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Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


46. Kjartans Schwert wird gestohlen und wieder gefunden, das Kopftuch der Hrefna wird entwendet und vernichtet

Olaf und Osvifr hielten an ihrer Freundschaft fest, obgleich das Band zwischen den jungen Leuten so ziemlich zerrissen war. In diesem Sommer hatte Olaf eingeladen für einen halben Monat vor Winteranfang. Osvifr hatte auch eine Gastbewirtung vorbereitet für die Zeit der ersten Winternächte . Jeder überließ es dem andern bei der Einladung, wie viel Lente er entsprechend seinem Ansehen mitbringen wollte.

Osvifr hatte zuerst das Fest bei Olaf zu besuchen und kam zur verabredeten Zeit nach Hjardarholt. An dieser Fahrt nahmen auch Bolli und Gudrun und die Söhne des Osvifr teil. Am nächsten Morgen, als die Frauen miteinander den Schlafsaal entlang nach der Tür gingen, redete eine davon, wie man wahl die Frauen setzen würde. Während sie das sagte, war Gudrun gerade in die Nähe des Bettes gekommen, in dem Kjartan zu liegen pflegte. Kjartan war da und zog sich an und warf den roten Scharlachrock über sich; da sprach Kjartan zu der Frau, die über die Tischordnung der Frauen geredet hatte — denn niemand konnte ihm mit der Antwort zuvorkommen —"Hrefna soll auf dem Hochsitze ihren Platz haben und in jeder Beziehung die geehrteste sein, so lange ich am Leben bin. Aber bisher hatte immer Gudrun auf dem Hochsitze gesessen in Hjardarholt und anderswo. Gudrun hörte dies und sah Kjartan an und wechselte die Farbe, aber antwortete nichts. Am Tage darauf sagte Gudrun zu Hrefna, sie solle das Kopftuch anlegen und so den Leuten das beste Kleinod zeigen, das nach Island gekommen sei. Kjartan war in der Nähe, wenn er auch nicht bei ihnen stand, und er hörte, was Gudrun gesagt hatte. Er war schneller mit der Antwort als Hrefna: Nicht soll sie das Kopftuch tragen bei diesem Feste, denn mehr scheint es mir darauf anzukommen, daß Hrefna das kostbarste Schmuckstück besitzt, als daß die eingeladenen Gäste eine Augenweide haben bei dieser Gelegenheit." Eine Woche sollte die Herbstbewirtung dauern bei Olaf. Am Tage darauf redete Gudrun



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heimlich mit Hrefna, sie möge ihr das Kopftuch einmal zeigen. Hrefna sagte, das solle geschehen. Am nächsten Tage ging ne mit Gudrun in das vorratshaus, wa die Kleinodien bewahrt wurden. Hrefna schloß eine Truhe auf und bolte den Samtbeutel hervor; und aus dem Beutel nahm sie das Kopftuch und zeigte es Gudrun. Diese faltete das Tuch auseinander und betrachtete es eine Zeitlang und sagte kein Wort darüber; weder liebes noch leides. Darauf schloß Hrefna das Kopftuch wieder ein, und sie kehrten zu ihren Plätzen zurück. Dann ging die Bewirtung weiter in Freuden und Unterhaltung .

Aber an dem Tage, als die Eingeladenen abreiten sollt en, war Rjartan eisig damit beschäftigt. den Leuten frische Pferde zu verschaffen, die von weither gekommen waren, und jeden so für die Reise zu versorgen, wie es nötig war. Kjartan hatte sein Schwert Königsgabe nicht bei sich gehabt, während er sich so zu schaffen machte, obgleich er nicht gewohnt war, es von seiner Seite zu lassen. Darauf ging er nach seinem Bett. wo das Schwert gehangen hatte, da war es verschwunden. Er ging sofort zu seinem Vater und teilte ihm seinen Verlust mit. Olaf sprach: "Hier müssen wir mit der größten Heimlichkeit verfahren, ich werde Späher jeder Gesellschaft mitgeben, die wegreitet." Und das tat er. An der Weiße sollte mit der Schar des Osvifr reiten und aufpassen, ob jemand abbiegen oder zurückbleiben würde.

Sie ritten landeinwärts an Ljarskogar und den Höfen vorüber, die Skogar heißen, und hielten dort am Walde und stiegen ab. Thorolf, der Sohn des Osvifr ging abseits von den Höfen und einige andere Männer mit ihm. Sie gingen fort ins Moorbuschwerk hinein, während die andern bei den Höfen rasteten. An begleitete dann die Gesellschaft noch bis zu dem Lachswasser ; 1 das aus dem Sälingstal kommt, und sagte, er wolle nun umkehren. Thorolf sagte, es würde auch nichts geschadet haben, wenn er gar nicht mitgekommen wäre. Die Nacht vorher war dünner Schnee gefallen, so daß man Spur en verfolgen konnte. An ritt zurück zum Walde und verfolgte die



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Spur Thorolfs bis zu einer sumpfigen, moorigen Stelle. Er griff da hinein und bekam den Schwertgriff ;u fassen. Ari wollte Zeugen haben bei diesem Fund und ritt zu Thorarin auf Sälingsdalsmnga, und der kam mit An. das Schwert herauszuholen . Darauf brachte An Kjartan das Schwert. Kjartan wickelte ein Tuch darum und verschloß es in einer Truhe. Die Stelle heißt seitdem Schwertsumpf, wo Thorelf mit seinen Leuten das Schwert Königsgabe versteckt hatte. Man verhielt sich ganz still darüber, aber die Scheide wurde niemals wiedergefunden. Kjartan hielt in der Folgezeit das Schwert nicht mehr so wert wie früher.

