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Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


19. Hrut kommt nach Island

Nun ist von Höskuld zu erzählen, daß er sich in hochangesehener Stellung befand. Er war ein großer Häuptling. Er verfügte auch über das große Vermögen, auf das sein Bruder Hrut, der Sohn Herjolfs, Anspruch hatte. viele Leute sagten, das würde eine große Lichtung in seinem Walde geben, wenn er einmal genötigt sei, den Bruderteil vom Muttererde auszuzahlen. Hrut war Gefolgsmann des Königs Harald, des Sohnes der Gunnhild, und empfing von ihm große Ehrungen; das kam besonders daher, daß er sich bei jeder Männerprobe vor allen auszeichnete. Gunnhild aber, die Königin, 1 Visdis, Hrapps Frau, muß schon vor diesem Streuli gestorben sein.



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schätzte ihn so hoch, daß sie innerhalb des Gefolges keinen ihm an die Seite stellen wollte, weder an Redegabe noch an andern Eigenschaften. Und wenn ein Männer vergleich gemacht wurde 1 und man über männliche vortrefflichkeit sprach, da konnte jedermann bemerken, daß Gunnhild es wie Gedankenlosigkeit ader Mißgunst vorkam, wenn man jemanden Hrut an die Seite stellen wollte. Weil nun Hrut in Island einen großen Vermögensanteil und eine angesehene verwandtschaft wahrzunehmen hatte, so kam ihm der Wunsch, dorthin zu reisen. Er rüstete sich zur Fahrt nach Island. Der König gab ihm ein Schiff zum Abschied und versicherte, daß er ihn als wackern Mann erprobt habe. Gunnhild geleitete Hrut zum Schiff und sprach: "Ich brauche das nicht leise zu sagen, daß ich dich erprobt habe als einen über alle hervorragenden Mann, denn du hast die gleiche Tüchtigkeit gezeigt wie die besten hier im Lande, und Verstand weit mehr als sie." Dann gab sie ihm einen Goldring und sagte ihm Lebewohl; darauf zog sie den Mantel über ihr Haupt und kehrte hastig zur Stadt zurück, aber Hrut stieg an Bord und ging in See.

Er hatte gute Fahrt und erreichte den Breidifjord. Er segelte hinein auf die Inseln zu, fuhr dann in den Breidisund und landete bei Kambsnes und warf die Stege aus. Die Kunde von der Ankunft des Schiffes verbreitete sich, und das Hrut, der Sohn Herjolfs, Schiffsherr sei. Nicht freute sich Höskuld über diese Neuigkeit, und nicht machte er sich auf, ihn zu begrüßen. Hrut zog das Schiff an Land und sorgte für seinen Schutz. Er baute dort einen Hof, der seitdem Kambsnes 2 hieß.

Dann ritt Hrut zu Höskuld und forderte sein mütterliches Erbe. Höskuld sagte, er habe nichts herauszuzahlen, seine Mutter sei nicht ohne vermögen aus Island gekommen, als sie mit Herjolf zusammen getroffen sei. Hrut war darüber unwillig und ritt mit diesem Bescheid davon. Alle Verwandten Hruts erwiesen ihm Ehre, nur Höskuld nicht. Hrut wohnte drei Winter in Kamhsneg und forderte immer wieder sein vermögen von Höskuld auf Thingen oder andern gesetzlichen versammlungen und erwies



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sich 'dabei als guter Sprecher. Die meisten sagten, Hrut habe recht in seinem "Anspruch, aber Höskuld hob hervor, daß Thorgerd ohne seine Zustimmung sich mit Herjolf vermählt habe, und sagte, er sei nach dem Gesetz vormund seiner Mutter gewesen; weiter kamen )ie nicht miteinander. Im Herbst darauf folgte Höskuld einer Einladung des Thord

