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Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


47. Kjartan reitet nach dem Saurbö

Im Winter nach dem Weihnachtsfeste brachte Kjartan eine Mannschaft zusammen; es waren im ganzen sechzig Mann. Kjartan sagte seinem Vater nicht, was für ein Zug beabsichtigt sei; Olaf fragte auch nicht danach. Kjartan hatte Zelte und Lebensmittel mit sich. Kjartan ritt nun seines Weges, bis er nach Laugar kam. Er befahl den Leuten abzusteigen und sagte, einige sollten die Pferde beaufsichtigen, andere hieß er die Zelte aufschlagen.

In jener Zeit war das vielfach der Brauch, daß die Abtritte draußen lagen, und zwar ziemlich entfernt vom Hofe, und so war es auch in Laugar. Kjartan ließ da alle Türen des Hofes besetzen und verwehrte jedermann den Ausgang, und zwang sie drei Tage hindurch, ihre Geschäfte im Hause abzumachen. Darauf ritt Kjartan beim nach Hjardarholt, und jeder von seinen Gefährten nach Hause. Olaf war bös über diese Fahrt. Thorgerd sagte, er dürfe Kjartan nicht tadeln, die Leute von Lau



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gar hätten das verdient und noch größere Schmach. Da sprach Hrefna:"Hast du mit jemandem gesprochen, Kjartan, in Laugar Er antwortete: Es war nichts Wichtiges", er sagte, er habe mit Bolli ein paar Worte gewechselt. Da sprach Hrefna und lächelte dabei: Es ist mir als sicher erzählt, daß du mit Gudrun gesprochen haben sollst, und ich habe auch gehört, wie sie angezogen war, daß sie das Kopftuch angelegt hatte und daß es ihr sehr gut gestanden haben soll." Kjartan antwortete und wurde dunkelrot dabei —jedermann konnte sehen, daß er zornig war, weil sie ihren Spott hiermit trieb —: Nichts davon, was du da erzählst, ist mir zu Gesicht gekommen,

Hrefna," sagte Kjartan; "Gudrun braucht sich nicht dazu das Kopftuch anzulegen, um schöner auszusehen als alle andern Frauen. Da brach Hrefna das Gespräch ab.

Die Leute von Laugar waren übel zufrieden, sie glaubten eine viel größere und schlimmere Schmach erlitten zu haben, als wenn ihnen Kjartan einen oder zwei Mann erschlagen hätte. Die Söhne des Osvifr waren rasend über diese Sache, aber Bolli suchte sie eher zu beruhigen. Gudrun redete am wenigsten davon, aber doch merkte man soviel aus ihren Worten, daß es zweifelhaft war, ob es irgend jemand anderem näher ging als ihr. Es war nun offne Feindschaft zwischen den Leuten von Laugar und denen von Hjardarholt.

Als der Winter zu Ende ging, gebar Hrefna ein Kind. Es war Knabe und wurde Asgeir genannt.

Thorarin, der Bande auf Tunga, 1 machte bekannt, daß er Hof und Land verkaufen wollte; einmal deshalb, weil sein vermögen zurückging, und dann, weil ibm die Zwietracht immer stärker zu werden schien zwischen den Leuten seiner Gegend; und er stand mit beiden Parteien in herzlicher Freundschaft.

Bolli schien es notwendig, sich durch Kauf irgendwo festzusetzen, denn in Laugar war wenig Land. aber eine große Menge vieh. Bolli und Gudrun ritten nach Tunga auf den Rat Osvifrs. Es schien ihnen das gegebene, dieses benachbarte Land zu erwerben, und Osvifr bat sie, nicht an Kleinigkeiten den Handel



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scheitern zu lassen. Darauf verhandelten Thorarin und die beiden über den Verkauf und wurden einig darüber, wie hoch der Preis sein, und ebenso, womit gezahlt werden sollte, und der Kauf wurde zwischen ihnen abgeschlossen. Weil nicht so viel Männer zur Stelle waren, wie es das Gesetz verlangt, wurde der Kaufvertrag nicht durch Zeugen festgemacht. Bolli und Gudrun ritten darauf nach Hause.

