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Kapitel 

Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


14. Gunnlaugs und Hrafns Zweikampf

Nun ist weiter von Hrafn zu berichten, wie er ;u Borg seine Hochzeit hielt. Man erzählte sich allgemein, daß die Braut sehr niedergeschlagen gewesen sei. Richtig sagt das Sprichwort:"Lang denkt man das, was man sung erfaßt. So ging es ihr jetzt auch.

Eine Neuigkeit gab es: ein Mann, namens Sverting, hatte um Hungerd, die Tochter Thoroddo und Jofrids, geworben. Es war der Sohn Hafrbjörns, des Sohnes Molda-Gnups. Die Hochzeit sollte noch im Winter nach dem Julfest zu Skaney stattfinden. Dort wohnte Thorkel, ein Verwandter der Hungerd und ein Sohn Torsi Valbrandsons. Die Mutter Torsis war Thorodda, eine Schwester Zungen-Odds.

Hrafn zog mit seiner Frau Helga heim nach Mosfell. Da sie dort kurze seit gewesen waren, traf es sich eines Morgens vor



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den. .i Aufstehen, daß Helga wach lag, aber Hrafn noch schlief und sich unruhig hin und her warf. Als er aber erwachte, frug Helga, was er geträumt habe Da sprach Hrafn diese Weise:



***
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Wähnt' im Traum, daß wund ich
Ward in Helgas Arme:
Braut, das Bett in rotem
Blut schwamm, drauf wir ruhten.
Weib, nicht Lindrung wobst in
Wundens Schmerz du kundig
Mir. Glaub', frohe Märe
Meldet der Traum dir, Helga!

Helga sagte: "Darüber würde ich gewiß nicht weinen. Wie habt ihr mich böse hintergangen Gunnlaug ist sicher nach Island zurückgekehrt." Und Helga weinte bitterlich.

Bald darauf wurde Gunnlaugs Rückkehr im Lande bekannt. Helga wurde nun so abweisend gegen Hrafn, daß erste nicht länger daheim festzuhalten vermochte. Er sog daher wieder mit ihr nach Borg. Hrafn hatte auch dort wenig Freude an seiner Ehe mit ihr. Indessen rüsteten sich die Leute für das Gelage im Winter. Thorkel von Skaney lud Jllugi den Schwarzen und seine Söhne ein. Als Jllugi nun sich zur Fahrt rüstete, saß Gunnlaug in der Stube, ohne sich reisefertig zu machen. Da ging Jllugi zu ihm und sprach: "Weshalb rüstest du dich nicht zur Fahrt, Sohn:" Gunnlaug erwiderte: "Ich denke, ich bleibe hier!" Da sprach Jllugi "Du wirst ganz gewiß mitkommen , mein Sohn. Laß dir doch das nicht so nahe gehen, daß du dich immerfort nach dem einen Mädchen sehnst. Du doch lieber so, als ob dich die Sache gar nichts anginge! Du wirst nie Mangel an Frauen haben!' Gunnlaug tat, wie sein Vater gesagt hatte.

So sogen die Männer zum Gelage. Jllugi und sein Sohn erhielten den ersten Ehrensitz. Thorstein Egilsson aber, Hrafn, seinem Schwiegersohn, und den Genoßen des Bräutigams wies Thorkel den zweiten Ehrensitz Jllugi gegenüber an. Die Frauen saßen auf der Querbank, und die schöne Helga der Braut unächst. Da schweiften oft die Augen Helgas und Gunnlaugs



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zueinander hinüber, und es ging auch dort zu nach dem Sprichwort: "Die Augen verraten es, liebi das Weib einen Mann" Gunnlaug war da wohlgekleidet. Er trug die schöne Gewandung , die König Sigtrygg ihm geschenkt batie. Er leuchtete dort vor den anderen Männern hervor durch seinen kraftvollen Wuchs und seine Schönheit. Die Festfreude auf dieser Hochzeit war nicht allzu groß. Und an dem Tage, da die Männer sich zur Abreise fertig machten, gingen auch die Frauen beiseite und rüsteten sich zur Heimfahrt. Da ging Gunnlaug zu Helga, und sie redeten lange miteinander. Gunnlaug sprach diese Weise:



***
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Glücklich ging kein Tag hin
Gunnlaug seit der Stunde;
Da Helga die Holde
Hrafn tns Bett man schaffte.
Traun, für Trug der feige
Thorstein hielt mein Wort nur.
Gabst hin, Gauch, die Tochter
Gleich für öden Reichtum!

Und dann dichtete er noch folgende Weise:



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Weines sebni ucke Schenkin 1,
Schlimmste Gab' ich immer
Deinen Eltern danke :
Du nahmst alle Ruh' mir.
Daß sie heid' im Bett dein
Bild zu prägen willig!
Holdes Weibl Zur Hölle
Hin fahr' Kunst, so sinnvoll!

