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Vier Skaldengeschichten


Übertragen von Felix Niedner

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1914


5. Gunnlaugs Jugend und Aufenthalt in Borg

Zu dieser Zeit wohnte oben im Gebiet der Weißach (Hvita) zu Schluchthöh (Gilsbakki) Jllugi der Schwarze. Er war Hallkel Hroßkelssons Sohn. Seine Mutter war Thurid Dylla, die Tochter von Gunnlaug Schlangenzunge (Ormstunga Jllugi war der zweitvornehmste Mann im Borgfjord nächst Thorstein Egilsson. Jllugi der Schwarze war ein sehr vermögender Mann, harten Sinnes, doch gut gegen seine Freunde. Seine Frau hieß Ingibjörg. Sie war die Tochter Asbjörn Hardarsons aus Örnolfsdal. Ingibjörgs Mutter war Thorgerd, die Tochter Skeggis aus dem Mittenfjord (Midfförd). Jllugi und Ingibjörg hatten zahlreiche Kinder, doch kommen nur wenige in dieser Geschichte vor. Her



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mund hieß einer ihrer Söhne, ein zweiter Gunnlaug. Beide waren vielversprechend und damals bereits erwachsen. Gunnlaug war, wie es heißt, früh entwickelt, groß und kräftig. Er hatte lichtbraunes Haar, und es wuchs stark. Er war schwarzäugig und hatte trotz seiner häßlichen Nase einnehmende Gesichtszüge. Schlank und doch breitschultrig war er, von trefflichstem Aussehen. Sein ganzes Wesen aber war hochfahrend, frühzeitig zeigte er Ehrgeiz und stets unbeugsame Sinnesart. Überdies war er ein großer Dichter, machte gern Spottweisen und ward daher Ormstunga, d. h. "Schlangenzunge" 1 genannt. Hermund war beliebter als er und hatte mehr die Art eines Häuptlings.

Als Gunnlaug nun zwölf Jahr alt war, bat erden Vater um Mittel zu einer Fahrt. Er sagte, er walle ins Ausland reisen, um die Sitten fremder Menschen kennen zu lernen. Jllugi war wenig geneigt dazu, er meinte, Gunnlaug würde sich im Ausland nicht gut machen. Könne er ihn doch kaum daheim gehörig in Ordnung halten. Kurz darauf ging Jllugi eines Morgens früh aus und sah, daß sein Wirtschaftshaus offen stand. Etwa sechs Warensäcke lagen draußen auf dem Platze vor der Tür und ebenso einige Pferdedecken. Das wunderte ihn gar sehr. Da kam ein Mann hinzu, der vier Rosse führte. Das war sein Sohn Gunnlaug. Der sagte: "Ich habe die Säcke herausgeschafft."Jllugi frug, weshalb er dies getan habe. Er erwiderte: "Das sollte meine Reiseausrüstung sein." Jllugi sagte: "Du wirst von mir keine Unterstützung erhalten und nicht eher wohin fahren, als es will," und schleuderte die Warensäcke ins Haus zurück.

Da ritt Gunnlaug fort und kam gegen abend nach Borg. Thorstein bot ihm an, die Nacht zu bleiben, und er nahm dies an. Gunnlaug erzählte nun dem Thorstein den vorfall zwischen ihm und seinem Vater Da forderte Thorstein Gunnlaug auf; bei ihm zu weilen, so lange es ihm behage. So blieb Gunnlaug dort ein Jahr, lernte Gesetzeskunde bei Thorstein und



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war bei allen Leuten wohlgelitten. Oft vergnügten sich Helga und Gunnlaug miteinander beim Bretspiel. Bald faßten beide eine feste Zuneigung zu einander, wie es sich später herausstellte. Sie waren etwa gleichaltrig. Helga war so schön, daß kluge Männer berichtet haben, kein schöneres Weib habe es je auf Island gegeben. So reich war ihr Haar, daß sie sich ganz dann einhüllen konnte, und es glänzte wie Goldfaden. Keine Heirat schien verlockender als die mit der schönen Helga, in ganz Borghard und noch weiter in der Umgegend.

Eines Tages, da die Männer zu Borg in der Stube waren, sagte Gunnlaug zu Thorstein: " Eines aus der Gesetzeskunde hast du mich noch nicht gelehrt: wie ich mich mit einem Mädchen verlobe." Thorstein sagte: " Das ist eine Kleinigkeit " und machte ibn mit dem Hergang bekannt. Da sagte Gunnlaug: "Nun sieh einmal zu, ob ich es richtig begriffen habe. Ich werde dir jetzt die Hand reichen und so tun, als verlobte ich mich mit deiner Tochter Helga." "Das halte ich für überflüssig," erwiderte Thorstein. Da faßte Gunnlaug sofort seine Hand und bat: "Gewähre mir's trotzdem." "Tu, wie du magst,* erwiderte Thorstein" ,aber die hier dabeistehen, sollen wissen, daß dies als ungesprochen gelten soll, und Hintergedanken dürfen dabei nicht unterlaufen." Darauf nahm sich Gunnlaug Zeugen und verlobte sich mit Helga. Er dann, ob das so richtig sei. Thorstein bejahte dies. Den Männern aber, die daneben standen, machte die Sache viel Vergnügen.


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