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Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


60. Gudrun reizt ihre Söhne zur Rache auf

Einige Tage später, nachdem Gudrun nach Hause gekommen war, rief sie ihre Söhne zu sich zur Unterredung in ihrem Gemüsegarten. Und ab sie hinkamen, sahen sie, daß auf dem Boden Leinenkleider ausgebreitet lagen, ein Rock und Leinenhosen; die waren ganz blutig. 1

Da sprach Gudrun: "Diese Kleider, die ihr hier seht, sollen euch zur Vaterrache aufreizen. Nun will ich darüber nicht viele Worte machen, denn es ist nicht zu erwarten, daß ihr durch anfeuernde Worte bewegt werdet, wenn ihr nichts fühlt vor solchen Erinnerungen und Wahrzeichen. "Die Brüder waren stark ergriffen von dem, was Gudrun gesprochen hatte, aber antworteten doch so: sie seien zu jung gewesen, die Rache zu versuchen, und dabei ohne Führung; sie sagten, sie seien nicht dazu imstande; für sich oder für andere etwas zu beschließen, — "aber daran erinnern werden wir uns beide. was wir verloren haben." Gudrun erwiderte, sie glaube, sie würden wohl mehr an Pferdekämpfe und Spiele denken. Darauf gingen sie fort.

In der Nacht darauf konnten die Brüder nicht schlafen. Thorgils bemerkte das und Sagte sie. was ihnen sei. Sie erzählten ihm das ganze Gespräch mit der Mutter und sagten, daß sie ihren Kummer und die vorwürfe der Mutter nicht länger ertragen könnten: Wir wollen die Rache versuchen," sagte Bolli, und wir beiden Brüder sind nun erwachsen genug, daß die Leute es uns verdenken werden. wenn wir die Hand nicht rühren."

Am Tage darauf kam es zur Unterredung zwischen Thorgils und Gudrun, und Gudrun begann so das Gespräch: Es scheint mir, Thorgils, als hätten meine Söhne keine Lust mehr, so still zu sitzen, ohne auf Rache für ihren Vater zu denken. Und das hat hauptsächlich den Aufschub der Sache herbeigeführt, daß mir Thorleik und Bolli zu jung schienen, sich in Unternehmungen auf Leben und Tod einzulassen; im übrigen hatten



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wir allen Grund, schon früher daran zu denken." Thorgils antwortete: Es ist zwecklos, mit mir hierüber zu sprechen, da du es abgelehnt hast, mir in mein Haus zu folgen. Aber meine Gesinnung ist noch ganz dieselbe wie früher, als wir dies mit einander verhandelt haben; wenn ich deine Zustimmung zur Heirat bekomme, da wird es mir keine Kopfschmerzen mache, einen von ihnen wegzustechen, oder auch zwei miteinander, 1 die am nächsten beteiligt waren an Bollis Tode." Gudrun sprach: "So scheint es mir, ab wenn Thorleik keinen andern als dich den geeigneten Führer ansehen wird, wenn es ein Unternehmen gilt, bei dem Kühnheit erforderlich ist; und dir will ich es nicht verbergen, daß die Knaben vorhaben, gegen Helgi, den Sohn Hardbeins zu ziehen, gegen den Berserker, der im Skorratal 2 fitzi und meint, daß er sich vor nichts zu fürchten brauche. Thorgils sprach: Ich kümmere mich nicht darum, ob er Helgi heißt oder anders. denn nimmer wird es über meine Kräfte gehen, mit dem Helgi oder irgend einem andern anzubinden . Diese Sache ist von meiner Seite völlig abgemacht, wenn du mir vor Zeugen versprichst, mich zu heiraten, falls ich die Rache ausführe mit deinen Söhnen." Gudrun erwiderte, sie wolle alles das leisten, was sie ihm zusagen würde, wenn es auch nur durch das Zeugnis weniger Männer bestätigt würde, und sie sagte, das solle nun abgemacht werden. Gudrun bai, Halldor, seinen Pflegebruder, und außerdem ihre Söhne herbeizurufen. Thorgils wünschte, daß auch Örnolf dabei sein sollte. Gudrun sagte, das sei nicht nötig, — ich setze etwas mehr Zweifel in die Treue Örnolfs gegen dich, als du mir zu haben scheinst." Thorgils sagte, sie möge nach ihrem Willen verfahren.

Nun kamen die Brüder zu Gudrun und Thorgils; da war auch Halldor zur Stelle. Gudrun gab nun folgende Erklärung ab: "Thorgils hat versprochen, Führer zu sein bei dem Unternehmen , Helgi, Hardbeins Sohn, in seinem Hause zu überfallen mit meinen Söhnen, um Rache zu nehmen Bolli. Thorgils hat als Bedingung fur die Fahrt gestellt, daß er



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meine Einwilligung zur Heirat bekommt. Nun stelle ich mit klaren Worten unter euer Zeugnis, daß ich Thorgils verspreche, mich mit keinem anderen Manne, der mit mir hier im Lande ist, zu vermählen als mit ibm; aber nicht habe ich die Absicht, mich ins Ausland zu vermählen." Thorgils meinte, daß hiermit alles in bester Ordnung sei, und durchschaute diese Sache nicht. Damit schlossen sie ihre Besprechung. Es war nun also fest abgemacht, daß Thorgils die Fahrt unternehmen sollte. Er brach dann auf von Helgafell und mit ihm die Söhne der Gudrun; sie ritten landeinwärts in den Tälerbezirk und zunächst heim nach Tunga.


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