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Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913

Glam. Von Grimur Thomsen
Lang ist des kurzen Tages Nacht,
In der Hütte wacht Grettir allein,
Eintönig braust der Sturm mit Macht,
Wolken verfinstern des Mondes Schein. —
Da ertönen dumpfe Schläge,
Scharf und schwer, an der Tür Gehege.
Auf bricht die Tür, sie knarrt und knackt,
Lärmend tritt's ein, entsetzlich zu sehn,
vorwärts schwankt es, riesig und nackt,
Und die Gelenke krachen beim Gebn.
Und aus den Augenhöhlen, den leeren
Glänzt's, wie wenn Kohlen erloschen wären.
Höhnisch grinst mit dem Maul das Skelett;
Schüttelt den Schädel hin und wieder;
Grettir richtet sich auf von dem Bett
—Kalter Schweiß bedeckt seine Glieder —,
Aber am meisten schaudert ihn immer
Vor dem Leichengeruch im Zimmer.
Grettirs Mantel ergreift der Geist;
Der zieht dagegen, was er nur kann,
Stemmt auf den Boden die Füße dreist;
Spart weder Hände noch Füße dann;
Sie zerreiben des Mantels Falten —
Jeder hat eine Hälfte behalten.
Grettir Glam entgegen springt,
Und sie ringen auf Leben und Tod,
Grimmig des Unholdes Rechte trinkt
Grettirs Blut, das rieselt rot.
Glam drückt auf ihn seine knöchernen Pfoten,
Tödlich ist der Griff eines Toten.
Aber weit mehr als den Leib entlang
Schmerzt des gequetschten Fleisches Kraft;
Quält ihn der fade Verwesungsgestank;
Aus dem Gesichte der eklige Saft.



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Würmer niest seine Nase immer;
Und der Mund schnaubt, was noch viel schlimmer.
Balken zerbrechen, schon knistert's im Dach,
—Beide ringen so fürchterlich —,
Gräßlich, gäbe die Hütte nach
Und begrübe ihn unter sich!
Grettir bittet den Herrn des Lebens
Ihm zu helfen, bevor es vergebens.
Plötzlich erlahmt des Unholdes Graus
—Leise erglüht des Tages List —,
Schleppt auf der Schulter Grettir hinaus,
Doch auch draußen ruhen sie nicht;
Vor tritt der Mond, —Glam fällt auf die Tatze,
Murmelt heiser, erhebt seine Fratze:
"Daran gedenke, solange du bist;
Diese Stunde kommt über dich.
Nie einem Menschen vergönnt es ist,
Mit einem Unhold zu messen sich.
Dieses Gesicht, das jetzt du siehest,
Wirst du sehen, wohin du auch siehest.
Keiner liebt dich, Unruh dich zwingt,
Kein Tag vergeht, der nicht Unheil schaut;
Furcht und Schrecken die Nacht dir bringt,
vor dem Monde dir immer graut.
Solltest du froh sein zu dürfen meinen —
Gleich packt die Angst dich vor meinem Erscheinen!
Kraft und Tapferkeit bringt dir den Tod,
Friedlos fliehst du immerfort.
Einsamkeit schafft dir dein Leben lang Not.
Zuflucht hast du an keinen Ort.
Und zuletzt auf der Höhe der Jahre
Streckt dich ein Zauber auf die Bahre.
Jetzt verlaß ich Island und dich
Geb nach Sylgsdalir, dem vaterhaus;



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Zwischen vier Bretter lege ich mich, Unter dem Galgen ruh ich mich aus; Aber wo immer dein Fuß umher irrt, — Dich find' ich wieder, wenn dunkel es wird"
Wolken zogen über dem Mond,
Endlich sich Grettir der Ohnmacht erwehrt;
Schwach zu sein war er nicht gewohnt,
Knirschend zückt er sein gutes Schwert; —
Aber als er zuschlagen wollte, —
Leeres Eis vor ihm her rollte.
Glams Prophezeiung erfüllte sich schnell,
Grettir ward niemals wieder froh.
Tagsüber sann er: "Ist Glam heut zur Stell:"
So ward er mutlos, zerstreut ward er so.
Glam übersiel ihn mit Zaubermacht,
Aber besonders im Dunkel der Nacht.


Copyright: arpa, 2015.

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