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Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


70. Thorleik, Bollis Sohn, reist nach Norwegen. Bolli, Bollis Sohn, verheiratet sich mit Thordis, der Tochter Snorris

Thorkel, Eyjol~o Sohn, wurde ein großer Häuptling. Er ging sehr darauf aus, sich Freundschaften und Ansehen zu erwerben. Er übte im Bezirk einen mächtigen Einfluß aus und war eifrig und geschickt in Prozessen; aber von seinen Thmghändeln wird hier nichts erwähnt. Thorkel war der mächtigste Mann im Breidifjord, solange er lebte, wenn man von Snorri absieht.

Thorkel hielt seinen Hof gut im Stande, er ließ alle Gebäude in Helgafell groß und fest aufführen. Er legte auch den Grund zu einer Kirche und gab bekannt, daß er beabsichtige, sich Kirchenbauholz zu verschaffen. Thorkel und Gudrun baum einen Sohn, der wurde Gellir genannt, er war bald ein vielversprechendes Kind.

Bolli, Bollis Sohn, war abwechselnd in Tunga oder Helgafell; Snorri hatte ihn sehr gern. Thorleik, sein Bruder, war in Helgafell. Die Brüder waren große und sehr tüchtige Männer, aber Bolli durchaus der überlegnere. Thorkel stand sich gut mit seinen Stiefsöhnen. Gudrun liebte Bolli am meisten von ihren Kindern. Bolli war nun sechzehn Winter und Thorleik zwanzig.

Da redete Thorleik mit Thorkel, seinem Stiefvater, und seiner mutter, daß er eine Reise ins Ausland machen wolle, — " es ist mir zuwider geworden, daheim zu sitzen wie die Weiber; ich möchte, daß man mir Mittel für eine Reise gäbe." Thorkel erwiderte: "Ich bin, glaube ich, euch Brüdern gegenüber



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niemals ungefällig gewesen, seitdem wir verwandtschaftlich uns verbunden haben; ich verdenke es dir durchaus nicht, dag es dich drängt, die Sitten anderer Länder kennen zu lernen, denn ich glaube, daß du als ein tüchtiger Mann gelten wirst, wohin du auch unter wackere Leute kommen magst." Thorleik sagte, er wolle nicht viel Gut mit haben, — "denn es ist unsicher, ob ich es wohl in acht nehmen werde, ich bin jung und in vielen Dingen unerfahren. Thorkel bat ihn, das nach seinem Wünschen zu halten.

Darauf kaufte Thorkel Thorleik einen Anteil an einem Schiffe, das in Dagverdarnes auflag; Thorkel begleitete ibn zum Schiff und sorgte in jeder Weise gut für ihn zur Ausreise, Thorleik segelte im Sommer ab. Das Schiff kam nach Norwegen, der Landesherr war damals König Olaf der Heilige; Thorleik begab sich sofort an den Hof König Olafs. Er nahm ihn gut auf und zeigte sich wohl unterrichtet über seine Familie und lud ihn zu sich ein. Thorleik nahm das an; er blieb beim Könige den Winter über und wurde sein Gefolgsmann, der König schäfte ihn hoch. Thorleik erwies sich als besonders tüchtiger Mann und blieb bei König Olaf, so daß Jahre darüber vergingen.

Nun ist von Bolli, Bollis Sohn, zu erzählen. In dem Frühling, als er achtzehn Winter alt geworden war, redete er mit Thorkel, seinem Stiefvater, und seiner Mutter, er wolle, daß sie ihm sein vatererbe herauszahlten. Gudrun fragte, was er vorhabe, daß er Geldforderungen gegen sie erhebe. Bolli antwortete: "Es ist mein Wille, daß man um eine Frau für mich werbe. Ich möchte, Stiefvater Thorkel," sagte Bolli, "daß du mein Brautwerber sein wolltest, damit es gelinge." Thorkel fragte, um welche Frau er anhalten wolle. Bolli antwortete: "Ein Mädchen heißt Thordis, sie ist die Tochter des Goden Snorri sie ist die Frau, die ich unter allen andern besitzen möchte. Und nicht werde ich mich so bald verheiraten, wenn aus dieser verbindung nichts wird. So liegt mir also viel daran, daß die Sache zum Ziele kommt." Thorkel erwiderte: Ich siebe zu deiner verfügung, Stiefsohn, diese Werbung in die Hand zu nehmen, wenn du meinst, daß dir damit ein Dienst geleistet



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wird. Ich glaube, daß Snorri gern auf deinen Wunsch eingeben wird; denn er wird doch wohl einsehen, daß der Antrag eines Mannes, wie du bist, ehrenvoll für ihn ist." Gudrun sprach: Um es kurz zu sagen, Thorkel, ich will es an nichts fehlen lassen, daß Bolli die Heirat erlangt, die ihm gefällt; der Grund dafür ist, sowohl, daß ich ibn am liebsten habe, als auch, weil er von meinen Kindern darin der zuverlässigste gewesen ist, nach meinem Willen handeln." Thorkel sagte, er gedenke sich mit Bolli zu dessen Zufriedenheit auseinander zu setzen, — das ist aus vielen Gründen gebührlich, denn ich glaube, es ist ein reicher Besitz, Bont zum verwandten zu haben."