Da gab Gunnlaug der Helga den Mantel, das" 'Adalradkleinod" . Das war ein überaus kostbares Geschenk. Sie dankte ihm sehr die Gabe. Dann ging Gunnlaug hinaus. Da waren die gesattelten Hengste und Stuten in wischen gekommen. Sie standen angebunden auf dem Steinplatz vor der Türe. Gunnlaug sprang einem Hengst auf den Rücken, sprengte wild um den Platz und hielt dort; wo Hrafn stand, so das dieser ausbiegen mußte. 1



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"Was biegst du aus vor mir: ?"sprach Gunnlaug. Du bast ja doch jetzt nichts vor mir zu befürchten. Du weißt freilich wohl, was du verdientest durch das, was du mir tatest." Da sprach Hrafn diese Weise:



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Findest schick du's, Feindschaft
Für uns hier zu küren?
Ulls Freund, ach, wie elend
Ist um ein Weib Zwist doch!
Frey des Schwerts, manch Frauchen
Freudiges Glück noch beut dir.
Über See im Süden
Sieh, viel sind wie die hier 1.

Gunnlaug sagte: "Mag sein, daß es dort viel solche gibt, aber ich kann es mir nicht denken." Da liefen Jllugi und Thorstein hinzu. Sie wollten nicht, daß sie aufeinander losgingen. Gunnlaug sagte da diese Weise



***
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Hrafns Herzlieb wardst du,
Holde Maid im Goldschmuck —
Ihn an Kraft und Ahnen
Ähnlich Gunnlaug wähnt man —:
Ich in England machtvoll
Adalrad hielt die Walstatt.
Pfeilsturm —leid ward's Lied mir —
Ließ mich nicht nach Island.

Hierauf ritten beide Teile heim, und im Winter war alles ruhig. Es ereignete sich nichts weiter. Aber Hrafn genoß gar keine Liebe und Freude mehr bei Helga, seit sie mit Gunnlaug zusammengetroffen war. Im Sommer ritten sie alle mit großem Gefolge zum Thing. Jllugi der Schwarze und seine Söhne, Gunnlaug und Hermund, Thorstein Egilsson und dessen Sohn Kollsvein, Önund von Mosfell samt seinen Söhnen, sowie Sverting, der Sohn Hafrbjörns. Skapti war damals Gesetzessprecher.

Eines Tages auf dein Thing, als die Männer mit zahlreichem



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Gefolge zum Gesetzesberg gezogen waren und die Zeit der Gerichtsverhandlungen abgelaufen war, da heischte Gunnlaug Gehör für sich und sprach:"Ist Önunds Sohn Hrafn hier?' Er sprach:"Ich bin es."Da sagte Gunnlaug:"Du weißt wohl, daß du mir das Mädchen nahmst, das mir versprochen war, und dadurch mein Feind wurdest. Deshalb fordere ich dich hier auf dem Thinge binnen dreier Nächte Frist zum Zweikampf auf dem Holm der Artach 'l" Hrafn erwiderte: "Die Herausforderung ist wacker; wie man sie von dir erwarten mußte, und ich bin ganz bereit zum Zweikampf, sobald du magst." Das mißfiel den beiderseitigen verwandten sehr, aber es war damals allgemeiner Brauch, daß man sich zum Holmgang herausforderte. wenn man glaubte, von einem anderen benachteiligt worden zu sein.

Da nun die drei Nächte verstrichen waren, rüsteten sich die Gegner zum Zweikampf. Jllugi der Schwarze geleitete seinen Sohn mit großem Gefolge zum Holm. Aber der Gesetzessprecher Skapti, sein Vater und seine andern verwandten gingen mir Hrafn. Bevor aber Gunnlaug den Holm beschritt, sprach er diese Weise:



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Mein Schwert zaglos zuckend
Zieh'n mich holmwärts sieht man.
Gott, auf Allthings Eiland
Allen Sieg gib dem Skalden:
Bald das Haupt dem Huldfreund
Helgas dort zerschell' ich.
Schnell von Bubens Schultern
Schlägt's mein Wundenfäger!

Hrafn antwortete und sprach diese Weise:



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Weißt du's, Skalde, wes des
Wikingkampfes Sieg wird?



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Schwirr'ude Schwerter Purpur-
Schweiß aus Wunden beißen!
Hör 'n soll's Goldschmucks Herrin:
Hrafns Mut nimmer schlaff ward!
Jung ist Wittib jene
Jetzt, fällt Hrafn, schätz' ich 1.

