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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


88. Thorstein und Spes

In dieser Zeit war Harald Sigurdarson in Miklagard, und Thorstein gewann seine Freundschaft. Thorstein trat sehr ansehnlich auf, denn Spes ließ es ihm nicht an Geld fehlen. Thorstein und Spes faßten Liebe zu einander. Sie bewunderte seine Tüchtigkeit. Sie gab viel Geld aus, denn sie suchte sich viele Freunde zu verschaffen. Ihr Mann fand auch, daß sie sich veränderte, in ihrem Sinn und in ihrem Benehmen und namentlich in ihrer Verschwendung. Er vermißte Gold und Kleinodien, die aus ihrem Gewahrsam verschwanden. Einmal sprach Sigurd mit ihr darüber und sagte ihr, daß sie sich merkwürdig benähme: "Du nimmst unser Gui nicht in acht und 1 Eisen Schwert. Das Pferd der Fluten ist das Schiff der Schifffahrer ist Mann; gemeint Grettir.



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vergeudest es auf mancherlei Ari; auch ist es so, daß du mir wie in einem Traumzustande zu leben scheinst; und niemals willst du da sein, wo ich bin. Nun weiß ich für gewiß, daß das einen Grund haben mus."

Sie antwortete: "Ich habe dir gesagt, und ebenso meine Angehörigen, als wir zusammen kamen, daß ich Freiheit haben wollte zu handeln nach meinem Belieben. wenn ich nur täte, was mir geziemte; und darum spar' ich dein Geld nicht. Hast du sonst noch etwas vorzubringen, das mir als Schande angerechnet werden könnte:"

Er antwortete: "Ich hege den Verdacht, daß du es mit einem Mann hältst, der dir besser scheint als ich."

"Ich wüßte nicht," antwortete sie, "daß du dazu Grund hättest; und ich dächte nicht, daß du das in Wahrheit behaupten könntest . Aber wir zwei wollen nicht allein darüber sprechen, wenn du solche ungehörigen Beschuldigungen gegen mich erhebst."

Er ließ nun die Sache fur diesmal auf sich beruhen. Thorstein und Spes lebten ebenso wie früher und waren nicht vorsichtig gegenüber den Worten böser Menschen, denn sie vertraute auf ihren Verstand und auf ihre Beliebtheit. Oft saßen sie im Gespräch zusammen und vergnügten sich.

Es war eines Abends, daß sie in der Kammer saßen, wo ihre Kleinodien aufbewahrt wurden. Sie bat Thorstein, etwas zu singen, denn sie glaubte, daß ihr Mann beim Trunk säße, wie er zu tun pflegte. Sie hatte die Tür geschlossen. Und als er eine Weile gesungen hatte, ward an die Tür geklopft und gerufen, sie sollte aufschließen. Ihr Mann war mit vielen Gefährten heimgekommen. Die Hausfrau hatte eine große Kiste geöffnet und zeigte Thorstein ihre Schätze. Als sie merkte, wer Einlaß begehrte, wollte sie die Tür nicht aufschließen.

Sie sagte zu Thorstein: "Schnell ist mein Entschluß: krieche in die Kiste und verhalte dich ruhig!"

Er tat so. Sie legte ein Schles vor die Kiste und setzte sich auf sie. In diesem Augenblicke kam ihr Mann in die Kammer, und sie hatten die Tür aufgebrochen.

Die Hausbau sprach: "Warum benehmt ihr euch so gewaltsam: Sind Feinde euch auf den Fersen:"



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Der Mann antwortete: "Gut, daß du mir selbst den Beweis erbracht hast, wer du bist. wo ist der Mann, der eben so laut sang: Ich glaube, du schätzest seine Stimme schöner als meine."

Sie antwortete: "Der ist nicht ganz dumm, der zu schweigen versteht; aber von dir kann man das nicht sagen: du bildest dir ein, klug zu sein und wähnst, deine Lügen sollten auf mir sitzen bleiben. Nun kannst du ja die Beweise bekommen! Wenn wahr ist, was du sagst, so nimm ihn, denn durch die Wände oder durch das Dach kann er nicht entwischt sein.

