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Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


20. Björns Stage wegen der Kuhweisen

Im Frühjahr darauf sog Björn aus, um seine Hammel von Vellir herab und das Tal herauf nach der Seite, wo Hausfeld lag, zu treiben. Seine Knechte gingen mit ihm. Da sah er Kohlenrauch im Walde und hörte Männerstimmen. Er und der Knecht lauschten, was da geredet wurde. Thorkel Dalksson und sein Knecht sprachen über die Sache Thords und Björns und über die Spottweisen, die jeder auf den anderen dichtete, und zwar in verschiedener Weise. Der Knecht hielt es mit Björn, Thorkel aber mit Thord. Sie haderten gerade darum, wer am wirksamsten den andern in Weisen verspottet habe. Björn hatte da kurz vorher ein Flim (Spottgedicht) über Thord gemacht, und das war ziemlich weit unter den Leuten herumgekommen. Das war sein Inhalt: Arnora, die Mutter Thords, hatte einen Fisch gegessen, den er Gramagi d. h. Steinbeißer nannte, er sollte an der Rüste gefunden sein, jene wäre aber von der Mahlzeit mit Thord schwanger geworden, und so stammte dieser nicht gans, nur von mütterlicher Seite, von Menschen ab. So aber hieß es im Gedicht:



***
25
Flut schwoll zum Strand,
Fisch kam ans Land,
"Steinbeißern" gleich,
Glibbrig und weich —
Fraß Thords Mutter
Solch ein Futter —
Giftig war er:
Gar Schlimmes birgt's Meer.



Thule-Bd.09-109 Vier Skaldengeschichten Flip arpa



***
26
Unter der Brust,
Bauch schwoll vom Wust,
Hin die bleiche
Hemdeneiche
Ging, sich lang
Brüstend im Gang.
Die Qual im Leib!
Dick ward das Weib:


***
27
Nun kam ein Sohn,
Man sagte schon
Reichtums Spender,
In Web 'n sie fänd' er.
Ins Aug' er da
Dem Angstkind sah.
Dann sprach er leis
"Feig wie' ne Geiß" 1.

Nun sagte der Knecht, Thord hätte nach seiner Meinung Björn gegenüber schlecht abgeschnitten, im Liede wie in allem übrigen. Er erklärte, etwas so Boshaftes habe er nicht wieder gehört wie dies Spottlied vom Steinbeißer, das Björn über Thord gedichtet habe. Thorkel dagegen meinte, viel wirksameren Spott enthielten die Kuhweisen ("Rolluvisur")2, die Thord über Björn dichtete. Der Knecht sagte: "Die hörte ich niemals. Kannst du die Weisen auswendig:" "Ich denke wohl, daß ich sie kann, ich mag sie aber nicht aufsagen, das ist ja auch verboten. Es wurde auf dem Allthing doch beschlossen, daß der ohne Gesetzesschutz sollte getötet werden können, der eine Spottweise sagte, so daß sie Björn hörte. Wozu sie auch aufsagen, selbst wenn erste nicht hört!" "Du könntest es schon," sagte der Knecht, "ich bin sehr neugierig drauf und Björn kann sie ja jetzt nicht hören."



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So stritten sie lange. Thorkel wollte nicht heran, und der Knecht drängte und sagte, er brauche doch keinen Aufpasser zu fürchten . Endlich ließ sich Thorkel doch verleiten und sagte die Weisen auf. Da lief Björn vor und sagte, jene hätten Besseres zu tun als die Kuhweisen bekannt zu machen." Wie ist es,"fuhr erfort, "denkst du nicht daran, daß nach Gerichtsbeschluß der ohne Gesetzesschutz fallen sollte, der die Weisen aufsagte, oder nimmst du darauf überhaupt keine Rücksicht:" Thorkel sagte, er vermute, daß er gehorcht habe. " Das ist doch nicht die Art Björns sonst," fuhr er fort, "überdies, denke ich, bist du noch kein König über die Männer; daß du die Menschen nicht solltest in Frieden von dir gehen lassen." "Das kann ich ganz und gar nicht annehmen," fügte Thorkel hinzu."Ich werde nicht König sein über die andern, wenn ich es nicht über dich bin," versetzte Björn. Damit schlug er ihn tot.

Der Knecht ging hin und erzählte Dalk den Vorgang. Er härmte sich sehr über seinen Sohn, dachte aber, er hätte kaum Aussicht auf Buße. Er hatte vorher sich vorgenommen, in die Streitigkeiten Björns und Thords nicht einzugreifen. Jetzt zog Björn nach Hause und hatte die erste Zeit nach dem Totschlag viele Männer um sich. Dalk ging zu Thord Kolbeinsson. Er erzählte ihm von dem Totschlag und der Ursache. Dem Thord schien jener viel durch ihn gelitten zu haben, und er büßte Dalk mit einer Geldsumme und wollte die Sache vor Gericht zum Austrag bringen, wenn keine Sühne zustande käme. Dalk aber sollte dann dem Thord bei der Verfolgung der Rechtssache nach Kräften Beistand leisten. Darauf im Frühjahr ging Dalk den Björn um eine Sühne an. Er antwortete versöhnlich und weigerte sich nicht Buße zu zahlen. Darauf machte Thord die Sache Björns doch bei Gericht anhängig. Und da die Männertum Thing kamen, wollte Thord die verurteilung wegen Totschlags durchsetzen, Björn aber legte verwahrung ein in der Sache, und erhob den Einspruch, es wäre damals vor Gericht beschlossen worden, wer eine Spottweise so spräche, daß sie ihm zu Ohren käme, der solle rechtlos fallen. Er aber habe gehört, wie Thorkel die Spottweise auf ihn hersagte, " und deswegen habe ich ihn getötet." Dieser Einspruch genügte, und Thord fiel mit seiner Klage durch.


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