Einige Zeit später ritten Thorkel und Bolli ab, es waren viele Männer beisammen; sie ritten, bis sie nach Tunga kamen. Snorri empfing sie gut und mit großer Herzlichkeit und erwies sich ihnen als der freundlichste Wirt. Thordis. Snorris Tochter, war zu Hause, sie war ein schönes und anziehendes Mädchen; und als sie einige Nächte in Tunga gewesen waren, trug Thorkel die Werbung vor un d begehrte für Bolli Verschwiegerung mit Snorri und die Ehe mit Thordis, seiner Tochter.

Da antwortete Snorri: "Das ist ein ehrenvoller Antrag, wie ich es von dir nicht anders erwarte; ich kann darauf nur eine günstige Antwort geben, denn Balli halte ich für einen Mann von den schönsten Hoffnungen, und die Frau scheint mir gut verheiratet, die ihn bekommt; aber den Ausschlag muß vor allem geben, wie sich Thordis dazu stellt, denn sie soll nur den mann haben, der ganz nach ihrem Sinne ist." Dieser Antrag kam nun vor Thordis, und sie antwortete in der Weise, daß sie hierin dem Rate ihres vaters folgen wolle, sie sagte, sie wolle sich lieber mit Bolli verheiraten in ihrer Gegend, als mit einem unbekannten Manne weiter fort. Und als Snorri sah, daß ihr dies nicht gegen ihren Sinn ging, Bolli als Gattin zu folgen, da wurde die Heirat beschlossen, und die verlobung fand statt. Snorri sollte die Hochzeit bei sich ausrichten, und swar sollte sie im Mittsommer stattfinden. Darauf ritten Thorkel und Bolli beim nach Helgafell, und Bolli blieb daheim, bis der Hochzeitstag heran kam. Sie brachen nun von Hause auf, Thorkel und Bolli und die Leute mit ihnen, die dazu ausersehen



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waren; das war eine große Menge und ein sehr prächtiges Gefolge. Sie ritten nun ihres Weges und kamen nach Tunga; dort war die Aufnahme sehr gut. Da war eine große Menge beisammen, und die Festbewirtung ganz vortreflich, und als das Fest zu Ende ging, brachen die Leute auf. Snorri gab Thorkel wertvolle Geschenke und Gudrun ebenfalls, in gleicher Weise auch seinen übrigen Freunden und Verwandten; jeder ritt nun heim nach seiner Wohnung von den Männern, die zum Feste gekommen waren. Bolli blieb in Tunga, und zwischen ibm und Thordis entstand bald herzliche Liebe. Snorri gab sich auch große Mühe, es Bolli behaglich zu machen, und bewies ihm viel mehr Neigung als seinen eignen Kindern. Bolli nahm das dankbar an und lebte das Jahr über in Tunga, von allen hochgeachtet.

Im Sommer darauf kam ein Schiff von der See in die Hvita. Das Schiff gehörte zur Hälfte Thorleik, Bollis Sohne, die andere Hälfte hatten Norweger. Und als Bolli erfuhr, daß sein Bruder nach Island gekommen war, ritt er sogleich nach dem Borgarfjord ins Südland, und zum Schiffe; jeder der beiden Brüder war da froh über den andern. Bolli blieb dort; so daß einige Nächte vergingen, dann ritten beide Brüder ins Westland nach Helgafell. Thorkel nahm sie auf mit aller Freundlichkeit und Gudrun ebenso, und sie luden Thorleik ein, den Winter über bei ihnen zu bleiben, und das nahm er an. Thorleik verweilte in Helgafell eine Zeitlang und ritt dann zur Hvita und ließ das Schiff an Land bringen und seine Waren nach dem Westlande schaffen. Thorleik war es gut gelungen, sich Geld und Ansehen zu verschaffen, denn er war ein geschworener Mann des hervorragendsten Fürsten, des Königs Olaf, gewesen. Er blieb nun in Helgafell im Winter. aber Bolli in Tunga.


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