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Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


7. Gunnlaug wirbt um Helga

Bald danach geschah es, — wohl das segensreichste Ereignis für Island —daß das ganze Land das Christentum annahm und alles Volk den alten Glauben abschwor. Gunnlaug Schlangenzunge, von dem vorher erzählt wurde, hielt sich nun sechs Jahre lang abwechselnd in Borg bei Thorstein oder daheim in Schluchthöh bei seinem Vater Jllugi auf. Er war jetzt acb ehn Jahre, und das Verhältnis zwischen Vater und Sohn hatte sich recht gut gestaltet. Ein Mann hieß Thorkel Svarti (der Schwarze). Er war Jllugis Hausgenosse, sein naher verwandter und bei ihm aufgewachsen. Für ihn wurde zu Grat (As) in vatnsdal (im Seetal) eine Erbschaft frei, und er forderte Gunnlaug auf, ihn dorthin zu begleiten. Er tat es, und unter Gunnlaugs Beihilfe erhielt Thorkel sein Geld von denen, die es verwaltet hatten, richtig ausgezahlt .

Als sie nun wieder nach Süden ritten, nahmen sie zu Griszunge (Gristungar) Herberge bei einem reichen Bauern, der dort wohnte. Am Morgen ritt der Schafhirt auf Gunnlaugs Pferd. Es war ganz mit Schweiß bedeckt, als sie es zurückbekamen. Da schlug Gunnlaug den Hirten, daß er bewußtlos hinsank. Der Bauer wollte das nicht ruhig hinnehmen und forderte Bußgeld. Gunnlaug bot ihm eine Mark. Dem Bauern dünkte das zu wenig. Da sprach Gunnlaug diese Weise:



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***
1
Merke, eine Mark von
Mir biet' ich dir hier an!
Schwacher Bande, bündig
Bei dem Handel sei jetzt!
Nimm, was recht! Einst reichlich
Reut's dich, Hortverschleudrer 1,
Hieltest du Bußgelds hell Gold
Heut fern deinem Beutel!

Die Buße kam nun nach Gunnlaugs vorschlag zustande, und darauf ritten sie heim.

Bald danach bat Gunnlaug seinen Vater wiederum um eine Ausrüstung zur Seefahrt. Jetzt sagte Jllugi: "Es geschehe, was du wünschest. Du hast dich gegen früher sehr zu deinem Vorteil verändert!' Da ritt Jllugi bald von Hause weg und kaufte von Audun Kettenhund (Festargarm) den halben Anteil an einem Schiffe, das in Dampfachmünde auf dem Lande lag. Dieser Audun wollte nach der Erschlagung Kjartan Olafssons die Söhne Osvifrs des Klugen nicht ins Ausland schaffen, wie dies in der Geschichte der Leute aus dem Lachsachtal erzählt wird, doch geschah dies später als diese Begebenheiten. Als Jllugi heimkam, dankte ihm Gunnlaug sehr. Thorkel der Schwarze schloß sich Gunnlaugs Fahrt an, und ihre Waren wurden aufs Schiff gebracht. Aber Gunnlaug war in Borg, während man das Schiff ausrüstete. Ihn dünkte es kurzweiliger mit Helga zu plaudern, als an der Arbeit der Kaufleute teilzunehmen.

Eines Tages frug Thorstein Gunnlaug, ob er mit ihm zum Gestüt in Langseetal (Langvatnsdal) reiten wollte. Gunnlaug sagte zu. Nun ritten sie beide nach Thorsteins Senneplatz Thorgilsstadir (Thorgilsstedt). Dort waren vier Rosse von roter Farbe zusammen, die Thorstein gehörten. Unter ihnen war ein sehr schöner, aber noch wenig erprobter Hengst. Thorstein bot Gunnlaug diesen an. Dieser meinte aber, er habe keine Rosse nötig, da er außer Landes fahren wolle. Sie 1 Hortverschleuderer" bedeutet mann: der skaldische Ausdruck wird hier auch von dem filzigen Bauern gebraucht.



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ritten jetzt zu einem anderen Gestüt. Da war ein grauer Hengst mit vier Stuten. Der war der beste im Borghard, und Thorstein bot ihn dem Gunnlaug als Geschenk. Der erwiderte: "Diesen will ich ebensowenig als den andern. Aber warum bietest du mir nie das an, was ich gern haben möchte: "Was wäre das:" frug Thorstein. Gunnlaug sagte: Helga die Schöne, deine Tochter." "Das läßt sich nicht so schnell abtun," versetzte Thorstein und fing ein anderes Gespräch an.