Er suchte im ganzen Gebäude herum und fand nichts.

Sie sprach:"Warum nimmst du ihn nicht: Du glaubtest doch, deiner Sache sicher zu sein."

Er schwieg und konnte nicht begreifen, wie es zuging. Er fragte seine Begleiter; ob ihnen nicht wie ihm die Ohren geklungen hätten. Aber da sie merkten, daß die Hausbau ärgerlich war, ward es nichts aus ihrem Zeugnis, und sie sagten, zuweilen käme es vor, daß man sich verhörte. Ihr Gatte ging hinaus, der festen Überzeugung, daß er recht hätte, wenn er auch den Mann nicht finden könnte. Er ließ jetzt lange Zeit die Hausfrau und ihr Tun beobachten.

Ein andermal, viel später, saßen Thorstein und Spes in einer vorratskammer. Darinnen waren viele Kleider, fertige sowohl als auch das bloße Zeug, die ihr und ihrem Manne gehörten. Sie zeigte Thorstein verschiedene Arten Zeug, und sie breiteten die Stoffe aus. Und als sie es am wenigsten erwarteten, kam ihr Mann mit vielen Leuten und brach die Tür auf. Aber während sie es taten, hatte Spes die Kleider über Thorstein gepackt und sie stützte sich auf diesen Kleiderhaufen, als sie in das Zimmer traten.

"Willst du noch leugnen," sagte ihr Mann, "daß hier ein Mann bei dir gewesen ist Hier sind Leute, die euch beide gesehen haben."

Sie bat sie, nicht so zu toben. "Nun kann es euch ja nicht mißlingen; aber mich laßt in Ruhe und drängt mich nicht so!"

Sie suchten nun das ganze Haus ab und fanden nichts; endlich gaben sie es auf.

Da sprach die Hausfrau: "Es ist immer gut, seine Probe besser



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zu bestehen als die Leute glauben; und es ist selbstverständlich. daß ihr nichts fandet, wo nichts war. Willst du nun deine Dummheit einräumen und mich von dieser Beschuldigung freisprechen "

Er antwortete: "Weit entfernt davon, dich freizusprechen, bin ich vielmehr überzeugt davon, daß du dessen schuldig bist, dessen ich dich angeklagt habe. Du sollst dich auch selbst in dieser Sache anstrengen, wenn du von dieser Anklage gereinigt werden willst."

Sie sagte, dagegen hätte sie nichts. Damit trennten sie sich.

Darauf war Thorstein ständig bei den Wäringern, und man glaubt, daß er äch bei Harald Sigurdarson Rat geholt habe; denn man meint, daß er und Spes nicht so gut davon gekommen wären, wenn sie ihn nicht für ihre Sache gewonnen und seine Klugheit genossen hätten. Einige Zeit darauf gab Sigurd vor, daß er in einigen Geschäften verreisen müßte. Seine Frau suchte nicht, ihn davon abzuhalten. Und als er fort war, kam Thorstein zu Spes, und sie waren beide zusammen. Ihr Anwesen war so angelegt. daß es über dem Meere gebaut war, und es waren einige Gebäude, unter die das Meer heraufreichte . Dort hielten sich Thorstein und Spes gewöhnlich auf. Es war eine kleine Falltür im Fußboden, die keiner außer den beiden kannte. Sie sollte offen stehen, für den Fall, daß man sie schnell gebrauchen müßte.

Nun ist von dem Gatten zu sagen, daß er keineswegs abreiste, sondern er versteckte sich und wollte ausspähen, was seine Frau treibe. Es kam auch so, daß eines Abends, als sie es gar nicht vermuteten und in der Stube über dem Meere saßen und sich vergnügten, der Gatte unerwartet kam; er hatte viele Leute bei sich, und er führte einige nach dem Fenster; das im Hause war, und hieß sie sehen, ob es nicht an dem wäre, wie er gesagt hätte. Alle sagten, daß er recht berichtet hätte, und so würde es auch früher gewesen sein. Sie stürmten nun nach der Stube hinauf.

