Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


55. Bolli wird überfallen und getötet

Darauf ritten sie ab aus Hjardarholt, neun zusammen; Thorgerd war die zehnte. Sie ritten auf dem Niedrigwasserstrand fjordeinwärts und so bis Ljarskogar. Das war zu Anfang der Nacht. Sie rasteten nicht, bis sie ins Sälingstal kamen, da fing der Morgen an zu grauen. Dichter Wald war in dem Tal in jener Zeit. Bolli war auf dem Säter, wie Halldor in Erfahrung gebracht hatte. Die Säter standen am Wasser , da wo der Platz jetzt Bollatoptir 1 heißt. Eine große Halde erstreckt sich von oberhalb des Säters weiter hinunter bis nach Stakkagil. Zwischen der Halde und der Talwand ist eine große Wiese, die Barm heißt; da arbeiteten die Knechte Bollis Halldor und seine Gefährten ritten nach Örnagrof, über Ranavellir und weiter bis oberhalb der Hamarwiese, das ist gegenüber dem Säter. Sie wußten, daß viele Leute auf dem Säter waren; sie stiegen ab und beabsichtigten zu warten, bis die Leute vom Säter zur Arbeit gegangen wären.

Der Hirtenjunge Bollis ging nach dem vieh früh morgens die Talwand hinauf; er sah Männer im Walde und ebenso die gefesselten Pferde; es kam ihm der verdacht, daß dies keine friedlichen Leute sein könnten, die so sich versteckt hielten er eilte auf dem gradesten Wege zum Säter zurück und wollte Bolli anzeigen, daß Männer gekommen seien.

Halldor hatte scharfe Augen. Er sah, daß ein Mensch vom Talabhang herunter gelaufen kam und die Richtung auf den Säter nahm. Er sagte seinen Gefährten, daß das Bollis Hirt sein müßte — "und er wird unsere Schar gesehen haben; wir müssen ihm den Weg verlegen und ihn verhindern, Nachricht in den Säter zu bringen." Sie taten, wie er gesagt hatte. An Reisigmagen zeigte sich als der schnellste von ihnen, er sing den Jungen ab, hob ihn auf und warf ihn zur Erde nieder. Der Fall war so stark, daß dem Jungen das Rückgrat zerbrach. Darauf ritten sie nach dem Säter. Es waren zwei Gebäude, ein Schlafsäter und ein Vorratshaus.



Thule-Bd. 06-173 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

Bolli war früh am Morgen auf den Füßen gewesen und batie die Arbeit verteilt, sich dann aber wieder hingelegt zum Schlafen, als die Knechte sich entfernt hatten. Es waren nur die zwei im Säter, Bolli und Gudrun. Sie wachten von dem Geräusch auf, als die draußen abstiegen; Bolli und Gudrun hörten auch, wie sie darüber redeten, wer zuerst hineingehen solle in den Säter, Bolli anzugreifen. Bolli erkannte die Stimmen Halldors und einiger anderer aus der Schar. Bolli sprach zu Gudrun und bat sie, aus dem Säter fortzugehen und sagte, es würde das eine Begegnung unter ihnen werden, an der sie kein vergnügen finden könnte. Gudrun erwiderte, sie glaube nicht, daß da etwas geschehen würde, das sie nicht ansehen könnte; und sagte noch, Bolli geschehe damit kein Schade. wenn sie bei ihm bliebe. Bolli erwiderte, er wolle hierin seinen Willen haben, und so geschah es, daß Gudrun hinausging aus dem Säter. Sie ging den Abhang hinab zu dem Bach, der da floß, und begann ihr Leinenzeug zu waschen. Bolli war nun allein im Säter; er ergriff seine Wassen, setzte den Helm sich auf den Kopf, nahm den Schild vor sich und das Schwert Fußbeißer in die Hand; er hatte keine Brunne.

