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Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


18. Thorstein Surt ertrinkt mit Tochter, Schwiegersohn und Enkelin

In dieser Zeit erhoben sich zu großem Ansehen auf Thorsnes die Vettern Thorsteins Bork der Starke und dessen Bruder Thorgrim. Bald zeigte sich, daß die beiden Brüder die ersten und am höchsten geschätzten Männer sein wollten. Und als Thorstein das bemerkte, wollte er sich nicht mit ihnen in einen Wettkampf einlassen. Er erklärte seinen Leuten, daß er seinen Wohnsitz wechseln und nach Hrappsstadir im Lachswassertal übersiedeln wolle. Thorstein Sure rüstete sich nach dem Frühjahrsthing zu seiner Reise, das Vieh aber sollte am Strande 1 Das stimmt nicht ganz zu dem, was Kap. io über Thorstein gesagt war.



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entlang getrieben werden. Thorstein ließ das Reiseboot klar machen und ging an Bord mit elf andern. Darunter waren Thorarin, sein Schwiegersohn und Ost, Thorsteins Tochter, und Hild, Thorarins Tochter fuhr auch mit, sie war drei Jahr alt. Thorstein hatte starken Südwestwind; sie nahmen ihren Kurs fjord einwärts auf die Strömungen zwischen den Inseln, 1 und zwar auf die Enge, die Kolkistustrsmung beißt, da ist die Strömung besonders stark unter diesen Engen im Breidtstord. Es war ein unsicheres Segeln, hauptsächlich deswegen, weil die Ebbe eintrat; und der Wind war nicht günstig; denn es war ein Wetter mit Regenschauern, starker Wind, wenn es sich aufklärte, und dazwischen flaute. Thorarin steuerte und hatte die Brassen sich um die Schultern gelegt, denn es war eng auf dem Schiff; viele Kisten waren an Bord und das Schiff war hoch beladen; die Küste lag nahe; das Schiff hatte wenig Fahrt, denn die Strömung ging ihnen heftig entgegen. —Da segelten sie auf eine Klippe auf, doch ohne Schaden zu nehmen. Thorstein befahl, gleich das Segel fallen zu lassen, und hieß die Männer Bootshaken nehmen und das Schiff abbringen. Der Versuch wurde gemacht, gelang aber nicht, denn es war so tief an beiden Bordseiten, daß die Bootshaken keinen Grund faßten; es blieb ihnen nur übrig, auf die Flut ;u warten; vorläufig war noch Ebbe unter dem Schiffe.

Sie sahen während dieser Zeit einen Seehund im Strome, der viel größer war als andere. Er schwamm lange um das Schiff derum und hatte keine kleinen Schwimmflossen. Ihnen allen kam es so vor, als ob er Menschenaugen hätte. 2 Thorstein befahl ihnen, den Seehund zu erschießen. Sie versuchten es auch, aber vergeblich.

Nun kam die Flut. Und als es beinah so weit war, daß das Schiff flott werden konnte, da kam eine scharfe Bö und brachte es zum Kentern, und alle Menschen, die auf dem Schiff waren ertranken, einer ausgenommen. Er trieb mit Schiffshölzern ans Land. Sein Name war Gudmund. Nach ihm heißen die Inseln dort Gudmundsinseln.



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Gudrid, die mit Thorkel Zipfel verheiratet war. hatte nun Erbanspruch nach dem Tode ihres vaters Thorstein Surt. Die Kunde von diesem Ereignis verbreitete sich weit, daß Thorstein ertrunken war und die andern mit ihm, die dort verunglückt waren. Thorkel sandte gleich nach diesem Manne, nach Gudmund, der da an Land getrieben war. Und als er zu Thorkel gekommen war, schloß dieser heimlich einen Handel mit ihm ab, daß er in der Reihenfolge, wie es Thorkel ihm angegeben hatte, von dem Ertrinken der Leute erzählen sollte. Das gelobte Gudmund. Nun forderte ibn Thorkel in Gegenwart vieler Männer auf, über dieses Ereignis seine Aussage zu machen. Da erzählte Gudmund so: erst, sagte er; sei Thorstein ertrunken, dann Thorarin, sein Schwiegersohn (damit fiel das Erbe an Hild, weil sie die Tochter Thorarins war); darauf, fuhr er fort, sei das kleine Mädchen ertrunken (somit blieb Ost ihr nächster Erbe, ihre Mutter); diese sei zuletzt umgekommen — und so mußte das ganze vermögen an Thorkel Zipfel fallen, weil seine Frau das Erbe von ihrer Schwester beanspruchen hatte.

Diese Aussage wurde nun von Thorkel und seinen Leuten geflissentlich verbreitet, aber vorher hatte Gudmund die Sache etwas anders erzählt. Den verwandten Thorarins erschien nun dieses Zeugnis ziemlich zweifelhaft, sie sagten, sie würden sich ihm ohne Probe nicht unterwerfen, und erhoben Anspruch auf das halbe Vermögen neben Thorkel. Thorkel aber verlangte das ganze für sich allein und forderte sie auf, die Reinigungsprobe nach Brauch und Sitte anzustellen. Die Reinigungsprobe fand damals in der Weise statt, daß man unter einen Erdstreifen treten mußte, indem ein Stück Rasen von dem Boden gelöst wurde. 1 Die beiden Enden des Rasenstreifens saßen im Boden fest, und der Mann, der die Reinigung auszufahren hatte, mußte darunter treten. Thorkel Zipfel durfte wahl seine Zweifel darüber haben, ob es beim Ertrinken der Männer so zugegangen war, wie er mit Gudmund nach dessen späterer Aussage behauptet hatte. Die Heiden fühlten



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nicht geringere Verantwortung, wenn sie so etwas zu vertreten hatten, als jetzt die Christen empfinden, wenn Reinigungsproben vorgenommen werden. Der galt als gereinigt, der unter den Erdstreifen trat, ohne daß er über ihm einbrach.

Thorkel Zipfel verabredete nun mit zwei Männern, sie sollten sich anstellen, als gerieten sie über irgend etwas in Streit, und sich dabei in der Nähe halten wenn die Reinigungsprobe vorgenommen würde; sie sollten dabei dem Erdstreifen so nahe kommen, daß jedermann sehen müßte, daß sie ihn zum Einbrechen gebracht hätten. Darnach traf der Mann seine Vorbereitungen, der für Thorkel die Reinigung leisten sollte. Und sofort, nachdem er unter den Erdstreifen getreten war, liefen diese beiden Männer, die dazu bestimmt waren, mit den Waffen auf einander los; sie stießen bei dem Rasenstreifen zusammen und stürzten da beide zu Boden, natürlich brach dabei der Erdstreifen ein. Da sprangen die Männer zwischen beide und brachten sie auseinander; das machte keine Mühe, denn sie führten den Kampf nicht ernstlich. Thorkel Zipfel verlangte nun ein Urteil über den Ausfall der Reinigungsprobe. Da riefen nun alle seine Leute, daß die Probe sich zu seinen Gunsten entschieden hätte, wäre nicht die Störung dazwischen gekommen. So nahm denn Thorkel das ganze bewegliche Gut an sich, aber das Land in Hrappsstadtr ließ er wüst liegen.


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