Diese Sache haue Kjartan verletzt und er wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Olaf sprach: "Laß dich das nicht verletzen; es war kein schöner Streich von ihnen, aber es schadet dir ja nichts; wir wellen nicht andern Gelegenheit zum Lachen geben, wenn wir so ein as zum Anlaß eines Zwistes machen, Freunden und verwandten gegenüber." Und auf Olafs Zureden hin ließ Kjartan die Sache auf sich beruhen.

Einige Zeit später rüstete sich Olaf, der Einladung nach Laugar zu den ersten Winternächten zu folgen, und redete mit Kjartan darüber, daß er auch mitkommen solle. Kjartan batie keine Lust, aber um der Bitte des vaters willen sagte er ihm doch zu. Hrefna sollte auch mitkommen und wollte das Kopftuch daheim lassen. Thorgerd, die Hausmütter, fragte: Wann willst du ein solches kostbares Schmuckstück eigentlich tragen, daß du es in der Truhe liegen läßt, wenn du zu einem Feste gehst:" Hrefna erwiderte: "viele sagen, daß ich vielleicht auch einmal anderswohin kommen werde, wo ich weniger Neider finde als in Laugar."Thorgerd sagte: Ich schenke den Leuten keinen großen Glauben, die hier solche Zwischenbläsereien machen von Haus zu Haus." Und weil Thorgerd sie so eifrig drängte, nahm Hrefna das Kopftuch mit; und Kjartan erhob keinen Widerspruch. als er sah, daß es der Wunsch seiner Mutter war.

Darauf machten sie sich auf den Weg und kamen abends nach Laugar und wurden wohl empfangen. Thorgerd und Hrefna gaben ihre Kleider zur Aufbewahrung. Und am Morgen, als



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die Frauen anziehen sollten, suchte Hrefna nach dem Kopftuch, und da war es von dem Orte verschwunden, wo sie es verwahrt hatte; es wurde da überall danach gesucht, aber man fand es nicht. Gudrun sagte, es sei am wahrscheinlichsten, daß sie das Kopftuch zu Hause gelassen habe, oder sie habe es nicht sorgfältig genug eingepackt, und es sei verloren gegangen. Hrefna teilte nun Kjartan mit, daß das Tuch verschwunden sei. Kjartan antwortete und sagte, es sei wirklich keine leichte Sache, auf diese Leute aufpassen zu müssen, doch bai erste, jetzt sich zu verhalten, darauf sagte er seinem Vater was da im Spiele war. Olaf antwortete: Wieder wünsche ich wie beim vorigenmal, daß du nichts tust und diese schlimme Sache an dir vorübergehen läßt; ich werde dem Stillen nachforschen, denn ich will alles aufbieten, daß zwischen euch beiden, Bolli und dir, kein Bruch entsteht; eine heile Stelle läßt sich am besten verbinden, mein Sohn," sagte er. Kjartan erwiderte: Leicht ist es zu sehen, Vater, daß du allen hier nur gutes wünschest; aber ich weiß doch nicht, ob ich es länger dulden soll, mir so von den Laugarleuten an den Wagen fahren zu lassen."

An dem Tage, an dem die Leute fortreiten sollten von dem Feste, nahm Kjartan das Wort und sprach so: "Dich, Vetter Bolli, fordere ich hiermit auf, von nun an ehrlicher an uns zu handeln als bisher; ich will dies nicht in geheimer Zwiesprache vorbringen, weil ja viele Leute Kenntnis davon haben, daß hier allerlei verschwunden ist, wobei die Spuren nach eurem Hof weisen. Im Herbst, als wir die Bewirtung in Hjardarbolt hatten, wurde mein Schwert weggenommen; es bat sich wieder eingefunden aber die Scheide nicht. Und jetzt wieder ist ein Kleinod verschwunden, das für kostbar gelten darf; ich will nun beides wiederhaben." Da antwortete Belli: Ich bin nicht der Urheber dessen, was du uns vorwirfft; ich hätte alles eber von dir erwartet, als daß du mich des Diebstahls bezichtigen würdest."Kjartan sagte: Es haben, wie wir glauben, Personen hierum gewußt, für die du mit Bußen eintreten kannst, wenn du willst; mehr, als notwendig ist,



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sucht ihr mit uns anzubinden; lange sind wir eurer Feindseligkeit ausgewichen; es wird sich nun zeigen, daß es so nicht weiter gehen kann." Da antwortete Gudrun auf seine Rede und sprach: "Du störst da in Kohlen herum, Kjartan, die besser nicht zu rauchen anfangen sollten. Und wenn es nun auch so wäre, wie du Sagst, wenn hier Personen sein sollten, die damit etwas zu tun haben, daß das Kopftuch verschwunden ist, so halte ich dafür, daß sie nach dem gegriffen haben, was ihnen gehört. Glaubt nun, was ihr wollt, wohin das Kopftuch gekommen ist, jedenfalls gefällt es mir nicht übel, wenn das Tuch so aufgehoben ist, daß Hrefna von nun an sich nicht mehr damit aufputzen kann." Darauf schieden sie von einander in ausgesprochener Unfreundlichkeit. Die Leute von Hjardarholt ritten heim. Die gegenseitigen Einladungen hörten nun auf, doch blieb äußerlich alles ruhig. Von dem Kopftuch erfuhr man nie mehr etwas. Viele hielten es für wahr, das Thorolf das Tuch im Feuer verbrannt habe auf den Rat seiner Schwester Gudrun.

Zu Anfang des Winters starb Asgeir Brausekopf. Seine Söhne übernahmen da Hof und Vermögen.


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