So ritten sie an der Langach (Langa) entlang nach Hause. Da sprach Gunnlaug: "Ich will wissen, welchen Bescheid ich auf meine Werbung erhalte!" Thorstein sprach: "Dein eitles Gerede kümmert mich nicht." Gunnlaug erwiderte: "Das ist mein voller Ernst und kein eitles Geschwätz:" Thorstein entgegnete: Zuerst müßtest du doch wohl wissen, was du eigentlich willst! Bist du nicht gerüstet zur Auslandsfahrt: Und nun tust du so, als ob du heiraten willst! Das gibt keine angemessene Heirat zwischen dir und Helga, solange du so unentschlossen bist. Deshalb kann daraus nichts werden! Gunnlaug er- widerte: "Wem denkst du deine Tochter denn zu geben, wenn du sie nicht dem Sohne Jllugis vermählen willst: Wo gibt es Männer im Borgfjord, die größeres Ansehen hätten als er:" Thorstein versetzte:"Ich will hier keine vergleiche von Männern anstellen. Wärest du aber ein solcher Mann wie dein Vater dann würdest du nicht abgewiesen!" Gunnlaug sagte: "Wem wolltest du deine Tochter lieber vermählen als mir:" Thorstein sprach:"Hier gibt es eine reiche Auswahl guter Männer. Thorsinn auf Rotsand hat sieben Söhne, und alles sind echte Männer." Gunnlaug erwiderte: "Keiner von beiden, weder Önund noch Thorsinn kann sich mit meinem Vater vergleichen ja du selbst stehst offenbar hinter ihm zurück. Oder was kannst du dem gegenüber geltend machen, wie er auf dem Thorsnesthing gegen den Goden Thorgrim Kjallaksson und dessen Söhne stritt und allein sein Recht durch setzte Thorstein erwiderte: "Ich brachte Steinar, Önund Sjonis Sohn, außer Landes. Das scheint mir denn doch eine mindestens ebenso große Tat:" Gunnlaug sprach: " Dabei hattest du die Hilfe



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deines Vaters Egil 1. Überdies dürfte es wenigen Bauern gut bekommen, wenn sie mir die verschwägerung mit sich durch Heirat weigerten:" Thorstein versetzte: "Spare deine Drohungen für die dort auf den Bergen, hier unten im Moorland wirst du damit kein Glück haben." Am Abend kamen sie heim. Den Morgen darauf ritt Gunnlaug nach Schluchthöh hinauf und bat seinen Vater ibn nach Borg zu begleiten, um dort ihn zu Seien. Jllugi entgegnete: "Du bist ein ganz unentschlossener Mensch. Du bist zur Auslandsfahrt gerüstet, und nun tust du so, als müßtest du durchaus auf die Freite gehen. Ich weiß doch, daß das gar; nicht nach Thorsteins Sinn ist." Gunnlaug sprach: "Gleichwohl denke ich ins Ausland zu reisen, ich ruhe nicht eher, bis du mich begleitest."

Da ritt Jllugi selbzwölft nach Borg hinunter, und Thorstein empfing ihn wohl. Den Morgen darauf sagte Jllugi zu Thorstein: "Ich will mit dir reden." Thorstein erwiderte: "Gebn wir hinauf auf den Hügel am Haus und sprechen wir dort." Sie taten es. Gunnlaug ging mit ihnen. Da sagte Jllugi: "Mein Sohn Gunnlaug sagte mir, er habe bei dir für sich um die Hand deiner Tochter Helga angehalten. Ich möchte nun wissen, wie die Sache enden soll. Du kennst sein Geschlecht und unsere Habe: von mir aus soll es ihm weder an Grundbesitz noch an einem Godentum mangeln, wenn das der Sache weiterhilft." Thorstein sprach: "Eins habe ich an Gunnlaug zu tadeln: er kommt mir so unentschlossen vor. Wäre er dir gleich an Sinnesart , dann würde ich in der Sache kein Bedenken haben." Jllugi entgegnete: "Unsere Freundschaft würde freilich in die Brüche gehen, wenn du uns beiden diese woblpassende Heirat abschlüget' Thorstein sagte: "Deiner Fürsprache und unsrer Freundschaft halber soll Helga Gunnlaugs versprochene, aber nicht förmlich verlobte Braut sein und drei Jahre warten. Aber Gunnlaug soll ins Ausland gehen und sich nach der Art 1 Solche Männervergletche" — die auch in der Eddadichtung wiederkehren waren im alten Island sehr beliebt. Den Streit Jllugis (wegen der mit- gift seiner Frau) erzählt die Geschichte vom Goden Snorri (Thule 7), den Thorsteins (wegen Erschlagung zweier Knechte) du Geschichte vom Skalden Egil (Thule 3). In jenem spielte Snorri, in diesem Egil esne entscheidende Rolle.



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guter Männer bilden. Ich aber will von allen Verbindlichkeiten frei sein, wenn er nicht rechtzeitig zurückkommt oder wenn mir seine Denkart dann nicht mehr gefällt."

Nach dieser Absprache schieden sie Jllugi ritt nach Hause, Gunnlaug aber zum Schiff. Und da günstiger Fahrwind wehte, segelte er mit seinen Leuten aufs Meer. Sie kamen nach Norwegen und fuhren an der Drontheimer Küste entlang bis nach Nidaros. Sie warfen dort Anker und löschten die Ladung.


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