Und als sie den Lärm hörten, sprach sie zu Thorstein: "Hier mußt du herunter, was es auch kostet! Gib mir ein Zeichen, wenn du aus den Häusern entwischt bist."



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Er sagte Ja" und stürzte sich sogleich durch den Fußboden, herab, die Hausfrau stieß mit dem Fuße gegen die Falltür. Sie klappte nieder. und man konnte sie am Fußboden überhaupt nicht wahrnehmen. Nun kam Sigurd und seine Leute. Sie suchten überall und fanden nichts, wie zu erwarten war, Das Zimmer war ganz leer, denn es war nichts darin außer dem glatten Fußboden und einigen Bänken. Die Hausfrau saß da und spielte mit ihren Ringen. Sie kümmerte äch gar nicht um sie und tat, als ob es sie nichts anginge. Sigurd fand es höchst lächerlich und fragte seine Begleiter, ob sie nicht den Mann drinnen gesehen hätten. Sie versicherten-sie hätten ihn gesehen.

Da sprach die Frau: "Hier kann man auch mit dem alten Sprichworte sagen ,aller guten Dinge sind drei'. So ist es mit dir, Sigurd! Dreimal hast du mir Unrecht getan, wie mir scheint. Bist du jetzt etwa klüger als zuvor

"Ich bin es jetzt nicht allein," sagte ihr Mann, "der gegen dich zeugt. Du sollst für all das den Unschuldsbeweis antreten, denn ich will diese Schande durchaus nicht ungebüßt lassen."

"Ich glaube," antwortete die Hausbau, "du forderst das, was ich freiwillig anbiete; denn mit Freude will ich mich von dieser Anschuldigung reinigen; sie ist so an die Luft gekommen. daß es mir zu großer Unehre gereichen würde, wenn ich sie nicht zurückwiese."

"Ebenso sollst du beweisen," sagte Sigurd, "daß du mein Geld und meine Kleinodien nicht fortgegeben hast."

Sie antwortete: "Zu derselben Zeit, wo ich mich von der einen Anklage befreie, reinige ich mich auch von den andern, die du gegen mich erhoben hast. Aber bedenke, wie das enden wird! Ich gehe gleich morgen zum Bischof. und er soll mir den vollen Unschuldsbeweis für diese Anschuldigung bestimmen!"

Sigurd war damit zufrieden und ging mit seinen Leuten fort-Nun ist von Thorstein zu sagen, daß er unter den Häusern vorschwamm, und er ging an Land, wo es ihm gefiel, nahm ein brennendes Holzscheit und hielt es hoch, so daß man es in dem Hause der Spes sehen konnte. Sie war lange am Abend und in der Nacht draußen, denn sie wollte wissen, ob Thor



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stein an Land gekommen wäre. Und als sie das Feuer sah, glaubte sie zu wissen, daß er an Land gekommen wäre, denn sie hatten das miteinander abgemacht. Am nächsten Morgen sagte Spes ihrem Manne, sie sollten vor dem Bischof über ihre Angelegenheit sprechen, und er war ganz damit einverstanden. Sie kamen vor den Bischof und Sigurd brachte alle die früher erwähnten Anschuldigungen gegen seine Frau vor. Der Bischof fragte, ob sie früher wegen solcher Dinge angeklagt gewesen wäre; aber keiner sagte, dergleichen gehört zu haben. Da fragte er, was Sigurd für Beweise gegen sie anführen könnte. Er führte die Männer vor, die sie hinter verschlossener Tür hatten sitzen sehen, und ein Mann war bei ihr; und daraus schloß er, daß der Mann sie verführen wollte. Der Bischof sagte, daß sie sich wohl von dieser Anklage reinigen könnte, wenn sie wollte. Sie erklärte sich gern dazu bereit: "Ich zweifle nicht," sagte Spes, "daß ich Frauen genug finde, die mir die Wahrhaftigkeit meines Zeugnisses eidlich bestätigen werden.

Die Eidesformel wurde ihr mitgeteilt und der Tag festgesetzt, wo der Eid abgelegt werden sollte. Darauf ging sie heim und war ganz zufrieden. Thorstein und Spes trafen sich und berieten sich.


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