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Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


35. Thord scheidet sich von Aud und heiratet Gudrun-Thord ertrinkt infolge der Zauberei des Kotkel

Kotkel hieß ein Mann, der vor kurzem nach Island ausgewandert war. Grima hieß seine Frau. Ihre Söhne waren Hallbjörn Schleifsteinauge und Stigandi. Diese Leute stammten von den Hebriden. Alle waren sie in geheimen Künsten bewandert und die grösten Zauberer. Hallstein der Gode nahm sie in seinen Schutz und siedelte sie in Urdir im Skalmarfjord 5 an, aber man sah es nicht gern, daß sie da wohnten.

In diesem Sommer reiste Gest zum Thing und fuhr zu Schiff nach dem Saurbö, wie er gewöhnlich tat. Er übernachtete auf



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Hol im Saurbö. Die Schwäger liehen ihm Pferde, wie gewöhnlich . Thord, der Sohn der Ingunn, schloß sich Gest an und kam nach Laugar im Sälingstal. Gudrun, die Tochter des Osvifr, ritt zum Thinge, und Thord, der Sohn der Ingunn, begleitete sie.

Es war eines Tages, als sie über die Blaskogahnde ' ritten — das Wetter war schön — da sprach Gudrun: "Ist das wahr, Thord, daß deine Frau Aud immer in Hosen geht mit einem Schlußstück und mit Wadenstreifen, die ganz hinunter bis zu den Schuhen gewickelt sind:" Er sagte, er habe das nicht bemerkt. 2 " So ist wohl nicht viel daran," sagte Gudrun, " wenn du es nicht bemerkt hast; aber aus welchem Grunde nennt man sie da Hosen-Aud?" Thord sprach: Ich vermute, daß sie noch nicht lange so genannt wird." Gudrun antwortete: " Das mag sie wohl mehr angeben. daß sie diesen Namen von jetzt an lange tragen wird."

Nun kamen die Männer zum Thing und es geschah gar nichts besonderes. Thord machte lange Besuche in der Thingbude des Gest und unterhielt sich allezeit mit Gudrun. Eines Tages Sagte Thord, der Sohn der Ingunn, Gudrun, was einer Frau gebühre wenn sie immer in Hosen gebe wie die Männer. Gudrun antwortete: " Die gleiche Strafe hat die Frau da ihrerseits zu gewärtigen, wie der Mann, der einen so großen Halsausschnitt trägt, daß man seine entblößten Brustwarzen sehen kann, es ist ein Scheidungsgrund, eines wie das andere. Da sprach Thord: "Was rätst du mir: soll ich meine Scheidung von Aud hier auf dem Allthing erklären oder daheim in meinem Bezirk, wo ich es mit der Zustimmung anderer tun könnte, denn die Männer sind stolzen Sinnes, die sich durch diesen Schritt beleidigt fühlen werden." Gudrun antwortete



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nach einigem Stillschweigen: "Auf den Abend harrt, wer unkühn ist." 1 Da sprang Thord gleich auf und ging zum Gesetzfelsen und rief Zeugen an dafür, daß er seine Scheidung von Aud erkläre, und gab das als Grund an, daß sie Hosen mit einem Schlußstück trüge, wie Mannweiber. Den Brüdern der Aud gefiel das übel, doch blieb es ruhig. Thord ritt vom Thinge mit den Söhnen des Osvifr. Als aber Aud die Kunde vernahm, da sprach sie:

Mir ists lieb, daß ichs weiß,
also verlassen bin ich. 2

Darauf ritt Thord zur Vermögensteilung hinüber nach dem Saurbö mit elf Mann, und das ging ohne Schwierigkeit ab, denn Thord ließ es sich wenig kümmern, wie das vermögen geteilt wurde. Thord trieb viel Hausvieh herüber nach Laugar. Darauf hielt er um Gudrun an; sein Antrag war Osvifr willkommen, und Gudrun sprach nicht dagegen. Die Hochzeit sollte in Laugar sein, zehn Wochen vor Winteranfang; dieses Fest war sehr großartig. Das Zusammenleben von Thord und Gudrun war gut. Thorkel Hündlein und Knut strengten nur deshalb keine Klage gegen Thord, den Sohn der Ingunn, an, weil sie nicht die nötige Unterstützung fanden.