Gaddi. Das erfuhr Hrut und ritt nach Höskuldsstadir mit elf Mann. Er Med zwanzig Stück Rindvieh fort, ebensoviel ließ er da. Dann sandte er einen Mann zu Höskuld und ließ sagen, bei wem man das vieh suchen solle. Die Hausleute Höskulds liefen gleich zu den Waffen, und den nächsten Nachbarn wurde Botschaft gesandt, so kamen fünfzehn Mann zusammen. Jeder von ihnen ritt, wao er nur reiten konnte. Hrut mit seinen Leuten bemerkte die Verfolger erst; als er kurz vor seinem Hof Kambsnes war. Hrut und die Seinen stiegen sogleich ab und fesselten ihre Pferde und nahmen vorwärts auf einer Sandbank Stellung, und Hrut sagte, dort wollten sie den Angriff annehmen ; er meine, wenn es auch langsam damit ginge, Höskuld das vermögen abzufordern, so solle man doch nicht sagen, er sei vor Höskulds Knechten davongelaufen. Hruts Begleiter sagten, es würde die Übermacht auf der andern Seite sein. Heut erwiderte, das kümmere ihn nicht, sie sollten nur um so schlimmer fahren, je zahlreicher sie seien. Die Leute vom Lachstal sprangen nun aus den Sätteln und rüsteten sich zum Kampf. Hrut bai seine Leute, den Unterschied in der Zahl nicht zu achten, und lief den Feinden entgegen. Er hatte einen Helm auf dem Kopf, das gezückte Schwert in der einen, den Schild in der andern Hand; er war der beste aller Fechter. Hrut war so zornig, daß wenige ihm folgen konnten. Beide Parteien hielten sich gut eine Zeitlang; aber bald merkten die Lachstalleute, daß sie auf ihrer Seite keinen hatten, der Hrut gewachsen war; denn er tötete da zwei Männer in einem Anlauf . Darauf baten die Lachstalleute um Frieden. Hrut sagte, gewiß sollten sie Frieden haben. Höskulds Hausleute waren da alle verwundet, die noch aufrecht standen, und vier waren erschlagen. Hrut fuhr heim und war etwas verwundet, seine Gefährten aber nur leicht oder gar nicht, denn er hatte sich



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am meisten hervorgetan. Der Ort heißt Kampftal, wo sie mit einander gefochten hatten. Hrut ließ dann das vieh schlachten.

Von Höskuld wird erzählt, daß er schnell Leute an sich zog, sobald er von dem Raub erfuhr, und nach Hause ritt. Zu gleicher Zeit kamen auch seine Hausleute nach Hause; sie erzählten ihm, wie übel es ihnen ergangen war. Höskuld wurde zornig darüber und sagte, Hrut solle ihm gewiß nicht noch einmal Raub und Männer verlust zufügen. Den ganzen Tag über sammelte er Leute um sich. Da ging Jorunn, die Hausbau, mit ihm zu sprechen und Sagte ihn, was er zu tun gedenke. Er sagte: "Es ist nichts besonderes Werk, doch möchte ich gern, daß man künftig von etwas anderm mehr reden soll als von meinen erschlagenen Hausleuten." Jorunn erwiderte: Deine Absicht ist abscheulich, wenn du vor hast, einen solchen Mann zu töten, wie dein Bruder ist, da doch manche sagen, es wäre nicht ohne Rechtsgrund gewesen, wenn Hrut auch schon früher seinen Vermögensanspruch in dieser Weise geltend gemacht hätte; nun hat er bewiesen, daß er nicht länger wie ein Bastard in seinen Rechten behandelt werden will, da er nach seiner Abkunft etwas zu fordern hat. Gewiß hat er nicht ohne weiteres sich entschlossen, mit dir den Kampf aufzunehmen, sondern er muß sich einer gewissen Unterstützung durch mächtigere Männer versichert haben; denn mir ist erzählt worden, daß Botschaften in der Stille zwischen Thord Brüller und Hrut hin und hergegangen sind; solche Dinge scheinen mir beachtenswert. Thord wird die Gelegenheit günstig vorkommen, etwas zu unternehmen, in einer Lage, wo der Rechtsfall so durchsichtig ist. Du weißt ja wohl, Höskuld, daß, seit die Geschichte mit Thord Gaddi und Vigdis vorgefallen ist, nicht mehr ein so freundliches Verhältnis besteht zwischen dir und Thord Brüller wie früher, wenn du auch fürs erste durch Geschenke die Feindseligkeit der Verwandten abgelenkt hast. Ich bin davon überzeugt, Höskuld," sagte sie, "daß sie es wohl fühlen, wie sie in ihren Ansprüchen sehr gewaltsam von dir zur Seite gedrängt sind und deinem Sohne Olaf. So wäre es denn rätlicher für uns, wenn du deinem Bruder in anständigerweise entgegen kämest, denn vom gereizten



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Wolf ist zu erwarten, daß er zupackt; sollte denken, daß Hrut das gut und mit Billigkeit aufnehmen wird, denn, wie man mir sagt, ist er ein verständiger Mann; er wird ja einsehen, daß dies auch beiden zur Ehre gereicht." Höskuld ließ sich durch Jorunns Zureden sehr beruhigen; was sie sagte, schien ihm der Wahrheit gemäß zu sein.

Nun gingen Leute zwischen ihnen bin und ber; die beiden befreundet waren, und legten Höskulds Friedensvorschläge Hrut vor. Und Hrut nahm das wohl auf, sagte, daß er gewiß sich mit Höskuld vergleichen wolle, er sei lange dazu bereit gewesen, gu te Brüderschaft mit ihm zu halten, so wie es hätte sein können, wenn nur Höskuld ihm sein Recht gegönnt hätte. Hrut sagte auch, er wolle Höskuld Genugtuung für den Schaden zugestehen, den er ihm angetan habe. Es wurde nun diese Sache zum Ende und Abschluß gebracht zwischen den Brüdern Höskuld und -grur sie begannen sich von da an als gute Brüder gegeneinander zu halten.

Hrut nahm sich nun seiner Wirtschaft an und wurde ein Mann. der etwas zu bedeuten hatte; nicht drängte er sich dazu, überall mitzutun, aber wenn er etwas anfaßte, sollte es nach seinem Willen damit gehen. Hrut verlegte nun seinen Hof und wohnte hiv in seine alten Tage an dem Orte, der jetzt Hrutsstadir 1 heißt. Einen Tempel hatte er in seinem Hofbezirk, davon sieht man noch jetzt die Spuren. Jetzt wird die Stelle Weg der Traue genannt, da geht nun die allgemeine Straße. Hrut verheiratete sich und nahm die Frau, die Unn hieß, die Tochter des Mord Geige. Unn sprach die Scheidung gegen ibn aus, daraus entstand der Streit zwischen den Lachstalleuten und denen von Fljoisblid. 2 Hrut nahm eine zweite Frau, die Thorbjörg hieß; sie war eine Tochter des Armod. 3 Hint hat auch noch eine dritte Frau gehabt, wir kennen aber ihren Namen nicht. Sechzehn Söhne hatte Hrut und zehn Töchter mit den 1 Nicht west von Kambsnes. Der Hof besteht nicht mehr. 2 Anspielung auf den Prozeß zwischen Gunnar von Hildarendi in der Landschaft Fljotshlid (südliches Island) und Hrut. Gunnar zwingt Hrut den Vermögensanteil, auf den Unn Anspruch hat, auszuzahlen (Nialssaga). 3 Über Armod vgl. den Anfang von Kap. 33.



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letzten beiden Frauen. Die Leute erzählen, daß Hrut eines Sommers so zum Thing gekommen sei, daß vierzehn seiner Söhne mit ihm waren. Das bat man deshalb festgehalten, weil es als stolze Größe und Kraft erschien; alle seine Söhne waren tüchtige Männer


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