Die um Halldor redeten nun mit einander, wie man das Werk beginnen sollte; denn keiner hatte Neigung, in den Säter hineinzugehen Da sprach An Reisigmagen: "Es sind Männer hier in der Schar; die durch ihre verwandtschaft Kjartan näher stehen als ich, aber wohl keiner, dem es fester im Gedächtnis eingeprägt sein kann. wie Kjarian sein Leben verloren hat, als mir. Das war mein Gedanke. als ich nach Tunga gebracht wurde so gut wie tot, und Kjartan erschlagen war; daß ich mit Freuden Bolli ein Leid antun möchte, wenn sich mir die Gelegenheit bieten sollte. Ich werde zuerst in den Säter hineingehen ." Da sagte Thorstein der Schwarze: "Das heißt gesprochen wie ein Mann von Mut, doch wird es rätlicher sein, nicht ohne Überlegung hineinzustürzen, man muß mit vorsicht zu Werke gehen, denn Bolli wird nicht ruhig dabei stehen, wenn maii ihn angreift. Mag er nun auch ohne Helfer sein, wir müssen uns auf heftige Gegenwehr gefaßt machen, denn Bolli ist stark und ein gewandter Krieger. Er hai auch ein Schwert,



Thule-Bd. 06-174 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

das eine zuverlässige Waffe ist." Darauf drang An in den Säter ein, schnell und unaufhaltsam, er hatte seinen Schild über dem Kopfe und dem schmaleren Teil nach vorn gewendet, Bolli hieb nach ihm mit dem Schwerte Fußbeißer, schlug das Schildende ab und spaltete ihm zugleich den Kopf bis auf die Schultern nieder; das brachte ihm sofort den Tod. Darauf ging Lambi hinein, er hielt den Schild vor sich und das gezückte Schwert in der Hand. In dem Augenblick riß Bolli den Fußbeißer aus der Wunde, dabei kehrte sich sein Schild zur Seite. Da stieß Lambi Bolli in den Schenkel, das wurde eine große Wunde. Bolli traf dagegen Lambi an der Achsel, und das Schwert fuhr an der Seite herunter; er war gleich kampfunfähig; und niemals mehr wurde ihm der Arm wieder ganz heil, so lange erlebte.

In diesem Augenblick kam Helgi, Hardbeins Sohn, herein und hatte einen Speer in der Hand, dessen Blatt war eine Elle lang und der Schaft in Eisen gefaßt. Als aber Bolli das sah, warf erdas Schwert weg, ergriff den Schild mit beiden Händen und ging auf die Tür zu, Helgi entgegen. Helgi stieß nach Bolli mit dem Speer, durchbohrte den Schild und ihn selbst. Bolli lehnte sich gegen die Wand des Säters. Nun stürmten die Männer hinein in den Säter, Halldor und seine Brüder. Auch Thorgerd ging hinein in den Säter.

Da sprach Bolle "Nun ist es möglich, Brüder, näher heranzukommen als bisher," er glaube, sagte er, daß seine Gegenwehr nur kurz sein werde. Thorgerd antwortete auf seine Rede und sagte, man würde sich nicht scheuen dürfen, gründliche Arbeit mit Bolli zu machen, zwischen Kopf und Rumpf solle die Schneide durchfahren. Bolli stand da noch aufrecht an der Wand und drückte sich den Rock an, damit nicht die Eingeweide herausdrangen. Da lief Steinthor, Olafs Sohn, gegen Bolli an und hieb nach ihm mit einer großen Art gegen den Hals an den Schultern, so daß gleich das Haupt absprang. Thorgerd dieß seine Hand gesegnet sein, sie sagte, Gudrun würde nun rote Haare zu kämmen haben am Kopfe Bollis Darauf gingen sie hinaus aus dem Säter.

Gudrun kam herauf von dem Bach und sing ein Gespräch an mit Halldor und seinen Gefährten und Sagte, wie es zwischen ihnen



Thule-Bd. 06-175 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

und Bolli ausgegangen sei. .Sie erzählten alles so, wie es sich zugetragen hatte. Gudrun warin einem feinen Tuchrock mit engerm Miederjacke, auf dem Kopf hatte sie einen reichgefalteten Schleier. Sie trug ein Umschlagetuch mit blauer Musterung, unten mit Fransen. Helgi, Hardbeins Sohn. trat auf Gudrun zu und nahm einen Zipfel des Tuches und wischte damit das Blut von dem Speere, demselben, mit dem er sollt durchstoßen hatte. Gudrun sah ihn an und lächelte dazu. Da sprach Halldor: "Das ist boshaft gehandelt und grausam." Helgi bat ihn, sich nicht darüber zu entrüsten: denn ich denke mir, sagte er, daß unter diesem Tuche mein Mörder haust." 1 Dann nahmen sie ihre Pferde und ritten fort. Gudrun brachte sie auf den Weg und redete eine Weile mit ihnen. Darauf kehrte sie um.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt