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Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


18. Björn tötet Thords verwandte

Im dritten Sommer nach dem Allthing lief ein Schiff in Aue (Eyrar) ein, auf dem waren zwei Verwandte Thords, zwei Brüder aus Vik. Der eine dieß Ottar, der andere Eyvind. Sie waren Gesippen Thords von Vaterseite her. Beide waren nichtige Männer. Sie sandten Thord Botschaft, daß er ihnen entgegenkommen sollte. Sie hätten gehört, erführe einen stattlichen Haushalt, und sie gedächten dort bei ihm Aufenthalt zu nehmen. Als Thord dies hörte, ritt er nach Aue und empfing seine verwandten freundlich. Er lud sie zu sich ein. Sie zogen mit ihm. Es war zu viel in der Gegend von Thords und Björns Hader gesprochen, als daß diese Männer nicht hätten früher davon reden hören sollen. Es herrschte die Meinung, daß Thord meistens den Kürzeren gezogen habe. Das mißfiel ihnen sehr, denn sie waren sehr selbstbewußte Männer, und sie meinten, sie könnten es wohl beurteilen, daß Björn keines- wegs ein so großer Mann wäre, wie man sagte, daß andere Männer ihm nicht gewachsen sein sollten. Sie stachelten Thord auf, sich nicht dabei zu beruhigen. Die Männer der Gegend machten oft Fahrten nach Schneefeldkap (Snäfellsnäs), um Fische oder andere Dinge dort zu kaufen. Nun fuhr auch Björn einmal nach Saxahval in Strönd zu seinem verwandten Arnor, um Fische zu kaufen. Er wurde schön empfangen, Thorhild, Björns Base, redete darüber mit ihm: "Du bist ein tüchtiger Mann, Björn," hub sie an, "aber du fühlst dich auch als solcher. Deshalb kommt dir meine Rede vielleicht frei vor. Mir scheint es gefährlich, daß du nur mit einem Mann aussiehst bei den Feinden, die du hast. Es sind jetzt Männer in die Gegend gekommen, die nicht oft den Kürzeren zogen, und die wissen, daß Thord öfter schlecht dir gegenüber abgeschnitten hat. Es kann leicht sein, daß sie das ahnden wollen. Ich habe hier einen Sohn, namens Thorfinn. Den biete ich dir zur Begleitung an, obwohl er es daheim sehr gut hat. Ich freue mich sehr über dein Hiersein, aber noch mehr freute ich mich, wenn du mit zwölf Männern bier wärst, die ebenso tüchtig sind wie Thorsinn, mein Sohn, oder mit noch mehreren. Alle



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sollten wohl bewirtet werden, du aber wärest dann weniger plötzlichen Überraschungen von deinen Feinden ausgesetzt." Björn sagte: "Habe Dank für dein Angebot und deine gute Gesinnung. Ich nehme es gern an, daß Thorfinn mich auf meiner Fahrt begleitet, aber ich wüßte nicht, daß ich es notwendig hätte mit einer so großen Schar auszuziehen." Björn weilte dort, gut bewirtet, drei Nächte.

Thord Kolbeinsson hörte nun, daß Björn nicht daheim sei, sondern nach Saxahval gefahren wäre. Da gab er ein Geschäft in Strönd vor und zog zu zwölf nach Beruhraun. Seine verwandten Ottar und Eyvind waren mit auf der Fahrt. Als sie dorthin gekommen waren, sagte ihnen Thord, was er mit seiner Fahrt bezwecke. Er wollte Björn einen Hinterhalt legen. Er meinte, jener käme arglos von Saxahval, und er gedächte ihm das Leben zu nehmen. Thords verwandte erwiderten , sie hielten es für wenig heldenhaft, zu zwölf zwei Männer zu überfallen. Sie erklärten, daß sie nicht mit ihm von Hause aufgebrochen wären, wenn sie das gewußt hätten, und sie stellten Thord die Wahl, entweder Björn nur mit zwei Mann zu überfallen oder ihnen, den Brüdern, den Überfall Björns zu überlassen. "Wir meinen, wenn auch Björn ein sehr kampftüchtiger Mann ist, so ist das doch schon in Rechnung gezogen, da wir annehmen, daß sein Begleiter uns beiden im Kampfe nachsteht. Aber zu zwölf werden wir ihn niemals überfallen." Thord sagte: "Dann wollen wir von der Fahrt wieder reden, wenn wir erprobt haben, ob es nicht notwendig war, eine solche Schar gegen Björn zu haben. Ich sehe ja: ihr seid nicht nur tüchtige Männer, sondern fühlt euch auch als solche. Da ich mich nun entscheiden soll, wie ihr vorher sagtet, so stellt ihr ihm denn nach, und wir wollen fortreiten." Damit waren sie einverstanden. Thord zog sich nun zurück, so daß er mit dem Überfall der Brüder nichts mehr zu tun hatte. Die Brüder aber legten Björn einen Hinterhalt und glaubten so am besten zu fahren.

Nun ist von Björn zu erzählen, daß er sich zum Aufbruch von Arnor; seinem verwandten, rüstete. Da kam die Hausfrau und sagte: "Ich rate durchaus, daß Björn von hier nicht anders



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als zu zwölf über Beruhraun siehe. Denn mir hat geträumt, Björn, Thord würde dir einen Hinterhalt legen, da er gar arglistig ist." "Das tut er sicher nicht," sagte Björn, " wenn er das beabsichtigt, wird er es nahe bei seinem Gehöfte tun." So ritt Björn zu dritt von Arnors Hof.

Da sie kurze Zeit fort waren, sagte Thorhild zu ihrem Manne: "Wenn Björn heute ein Unglück geschieht, dann werden wir beide heute abend nicht unter einer Decke liegen." Auf ihr Betreiben zog Arnor mit acht Mann von Hause fort und erreichte ihn auf dem Lavafeld. Björn empfing ihn freundlich und sprach: "Du bist mir schnell nachgeritten, Oheim!" Ich tat es," sagte er, " da du es nicht eilig hattest mich dazu aufzufordern: nun muß ich mich dir schon selber anbieten." "So sei es denn," sagte Björn. Sie stiegen nun vom Rosse und führten die Pferde über die Lava, denn sie hatten eine große Last mitzuschleppen. Björn und Arnor gingen voran. Björn hatte einen Hakenspeer in der Hand und den Helm auf dem Haupte. Er war mit dem Schwerte gegürtet und trug den Schild an der Seite. Aber Amor hatte das Schwert in der Hand und hielt dieses über die Achsel und war am Leib mit einem Gürtel umschaut. Sie gingen nun auf dem Weg über die Lava.

Die Brüder sahen, daß mehr Männer kamen, als sie um Björn vermutet hatten. Ihre Fahrt schien ihnen vom Übel, wenn es Björn gar nicht war und sie sich zurückziehen müßten. So warteten sie. Schnell, ehe sie es gewahr wurden, war Björn vor ihnen. Eyvind war der ältere der Brüder. Er griff Björn an und hieb auf ihn mit der Streitart. Sie traf den Helm und glitt herab, und die Schneide durchhieb das Schildband. So wurde Björn an der Brust verwundet und außerdem am Fuß. Beides aber waren keine großen Wunden. Ottar hieb Arnor in den Kopf und schlug ihm das Ohr und einen Teil des Backenknochens ab. Der Hieb aber wurde durch das Schweri aufgehalten, das er über der Achsel trug. Björn warf den Schild von sich auf die Lava und hieb auf Eyvind. Das war ein Todeshieb. Es Selen dann beide Brüder. Da sprach Björn die Weise:



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***
20
Träg das vieh am Tage
Treibst du, Bock der Weiber!
Hirnlos schwatzt Thord, Harnisch-
Heldin Björn doch fällte:
Weiß er, wo den biss 'gen
Blutstahl ich schwang mutige?
Lustigen Zweikampfs Listen
Lästig sind dem Freßwanst 1.

Jetzt verbanden die Verwandten ihre Wunden und begruben die Brüder dort in der Lava. Sie erklärten sie nach dem Gesetz für unheilig 2 wegen ihres hinterlistigen Überfalles. Thord Kolbeinsson war nicht weit davon und wußte, was geschehen war, es schien ihm aber nicht geraten, sie anzugreifen, da sie so viele zusammen waren. Er zog daher nach Hause und wurde in diese Angelegenheit nicht weiter verwickelt. Man frug ihn daheim, wie weit er denn gekommen sei, er aber sprach diese Weise auf Björn:



***
21
Zweifel hielt uns zwölfe
Zag, o Frau, im Lager.
Beruhraun uns barg den
Bitteren Pfeil befiedernd.
Lief erst stolz zur Lava:
Lachend da Björn in Schlacht ier
Sah ich, und die Sehnsucht
Sank; den Mann zu fangen.

Und noch eine zweite Weise sprach Thord:



***
22
Schöner Björns Ruhm scheinet
Schwertkampfs tapfrem Mehrer,
Als Thords: schätzt doch Schatzes
Spender sich unendlich!



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Harten Speers Zerstörer Streckte hin zwei Recken. Besser schon mir schien' es, Schwiegen jetzt die Krieger 1.

Arnor zog nun nach Hause und genas von seinen Wunden. Björn zog ebenfalls heim und mit ihm etwas mehr Männer, als mit denen er ausgefahren war. Eines Tages aber dichtete er diese Weise:



***
23
Stamm des Heerkampfs hier soll's
Hör' n —das gönnt Björn ihm:
Wichest in feiger Flucht doch,
Fant, am Meeresstrande!
Zwei Recken abzwackt' im
Zwist durch Schwertes Biß ich
Thord: der Föhrdefahrer,
Fraß gab er den Raben 2!

Björns Wunden wurden bald heil, und es war jetzt Frieden. Der Tod der Brüder fand keine Sühne. Björn ließ sie auf dem Kirchhof begraben.


Copyright: arpa, 2015.

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