Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


49. Kjartan wird von Bolli getötet

Nun ritt Kjartan südwärts das Tal entlang, es waren drei zusammen. An der Schwarze und Thorarin und er. Thorkel hieß ein Mann, er wohnte auf Hafratindar im Svinatal. Da ist nun Wüstung. Er war nach seinen Pferden ausgegangen an dem Tage und sein Hirtenjunge mit ihm. Sie sahen beide Parteien, die Laugarmänner im Hinterhalt und Kjartan, wie er mit den beiden andern das Tal entlang ritt. Da sagte der Hirtenjunge, sie wollten Kjartan entgegenlaufen, es träfe sich glücklich für sie, daß sie ein so großes Unglück abwenden könnten, wie sich da eins vorbereite. Thorkel sprach: Gleich schweigst du, sagte er; "willst du Narr jemandem das Leben geben, wenn ihm der Tod bestimmt ist: Auch sage ich's grade heraus, ich gönne es den einen wie den andern, daß sie sich so böse zurichten, wie es ihnen beliebt. Mir scheint das ein besserer Rat, daß wir uns an eine Stelle begeben, wo wir außer Gefahr sind und so genau wie möglich den Zusammenstoß sehen können und unsere Freude an ihrem Spiel haben, denn alle rühmen, daß Kjartan ein besserer Kämpfer sei als alle andern; ich meine auch, er wird das jetzt nötig haben, denn wir beide wissen ja, daß die Übermacht bei den andern groß genug ist. Und es mußte so geschehen, wie es Thorkel haben wollte.

Kjartan und seine Begleiter ritten weiter auf Hafragil zu. Aber auf der andern Seite faßten die Söhne des Osvifr den verdacht, daß sich Bolli den Platz ausgesucht habe. wo er von weitem sehen konnte, wenn Leute das Tal heruntergeritten kamen. Sie berieten sich untereinander und meinten, das Bolli sie vielleicht verraten wollte; sie stiegen den Abhang zu ihm hinauf und begannen mit ihm im Spaß sich zu balgen und su walgen und faßten ihn an den Beinen und zogen ihn den Abhang hinunter.



Thule-Bd. 06-160 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

Kjartan mit seinen Begleitern kam bald heran, denn sie ritten schnell; und als sie die Schlucht überschreiten wollten, sahen sie den Hinterhalt und erkannten die Männer. Kjartan sprang sofort vom Pferde und wandte sich gegen die Söhne des Osvifr. Da lag ein großer Stein black. 1 Hier wollte Kjartan den Kampf annehmen. Und ehe sie zusammenstießen, schleuderte Kjartan seinen Speer; er traf den Schild Thorolfs über dem Handgriff und preßte den Schild gegen seinen Arm. Der Speer drang durch den Schild in den Arm über dem Ellenbogen und zerschnitt den Hauptmuskel. Thorolf ließ den Schild fallen, und der Arm war für die nächste Zeit unbrauchbar. Dann sog Kjartan sein Schwert, er hatte aber nicht die Königsgabe bei sich. Die Söhne der Thorhalla rannten Thorarin an. denn dieser Teil der Arbeit war ihnen zugewiesen. Das war ein harter Kampf, denn Thorarin besaß eine gewaltige Kraft; die beiden waren aber auch tüchtige Fechter; man hätte da kaum eine Entscheidung treffen können, wer die Oberhand behalten würde.

Gegen Kjartan gingen die Söhne des Osvifr und Gudlaug zum Angriff; es waren fünf, und Kjartan und An zwei. An verteidigte sich wacker und wollte immer vor Kjartan treten. Bolli stand zur Seite mit dem Fußbeißer. 2 Kjartan schlug gewaltige Hiebe, aber das Schwert taugte nichts; er mußte fortwährend die Klinge mit dem Fuß grade biegen. Sowohl die Osvifrsöhne wie An wurden verwundet, aber Kjartan hatte da noch keine Wunde. Kjartan schlug sich mit solcher Schnelligkeit und Kühnheit, daß die Osvifrsöhne vor ihm zurückwichen und sich dorthin wandten, wo An stand. Da fiel An, und er hatte zuletzt noch gekämpft, während ibm die Eingeweide aus der Wunde drangen. In diesem Augenblick schlug Kjartan dem Gudlaug ein Bein ab, oberhalb des Knies, und diese Wunde war schwer genug, seinen Tod herbeizuführen. Nun griffen die vier Osvifrsöhne Kartjan an. aber er wehrte sich so kühn, daß er keinen Schritt vor ihnen zurückwich. Da sprach Kjartan:



Thule-Bd. 06-161 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

Vetter Bolli, warum bist du ausgeritten, wenn du hier ruhig dabei stehen willst: Jetzt ist der Augenblick dich da, ihnen oder uns zu Hilfe zu kommen und einmal zu erproben, was Fußbeißer vermag." Bolli tat, als hörte er nicht. Und als Ospak sah, daß sie mit Kjartan nicht fertig werden würden, da versuchte er Bolli mit allen Mitteln aufzureizen, er sagte, Bolli würde doch nicht das Bewußtsein der Schande mit sich herumtragen wollen, daß er ihnen erst Beistand zum Kampfe versprochen und sie dann im Stiche gelassen habe, — und wir hatten schon schwer unter Kjartan zu leiden, als wir noch nicht so großes getan hatten; und wenn Kjartan jetzt davonkommen sollte, so wirst du es, Bolli, ebenso wie wir, bald zu büßen haben.

