thorstein klug ist wie sonst, hart und streitbar, dann wird er am Abend hierherkommen und sich nicht der Gefahr aussetzen, dort, wo ersetzt ist; zieht er aber das Tal aufwärts, dem Wetter entgegen, und dann niederwärts über die Lavawildnis, über Wasserfälle und ungebahnte Straßen, dann wird es ibm übel gehen. Wir müssen annehmen, daß er am Abend hierherkommt."

Thorfinna ritt, und die Männer gingen. Sie waren alle erschöpft, weil sie den Tag über auf der Heide herumgeirrt waren, und nun sahen sie auch, daß der Knecht Björns ganz verschwunden war. Sie berieten jetzt, was sie für einen Entschluß fassen sollten. Das Wetter verschlimmerte sich noch, und dazu brach finstre Nacht herein. Da sagte Thorfinna: "Wenn es euch in dem Maße schwerer gelingt, Björns habhaft zu werden als seines Knechtes, wie jener ein tüchtigerer Mann ist als dieser, dann wird euere Fahrt nicht sonderlich ersprießlich werden. Weiß ich doch, daß es Thorstein allein richtig dünkt, Björns Widersacher zu sein! Aber ich hielte es für ratsam, wir würdigten doch die Verwandtschaft mit Thordis, die mir nahe verschwistert ist, etwas mehr. Töricht scheint es mir, hier draußen vor Björns Gehöft uns vergebens abzumühen, auch wenig männlich, da er uns doch ganz in seiner Hand hat. Gehen wir lieber zu ihm. Wenn wir ihn aufsuchen, wird er uns gut bewirten, , denn er ist ein trefflicher Mann." Thorstein aber war durchaus abgeneigt und zog doch weiter.

Kurze Zeit darauf sahen sie einen Mann bei einem anderen Heuschober. Das war Sigmund, auch ein Knecht Björns. Thorstein bat ihn, er möchte ihm den Weg herab nach Hausfeld zeigen. Er erwiderte: "Ich kann nicht bei Schneesturm und im Dunkel der Nacht Männern den Weg weisen." Dann stieg er endlich doch auf den Rücken Hvitings und ritt vorwärts nabe der Thorfinna. So kamen sie an die Hitach. Die war sehr angeschwollen , und sie wurden naß beim Übergange. Da bekam Thorstein endlich eine Ahnung von dem Wege, den jener vorwärts ritt, und sie war richtig: er führte geradezu nach Holm. Aber Björn war nahe mit dreißig waffentüchtigen Männern.



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Thorstein und seine Leute hätten sich auf diesem Weg sicher verirrt , denn der Weg war ziemlich lang. Das Gehöft stand unterhalb Holmfeld (Holmsfiall). Björns Knecht ritt gerade auf dieses zu.

Da sie nun ankamen und an die Tür klopften, sagte Björn zu dem Knecht, der vorher bei dem Heuschober gewesen war, er solle hinausgehen, und, wenn Thorstein gekommen wäre, diesen auffordern, zu verweilen. "Ich meine aber,"fügte Björn hin; u, "er wird denken, du könntest ihm nicht wohl Aufnahme bieten und ihm wenig Gutes gewähren. Man sagt ja wohl: ,Nur der lade ein, der zu bewirten hat. 'Sage ihm nur, er solle mit deiner Einladung zufrieden sein oder aber weiterziehen." Der Knecht tat nach diesem Gebot, und es kam ganz wie Björn vermutet hatte. Thorstein sagte, eine Einladung von ihm wolle er nicht annehmen, der solle ihn laden, der ihn bewirten könne. Der Knecht erwiderte, er möge die Einladung annehmen oder weiterziehen . Thorstein nahm nun die Einladung an, denn er sah keine Möglichkeit, zu einem anderen Gehöft zu gelangen, falls er weiter zöge.

Da sie nun hineinkamen, grüßte man sie, und dann wurde ihnen Essen vorgesetzt. Feuer aber wurde nicht angezündet, auch erhielten sie keine Kleider zum Wechseln, und sie waren doch so naß und durch gefroren. Björn frug nach Neuigkeiten, aber ziemlich wortkarg und ahne rechte Teilnahme. Die Frauen jedoch bewirteten Thorsinna gut. Thorstein überlegte sehr, ob sie nicht doch besser die Nacht weiterzogen, denn die ganze Aufnahme schien ihm sehr unfreundlich. Björn sagte, er könne ihnen bei dem Schneegestöber und dem Dunkel der Nacht keinen Führer mitgeben, er fügte aber hinzu, die Aufnahme, die er ihnen böte, verbände ja nicht zu allzugroßer Gegenleistung. Man gab den Gästen Pelze zum überdecken, denn ihr Schuhwerk war gefroren, und sie konnten es nicht ablegen, da kein Feuer angemacht war. Auch wurden ihnen keine trockenen Kleider angeboten. Sie erhielten Käse und Milch zum Nachtessen, denn die Fasten waren damals noch nicht kirchlich festgesetzt 1. Björn frug Thorstein: "Wie nennt man solche Kost in eurer



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Gegend " Er versetzte "Käse und Milch". Björn aber antwortete "Wir nennen das Feinden gemäße Bewirtung."

Ihre Nachtruhe war nun so, daß einige von ihnen die Hosen ablegten und sie in der Nacht an den Wänden, von Frost steif, aufhingen. Dann legten sie sich zum Schlafe nieder. Früh am Morgen aber stand Björn auf und sah nach dem Wetter. Als er wieder hereinkam, schloß er die Tür hinter sich. Thorstein frug, was für Wetter wäre. Björn sagte: " Es ist gutes Weiter für rüstige Männer." Thorstein rief nun seine Fahrtgenossen und hieß sie sich zur Weiterfahrt bereit zu machen. Und sie taten das. Thorfinna wurde zum Sitz in die Stube geleitet. Da Thorstein heraustrat, war es ganz schlechtes Wetter. Er sprach: "Björn ist für uns mit dem Wetter nicht sehr wählerisch, und er weiß nicht, wie ermattet wir sind." Björn hörte seine Worte und sagte: "Almosenvolk kommt schon noch nach Hausfeld." Thorstein ergrimmte über Björns Benehmen, und er ging nun in die Stube Thorfinna. Da war auch noch ein anderes Weib. Es war still, und man redete wenig. Björn war auch dazu gekommen. Starker Frost war dem Schneesturm gefolgt, und der Himmel war hin und wieder heiter. Da sagte Björn: "Ich stelle euch die Wahl, hier bis zum vierten Jultag zu bleiben, — dann sollt ihr alle Bewirtung haben, die ich euch bieten kann, — oder weiter zu ziehen, wenn euch das besser dünkt. Thorfinna aber mag dann zurückbleiben, auch die fosteranken Männer." Thorstein erwiderte, er wolle seine Mannen nicht einbüßen. Er erklärte; es ginge wohl auch ganz gut, wenn sie blieben. Er zöge das jetzt vor. "Schön," sagte Björn, "jetzt wähltest du, was am ratsamsten war."

Darauf ließ Björn große Feuer machen und dieß Thorstein äch wärmen und seine Kleider trocknen. Thorsinna sprach auf Thorstein ein, er möge das alles von Björn annehmen, es sei doch so besser als vorher, " es wird uns dann nichts abgehen: ist doch seine Zurückhaltung anfangs leicht zu verstehen. Mit euch beiden steht es allerdings so, daß ihr besser jätet euch zu vertragen." Thorstein ließ sich nun die Aufnahme gefallen. Er saß mit seinen Gefährten am Feuer, und Björn wurde jetzt ganz aufgeräumt. Da sagte Björn: " Es ist nun so gekommen, daß



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ihr notgedrungen zu mir kommen mußtet. Ich war aber den ersten Abend so zurückhaltend gegen euch, da ich vermutete, ihr würdet andere Gespräche beim Gelage in Hausfeld haben. als daß ich hätte besonders friedlich zu euch reden sollen. Nun aber werde ich euch bewirten, so gut ich kann." Die Bewirtung war jetzt ganz vortrefflich, Am nächsten Jultag war Gottesdienst. Dann weilten sie noch die vier Julnächte und genossen alle Gastfreundschaft, die ihnen zukam. Das Schneetreiben hörte nun auf, und Thorstein sagte, sie wollten jetzt zum Aufbruch rüsten. Das taten sie auch. Björn sandte nun zu seinen Hengsten , die bei dem Heuschober waren, wo sie während des Unwetters gefüttert wurden. Der Hengst war ein Sohn von Hviting und gleichfalls ganz weiß, die Stuten aber rot. Ein an- derer Sohn Hvitings aber war in Thorarinstal, auch der war weiß, während seine Stuten schwarz waren. Nun ließ Björn das eine Gestüt zu Thorstein führen und sagte, er wolle es ihm schenken Thorstein sagte, er wolle das Gestüt, wie es zur seit zwischen ihnen stünde, nicht annehmen. "denn noch bin ich keiner Gabe von dir wert. Wenn ich dir nämlich die Gastfreundschaft, die ich hier empfangen habe, nicht lohne, dann ist es auch unwahrscheinlich, daß ich dir dies lohnte, auch wenn du mir noch mehr gäbest, lohne ich dir aber die Bewirtung einmal, wie es sich gebührt, dann werde ich auch die Rosse annehmen und sehen, daß das Geschenk in würdiger Weise erwidert wird. Ich biete dir nun an, in deiner und Thords Sache zu vermitteln, denn wie es jetzt zwischen euch steht, kann es nicht weitergehen. Wiewohl die Männer unbüßbar waren, die du tötetest, und du nichts Ungesetzmäßiges tatest, werdet ihr doch zusammengeraten, wenn man nicht zwischen euch vermittelt. Ich werde dir aber sagen, wie ich entscheiden werde. Du sollst für jeden der Erschlagenen mit einer Geldsumme büßen, wenn du auch weniger zahlst als sie haben wollen. Den Rest werde ich begleichen. Jene werden dann glauben ihre Sache gut zu Ende geführt zu haben." Björn sagte: "Ich 1



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bin sehr damit 'einverstanden, daß du die Entscheidung fällst. Ich gebe dir die ganze Sache in die Hand." Thorstein erwiderte: "Ich will mich ihrer auch gern annehmen." Björn geleitete sie ein Stück Weges. vier Rosse hatte er ihm im ganzen geschenkt.


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