Im Sommer darauf hatten die Leute von Hol die Saiter bezogen im Hvammotal. Aud war auf dem Säter. Die Leute von Laugar hatten die Säter im Lambatal bezogen, das geht westlich vam Sälingstal ins Gebirge hinauf. Aud Sagte den Mann, der das vieh hütete, wie oft er den Hirten von Laugar treffe. sagte, das geschehe täglich, wie es ja zu vermuten war, denn es war nur ein Rücken zwischen den Almen. Da sprach Aud: "Du sollst heute mit dem Hirten von Laugar zusammenkommen und mir dann Bescheid geben. wer von den Leuten drüben auf dem Hofe und wer auf dem Säter ist, und sprich nur ganz freundschaftlich von Thord, so wie sichs gehört." Der Hirt sagte, er wolle es so ausrichten, wie sie befohlen habe. Und abends, als der Hirt heim kam, Sagte ihn Aud. wao er neues bringe. Der Hirt antwortete: "Eine Neuigkeit



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habe ich erfahren, die dir gefallen wird, es ist nun eine breite Diele zwischen den Betten des Thord und der Gudrun, denn sie ist auf dem Säter. und er bringt sich um mit dem Bau eines Schlafhauses, und nur Ofvifr ist noch mit ihm auf dem Hofe." Du hast gut gekundschaftet," sagte sie, " nun halte zwei Pferde gesattelt, wenn die Leute schlafen gehn." Der Hirt tat, wie sie befohlen batie.

Und etwas nach Sonnenuntergang stieg Aud Pferde und war da nun wirklich in Hosen. Der Hirt ritt das andre Pferd und konnte ihr nur mit Mühe folgen, so wild jagte sie vorwärts. Sie ritt südwärts über die Sälingstalsheide und hielt nicht eher inne als vor dem Hofgebege von Laugar. Da stieg sie ab und sagte dem Hirten, er solle auf die Pferde achten, so lange ue im Haus sei. Aud ging auf die Tür zu, sie war nicht verschlossen; dann trat sie in das Herdhaus und ging nach der Kammer. in der Thord lag und schlief. Die Tür war zu, aber kein Riegel vorgeschoben. Sie trat in die Kammer ein, Thord schlief und lag auf dem Rücken. Da weckte Aud ihn auf, und er wandte sich nach der Seite, als er sah, daß jemand gekommen war. Sie zückte ein Schwert und hieb nach ihm und versetzte ihm eine starke Wunde, sie traf seinen rechten Arm und verletzte ihn an beiden Brustwarzen; sie schlug so fest zu, daß das Schwert im Bettkasten stecken blieb. Darauf ging Aud fort und kam zu ihrem Pferde und saß auf und ritt dann beim.

Thord wollte aufspringen, als er die Wunde empfing, aber er konnte nicht, denn der Blutverlust machte ihn schwach. Unterdessen erwachte Osvifr und fragte, was denn los sei. Thord sagte, er habe eine Wunde bekommen. Osvifr fragte, ob er wisse, wer ihn überfallen habe, und stand auf und verband seine Wunden. Thord sagte, er glaube, daß es Aud gewesen sei. Osvifr erbot sich, ihr nachzureiten, er sagte, sie sei wahl mit geringer Begleitung gekommen, und so würde ihr schon die gebührende Bestrafung zuteil werden. Thord antwortete, dag solle keinesfalls geschehen, er sagte, sie habe so gehandelt, wie sie handeln mußte.

