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Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


76. Thorkel ertrinkt

Um Gründonnerstag früh am Morgen rüstete sich Thorkel zur Fahrt. Thorstein suchte ihn auf jede Weise zurück ;u halten, — denn das Wetter scheint mir unsicher," sagte er.



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Thorkel sagte, das Weiter würde sehr gut werden — und du sollst mich nun nicht zurückhalten, Vetter, denn ich will nach Hause vor Ostern. Nun brachte Thorkel das Reiseboot zu Wasser und belud es. Thorstein trug immer wieder ans Land. was Thorkel und seine Gefährten einluden. Da sprach Thorkel: "Hör nun auf, Vetter und hindere nicht unsere Fahrt, du bekommst deinen Willen nicht dieses Mal. Thorstein erwiderte: So wird nun von uns beiden der seinen Willen haben. der das Unheil auf sich zieht, und diese Fahrt wird verhängnisvoll werden." Thorkel sagte, er hoffe, sie würden sich gesund wiedersehen.

Thorstein ging nun beim und war sehr niedergeschlagen. Er ging in die Stube und hat. ihm etwas unter den Kopf zu legen, und so geschah es; die Magd sah, daß die Tränen aus seinen Augen hinab aufs Kissen flossen. Und etwas später fuhr ein starker Windstoß gegen das Haus; da sprach Thorstein: Jetzt können wir hören, wie der Mörder meines Vetters Thorkel einherbraust.

Nun ist von der Reife Thorkels und seiner Gefährten zu erzählen Sie segelten an dem Tage hinaus, den Hvammsfjord entlang, und waren zehn auf dem Schiffe; das Wetter begann sehr scharf zu werden und steigerte sich schließlich zu einem heftigen Sturme. Sie hielten wacker ihr Schiff in Fahrt es waren Männer von größter Unerschrockenheit. Thorkel hatte das Schwert Sköfnung mit sich, es lag in einem Kasten Thorkel segelte, bis er in die Nähe von Bjarnarey kam, von beiden Ufern des Fjords konnte man ihre Fahrt beobachten. Und als sie soweit gekommen waren, fuhr eine Bö ins Segel und brachte das Schiff zum Kentern. Thorkel ertrank da und alle Männer, die mit ihm waren. Die Bauhölzer wurden weit unter den Inseln herumgetrieben, die Eckpfeiler trieben auf die Insel, die seitdem Stafey (Pfeilerinsel) heißt. Sköfnung wurde gehalten durch die Innenhölzer des Reiseboots; er fand sich auf Sköfnungsey wieder.

Aber am Abend desselben Tages, an dem Thorkel mit seinen Gefährten ertrunken war, geschah es in Helgafell, daß Gudrun zur Kirche ging, als die Leute schon zu Beit waren; und als



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sie zur Kirchhofstür kam, sah sie einen Wediergänger vor sich stehen. Er beugte sich über sie und sprach: Große Neuigkeiten, Gudrun," sagte er. Gudrun antwortete: "So schweige du davon. Elender. Gudrun ging auf die Kirche zu, wie sie sich vorgenommen hatte, und als sie zur Kirche gekommen war, glaubte sie zu sehen, daß Thorkel und seine Leute heimgekommen waren und daß sie draußen vor der Kirche standen. Sie sah, wie das Meerwasser aus ihren Kleidern tropfte. Gudrun redete sie nicht an, sondern ging hinein in die Kirche und verweilte dort so lange, wie es ihr gut schien; dann ging sie in die Stube, weil sie dachte, Thorkel würde mit seinen Leuten sich dorthin begeben haben, und als sie in die Stube kam, war dort niemand. Da fiel Gudrun schwer aufs Herz alles, was ihr begegnet war.

Am Karfreitag sandte Gudrun ihre Leute aus, die sich nach Thorkel und seinen Begleitern erkundigen sollten, einige die Rüste entlang, einige nach den Inseln; da war das Schiffsgut schon weit umher angetrieben. an den Inseln und den beiden Fjordufern. Am Sonnabend vor Ostern erfuhr man. was geschehen war. und die Kunde machte tiefen Eindruck, denn Thorkel war ein großer Häuptling gewesen. Thorkel war achtundvierzig Winter alt, als er ertrank; das geschah vier Winter bevor König Olaf der Heilige siel. 1

Gudrun empfand den Tod Thorkels schwer, aber trug doch den verlust mit Seelenstärke. Nur wenig von dem Kirchenholz wurde geborgen. Gellir war damals vierzehn Jahr; er übernahm die Wirtschaft gemeinsam mit seiner Mutter und die Häuptlingswürde. Es war bald an ihm zu erkennen, daß er wahl geeignet war für eine führende Stellung. Gudrun wurde sehr fromm. Sie war die erste Frau in Island, die den Psalter lernte. Lange lag sie in der Kirche zur Nachtzeit im Gebet. Herdis. Bollis Tochter, begleitete sie immer in der Nacht. Gudrun liebte Herdis sehr.

In einer Nacht, wird erzählt, träumte der jungen Herdis, daß eine Frau zu ihr käme, die war in wollenem Mantel, und um den Kopf hatte sie ein Tuch geschlungen; sie schien ihr nicht



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angenehm von Aussehen. Die Frau begann zu sprechen: "Sag du das deiner Großmutter, das ich schlecht mit ihr zufrieden bin, denn sie wälzt sich alle Nächte über mir und läßt so heiße Tropfen auf mich fallen, daß ich ganz und gar davon brenne. Und das sage ich zu dir deshalb, weil du mir etwas besser gefällst ; indessen schwebt auch über dir etwas Sonderbares, und doch würde ich mit dir schon auskommen, wenn ich nur Ruhe fände vor Gudrun." Darauf erwachte Herdis und erzählte Gudrun ihren Traum. Gudrun meinte, daß die Erscheinung gutes bedeute.

Am Morgen darauf ließ Gudrun die Bretter des Fußbodens in der Kirche aufheben. dort, wo sie gewohnt war, zum Gebet niederzuknien. Sie ließ dort in die Erde graben. Da fand man in der Tiefe Gebeine, die waren schwarz und unheimlich; man fand da auch ein Brustgehänge und einen großen Zauberstab. Daraus schloß man, daß dort das Grab einer Zauberin gewesen war. Die Gebeine wurden weit fortgeschafft an eine von Menschen möglichst wenig begangene Stelle.


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