Als aber Kjartan, Olafs Sohn, diese Neuigkeit erfuhr, ritt er sofort mit elf Mann ab und kam am Tage nach Tunga; Thorarin begrüßte ihn herzlich und lud ibn ein. dazubleiben. Kjartan sagte, er müsse am Abend wieder heim reiten, 1 wolle sich aber einige Zeit bei ihm aufhalten. Thorarin Sagte, was ihn hergeführt habe. Kjartan antwortete: Das hat mich hergeführt, das ich etwas mit dir über den Landverkauf reden wollte, den du mit Bolli vorhast, denn es ist mir unerwünscht, daß du dieses Land an Bolli und Gudrun abtreten willst." Thorarin sagte, es sei ibm ungelegen, wenn das zurückgehen sollte, — denn der Preis, den mir Bolli für das Land versprochen hat, ist gut und soll außerdem gleich bezahlt werden." Kjartan sprach: Es soll dein Schade nicht sein, wenn auch Bolli das Land nicht kauft, denn ich werde es dir zu gleichem Preise abkaufen, und es wird dir nicht viel helfen, dem zu widersprechen, wie ich es haben will, denn es wird dir klar werden, daß ich vor allem bier im Bezirke zu bestimmen habe und mich dabei mehr nach dem Gefallen anderer Männer richten werde als nach dem der Laugarleute." Thorarin antwortete: Hoch steht mir des Herren Wort, 3 das soll mich auch hierbei gelten; aber es wäre mir doch am liebsten, wenn dieser Kauf bestehen bliebe, wie Bolli und ich es ausgemacht haben. Kjartan sprach: "Das nenne ich nicht einen Landkauf, der nicht durch Zeugen festgemacht ist. Wähle nun eins von beiden, entweder verkaufe mir sofort das Land in die Hand zu den gleichen Bedingungen, zu denen du dich andern gegenüber verstanden hast, oder aber bleibe selbst auf deinem Lande wohnen." Thorarin zog es vor, ihm das Land zu verkaufen. Es waren nun gleich die Zeugen für diesen Kauf zur 1



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Stelle. Kjartan ritt beim, nachdem der Landverkauf abgeschlossen war.

Diese Kunde verbreitete sich im ganzen Talbezirk. Am selben Abend noch erfuhr man es in Laugar. Da sprach Gudrun:

Ich halte dafür, Bolli, daß Kjartan dir die Wahl zwischen zwei Dingen stellt, noch schärfer, als er es mit Thorarin getan hat, daß du entweder diese Gegend mit wenig Ehre verlassen mußt oder dich bei jedem nächsten Zusammentreffen mit ihm etwas weniger stumpf zeigst als bisher." Bolli gab keine Erwiderung und ging gleich weg nach diesen Worten; es blieb nun die übrige Zeit von Langfasten.

Am dritten Ostertage ritt Kjartan von Hause fort mit einem Mann; es begleitete ihn An der Schwarze. Sie kamen zun Nächst an diesem Tage nach Tunga. Kjartan wollte, daß Thorin mit ihm weiter ins Westland nach dem Saurbö reiten sollte, um da als Zeuge zu dienen bei Forderungen, denn Kjartan hatte dort große Geldgeschäfte wahrzunehmen. Thorarin war nach einem andern Hof geritten. Kjartan hielt sich dort eine Zeitlang auf und wartete auf ibn.

An demselben Tage war Thorhalla die Gesprächige 1 dorthin gekommen. Sie fragte Kjartan, wohin er ;u reisen beabsichtigte. Er sagte, er wolle weiter ins Westland nach dem Saurbö. Sie Sagte: Welchen Weg wirst du reiten:" Kjartan antwortete: "Ich werde auf dem Hinweg durch das Sälingstal und auf dem Rückweg durch das Svinatal reiten." Sie Sagte, wie lange er ausbleiben würde. Kjartan antwortete: "Aller Wahrscheinkeit nach werde ich am Donnerstag die Rückreise antreten." Willst du mir einen Gefallen tun:" sagte Thorhalla, ich habe einen verwandten drüben auf Hvitadal im Saurbö; er hat mir eine halbe Mark in Fries versprochen; ich bitte, daß du sie einforderst und mit zurück bringst. Kjartan versprach das.

Unterdessen kam Thorarin heim und machte sich bereit, ihn zu begleiten. Sie ritten weiter über die Sälingstalsbeide und kamen am Abend nach Hol zu den Geschwistern. 1 Kjartan gand da gute Aufnahme, denn zwischen ihnen war herzliche Freundschaft .



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Thorhalla die Gesprächige kam beim nach Laugar am Abend. Die Söhne des Osvifr Sagten ob sie jemanden getroffen habe während des Tages. Sie sagte, sie habe Kjartan, Olafs Sohn, getroffen. Sie fragten, wo er hin wolle. Sie erzählte, was sie darüber wußte, — und niemals ist er ein stolzerer Held gewesen als jetzt; das ist auch nicht zu verwundern, wenn solchen Männern alles niedrig neben ihnen vorkommt." Und dann sagte Thorhalla noch: "Leicht war es mir auch zu bemerken, daß Kjartan über nichts so gern sprach als über den Kauf von Thorarins Land." Gudrun sagte:"Wohl mag Kjartan alles kühn tun, was ihm beliebt, weil er erprobt hat, daß er sich jede Beleidigung herausnehmen darf, ohne daß jemand es wagt, den Schaft gegen ihn zu schießen." Bei dieser Rede Gudruns waren sowohl Bolli wie die Söhne des Osvifr zugegen. Ospak und die Brüder antworteten wenig darauf, aber mit deutlicher Feindseligkeit gegen Kjartan wie gewöhnlich. Bolli tat, als hörte er nichts, wie immer, wenn schlecht von Kjartan gesprochen wurde. denn er pflegte dann zu schweigen oder zu widersprechen.


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