Hermund hielt den Schild über seinen Bruder Gunnlaug, Sverting, der Sohn Safr-Björns, aber über Hrafn. Es war abgemacht , daß, wer verwundet würde, sich mit drei Mark Silber 2 vom Holmgang loskaufen sollte. Hrafn hatte den ersten Hieb, da er der Herausgeforderte war. Erschlug auf Gunnlaugs Schild hernieder. Sein Schwert zersprang sofort unterhalb des Griffes , denn er hatte mit voller Kraft gehauen. Die Spitze des Schwertes aber prallte zurück vom Schilde, traf Gunnlaug in die Backe und verwundete ihn leicht. Nun liefen beider Väter zwischen sie und viele andere Männer. Gunnlaug sagte: "Ich behaupte, Hrafn ist besiegt, er ist ja waffenlos." Ich aber behaupte, du bist der Besiegte", sprach Hrafn, "du bist doch verwundet." Da wurde Gunnlaug gar wütend und zornig und rief, die Sache sei keineswegs entschieden! Sein Vater Jllugi aber erklärte, für jetzt solle kein weiterer Versuch gemacht werden . Gunnlaug sagte:"Ich möchte wohl, daß ich mich mit Hrafn noch ein zweites Mal mäße, wo du, Vater nicht da wärst, um uns zu trennen."Für diesmal gingen sie auseinander, und die Männer begaben sich in ihre Zelte.

Am folgenden Tage wurde von der gesetzgebenden Versammlung ein Gesetz durchgebracht, daß fortan auf Island jeder Zweikampf verboten sein solle, und zwar geschah dies auf den Rat aller verständigen Männer, die zugegen waren. Wirklich waren damals die weisesten Männer aus dem ganzen Lande dort zusammen. Das war der letzte Holmgang, der auf Island ausgefochten wurde, als die beiden, Gunnlaug und Hrafn, stritten.

Eines Morgens, als die Brüder Hermund und Gunnlaug zur

1 Der "Huldfreund Helgas " ist Hrafn, der "Wundersäger" das Schwert, Purapurschweiß"
Blut""Goldschmucks Herrin"Helga (Str. 17 u 18). 2 Die gewöhnliche
Lösesumme: 1080 Reichsmark.



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Artach gingen, um zu baden, kamen auf der anderen Seite viele Frauen zum Flusse. Unter diesen war auch Helga die Schöne. Da sprach Hermund zu Gunnlaug:"Siehst du Helga, deine Geliebte dort jenseits des Flusses:" Gunnlaug erwiderte: "Gewiß sehe ich sie," und sprach diese Weise


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Helden ward die holde
Helga Streites Ouell nur!
Hrafn so wollt's, mir wühlt das
Weib mein Herz im Leib aufl
Hinschau'n auf die Schöne
Schwanenmaid ist Wahnfinn!
Großen Schmerz ihr Gruß bringt
Gunnlaugs schwarzen Augen.

Dann gingen sie über den Fluß, und Gunnlaug und Helga unterhielten sich eine Zeitlang miteinander. Als sie dann aber über den Fluß zurückgingen, stand Helga stille und schaute Gunnlaug lange Zeit nach.

Nach diesen Ereignissen ritten die Männer vom Thing nach Hause. Gunnlaug aber blieb daheim in Schluchthöh. Eines Morgens, als er erwachte, waren alle Männer schon aufgestanden, nur er lag noch. Er ruhte in dem Schlafraum hinter der Saalbank. Da traten zwölf Männer, alle in voller Waffenrüstung, herein. Hrafn, Önunds Sohn, war mit seinen Leuten gekommen. Gunnlaug sprang sofort auf und ergriff seine Waffen. Da sprach Hrafn zu Gunnlaug: "Dir soll nichts widerfahren, du sollst aber nun wissen, weshalb ich herkam. Du fordertest mich im Sommer auf dem Allthing zum Zweikampf heraus. Die Sache schien dir damals noch nicht entschieden zu sein. Jetzt schlage ich dir vor, wir verlassen im Sommer Island, fahren nach Norwegen und fechten dort unsern Zweikampf aus. Da kommen uns unsere Verwandten nicht in die Quere."Gunnlaug erwiderte: "Das war ein prächtiges Manneswort. Diesen vorschlag nehme ich gern an, und du sollst hier bei uns, Hrafn, jeden Willkomm genießen, den du wünschest."Hrafn erwiderte:"Das ist ein freundliches Angebot, aber fur diesmal müssen wir gleich wieder umkehren."



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Mit diesen Worten schieden sie. Diese Abmachung schien den beiderseitigen Verwandten gar übel zu sein, doch konnten sie bei dem heftigen Wesen beider in der Sache nichts weiter tun. Überdies mußte es ja doch so kommen, wie es das Schicksal bestimmt hatte.


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