Aud kain heim bei Sonnenaufgang und ihre Brüder fragten sie, wo sie gewesen sei. Aud sagte, sie sei in Laugar gewesen, und



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erzählte ihnen, was sich zugetragen hatte bei ihrer Fahrt. Sie gaben ihre Freude kund darüber und sagten, es sei nur zu wenig gewesen. Thord lag lange an seinen Wunden danieder; die Brustwunden heilten gut aus, aber sein Arm war von nun an keineswegs besser zum Zugreifen geschickt als früher. Still blieb es nun den Winter über.

über im Frühjahr darauf kam Ingunn, Thords Mutter, herüber aus Skalmarnes. Er nahm )ie wohl auf. Sie sagte, Thord müsse ihr Boot ins Schlepptau nehmen, sie habe so viel zu leiden an Raub und Hexerei von Kotkel und seiner Frau und seinen Söhnen- über denen der Gode Hallstein seine Hand halte. Thord gab gleich ihrer Bitte Gehör und sagte, er würde diese Diebe ur Rcchenschaft ziehen, und wenn sich auch Hallstein entgegen stellen sollte; er machte sich sofort auf den Weg mit neun Mann. Ingunn reiste auch heimwärts mit ihnen. verschaffte äch ein Reiseboot in Tjaldanes. Dann segelten sie westwärts nach Skalmarnes. Thord lies alles bewegliche Gui, das die Mutter dort hatte, an Bord bringen, aber das vieh sollte über Land um die Fjorde getrieben werden. Zwölf waren sie im ganzen auf dem Schiff. Da war Ingunn und eine andre Frau.

Thord kam zum Hofe Kotkels mit neun Mann. Die Söhne Kotkels waren nicht zu Hause. Darauf lud er Kotkel und Grima und ihre Söhne vor wegen Diebstahl und Hexerei und klagte auf Friedlosigkeit. Er lud sie vor das Allthing und kehrte dann auf das Schiff zurück. Da kamen Hallbjörn und Stigandi heim, als Thord abgefahren, aber noch nicht weit gekommen war; Kotkel erzählte seinen Söhnen, was sich da zugetragen hatte. Die Brüder wurden wütend darüber und sagten, noch nie habe jemand so zum offenen Schlage gegen sie ausgeholt in solcher Feindseligkeit. 1 Darauf ließ Kotkel ein großes Zaubergerüst aufrichten. Sie stiegen alle zusammen hinauf. Da ließen sie erklingen grimmig gefügte Weisen: das waren Zaubersprüche. Sofort brach ein starkes Unwetter los. Das verspürte Thord, der Sohn der Ingunn 1 Die vorladung vor Gericht gilt schon als Ehrverletzung (vgl. die Geschichte vom Hühner-Thorir Rap. 8j.



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und seine Gefährten, die auf der See fuhren, wie gegen sie dav Weiter aufgeboten war. Das Schiff wurde nach Westen! gegen Skalmarnes getrieben. Thord zeigte große Unerschrockenheit in der Schiffsführung. Die Leute am Lande sahen, daß er alles, was das Schiff beschwerte, außer den menschen über Bord warf; die Leute. die am Lande waren, glaubten schon, daß Thord die Küste erreichen würde. da er bereits die Stellen, wo die meisten Klippen waren, hinter sich baue. Da erhob sich nahe dem Lande eine Brandung über einer blinden Klippe, von der kein mensch sich erinnerte, sie je früher bemerkt zu haben; die Brecher trafen das Schiff mit solcher Gewalt, daß gleich der Kiel nach oben schlug. Da ertrank Thord und alles, was auf dem Schiffe war, aber das Schiff zerbrach in Späne, und der Kiel trieb an die Insel, die darnach Kielinsel genannt wurde. Der Schild des Thord trieb auf die Insel, die Schildinsel heißt. Die Leichen Thords und seiner Gefährten trieben gleich dort ans Land; es wurde dort ein Hügel über sie aufgeworfen; die Stelle heißt seitdem Haugsnes.


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