Da zückte Bolli den Fußbeißer und wandte sich nun gegen Kjartan. Da sprach Kjartan zu Bolli: Nun sehe ich, Vetter daß du eine Neidingstat vorhast, aber viel lieber ist es mir, den Tod von dir zu empfangen, Vetter; als ihn dir zu geben." Darauf warf Kjartan die Waffen von sich und wollte sich nicht mehr wehren, dabei war er nur wenig verwundet, aber furchtbar ermattet vom Kampfe. Bolli gab keine Antwort auf das, was Kjartan sagte, sondern versetzte ihm die Todeswunde. Bolli legte sogleich Kjartan mit den Schultern sich über die Knie, und Kjartan starb in Bollis Schoß. Bolli empfand auf der Stelle Reue über seine Tat; er gab die gesetzliche Erklärung ab, daß er den Totschlag begangen habe

Bolli sandte die Söhne des Osvifr nach den Höfen, er selbst und Thorarin blieben bei den Leichen. Und als die Osvifrsöhne nach Laugar kamen, da erzählten sie, was geschehen war. Gudrun gab ihre Freude kund; es wurde da Thorolfs Arm verbunden. er heilte langsam und wurde niemals völlig wiederhergestellt. Kjartans Leiche wurde nach Tunga gebracht. Dann ritt Bolli beim nach Laugar.

Gudrun ging ihm entgegen und fragte ihn, wie weit der Tag vorgeschritten sei. Bolli sagte, es sei gleich die Zeit der None. Da sprach Gudrun: "Groß ist unser Tagewerk, ich habe für zwölf Ellen Garn gesponnen, und du hast Kjartan erschlagen." Bolli antwortete: Dieses Unglück würde auch ohne das mir



Thule-Bd. 06-162 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

schwer aus der Erinnerung weichen, wenn du mich nicht daran gemahnt hättest." Gudrun sprach: "Ich nenne das kein Unglück; ich fand, daß dein Ansehen höher stand in dem Winter, da Kjartan noch in Norwegen war, als später, da er euch unter seine Füße trat, sobald er nach Island gekommen war, Aber das nenne ich zuletzt, daß mir am besten dünki, daß Hrefna nicht lachend zu Ben gehen wird heute abend. Da sagte Bolli und war sehr zornig: " ist mir unverständlich, warum sie über dies Ereignis bleicher werden soll als du, und ich habe den verdacht, daß du dir weniger daraus machen würdest; wenn ich auf dem Kampfplatz liegen geblieben wäre und Kjartan dir die Kunde davon brächte." Gudrun merkte, daß Bolli zornig wurde und sprach: "Nimm es nicht auf diese Weise, denn ich weiß dir großen Dank für die Tai ich habe das nun erprobt, daß du nicht gegen meinen Sinn handeln willst.

Darauf gingen die Osvifrsöhne in die Erdhöhle, die sie sich hatten heimlich bauen lassen, aber die Söhne der Thorhalla wurden hinüber nach Helgafell geschickt, dem Goden Snorri zu melden, was geschehen sei, und zugleich, daß Bolli und Gudrun ihn bäten, ihnen schnell verstärkung zu senden, zur Hilfe gegen Olaf und die andern, die für Kjartan die Totschlagssache zu verfolgen hatten.

Das geschah in Sätingsdalstunga in der Nacht nach dem Kampfe, daß An sich aufrichtete. während doch alle dachten, er sei tot. Die Leute, die bei den Leichen wachten, erschraken, es schien ihnen ein großes Wunder. Da sprach An zu ihnen: Ich bitte euch im Namen Gottes, daß ihr euch nicht vor mir fürchtet, denn ich habe gelebt und volles Bewußtsein gehabt, bis zu dem Augenblick, da eine schwere Ohnmacht mich befiel. Da träumte mir von derselben Frau wie vorher, und es schien mir, als nähme sie mir nun das Reisig aus dem Leibe und tat dafür die Eingeweide hinein, und bei diesem Wechsel wurde mir wohl." Darauf verband man die Wunden, die An hatte, und er wurde wieder beil und hieß seitdem Un Reisigma gen. Als Olaf, Höskulds Sohn, erfuhr, was geschehen war, empfand er schwer den Tod Kjartans, aber trug es doch männlich



Thule-Bd. 06-163 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

Seine Söhne wollten gleich gegen Bolli ziehen und ihn töten. Olaf sagte: Das soll auf keinen Fall geschehen; der verlust meines Sohnes wird mir dadurch nicht ersetzt, daß ihr Bolli erschlägt . Ich liebte Kjartan über alle andern, aber ebenso schwer würde ich's tragen, wenn Bolli ein Leid zugefügt würde; ich weis ein Unternehmen, das euch besser ansteht; verfolgt die Söhne der Thorhalla; sie sind nach Helgafell geschickt worden, um Mannschaft gegen uns aufzubieten; es freut mich, wenn ihr sie so bestraft, wie es euch gefällt."

Darauf machten die Olafsöhne sich schnell fertig und bestiegen das Reiseboot. das Olafgehörte; sie waren sieben zusammen; sie ruderten seewärts den Hvammsfjord entlang und beschleunigten ihre Fahrt nach Kräften. Sie hatten schwachen, aber günstigen Wind. Sie ruderten unterm Segel, bis sie auf die Höhe von Skoren 1 kamen, da nahmen sie Aufenthalt und erkundigten ob man da habe Leute fahren sehen. Und bald darauf sahen sie ein Ruderboot vom Lande her über den Fjord kommen sie erkannten bald die Männer: es waren die Söhne der Thorhalla. Halldor und die Brüder griffen sie sofort an. Da kam es nicht zum Widerstand, die Olafsöhne sprangen gleich in ihr Schiff. Stein und sein Bruder wurden gefangen, niedergehauen und über Bord geworfen. Die Olafsöhne kehrten nach Hause zurück, und die Fahrt wurde ihnen zu hohem Ruhme gerechnet.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt