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Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


86. Grettir wird gerächt

Thorstein Dromund war ein mächtiger und angesehener Mann. Er erfuhr nun, daß Thorbjörn außer Landes gegangen und nach Miklagard gereist war. Er brach schleunig auf und übergab seine Ländereien seinen Verwandten zur Bewirtschaftung ; er machte sich fertig zur Reise, verfolgte Thorbjörns Spuren und reiste immer ihm nach, wohin jener vor ihm her reiste. Thorbjörn wußte nichts von seiner Fahrt. Thorstein kam nach Miklagard ein wenig später als Thorbjörn und wollte ihn bei der ersten besten Gelegenheit erschlagen aber keiner kannte den andern.

Sie nahmen beide Dienste unter den Wäringern 1 und wurden wohl aufgenommen. sobald man erfuhr, daß sie Nordleute waren. Damals war Mikael Katalak König über Miklagard . Thorstein gab beständig acht darauf, ob er nicht Thorbjörn an irgend etwas erkennen könnte; das gelang ihm aber nicht wegen der vielen Leute. Er lag immer wach und war

Als Denkmal ihres Aufentyaltes im byzantinischen Reiche haben " die beitragenden Barbaren aus Thule" die Runenschriften am Löwen vom Peiraieus hinterlassen (jetzt im Arsenal zu Venedig): vermutlich sind diese Inschriften von schwedischen Warägern zu Ehren eines in den griechischen Gewässern gefallenen Häuptltngs eingehauen.



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gar nicht zufrieden mit seinem Lose. So groß dünkte ihn der verlust; den er erlitten hatte.

Es traf sich nun, daß die Wäringer in den Krieg ziehen und das Land gegen Verwüstung schützen sollten. Und ehe sie von Hause fortzogen, war es auch Brauch und Sitte bei ihnen, daß ein Waffenthing 1 abgehalten wurde, und so taten sie auch jetzt. Und wenn ein Waffenthing angesetzt worden war; so mussten alle Wäringer zur Stelle sein und ebenso die, die mit ihnen in den Krieg zogen, und ihre Waffe vorzeigen. Dahin kamen auch die beiden, Thorstein und Thorbjörn. Thorbjörn trat zuerst mit seiner Waffe vor. Er hatte das Schwert Grettisnaut. Als er vorzeigte, wunderten sich viele höchlichst und sagten, das wäre eine ganz ausgezeichnete Waffe, aber es wäre ein großer Makel, daß die Scharte mitten auf der Schneide wäre; und sie fragten, wie das zugegangen wäre.

Thorbjörn sagte, das wäre wohl erzählenswert. "Denn das sollt ihr wissen, daß ich draußen auf Island", so erzählte er, "den Kämpen erschlug, der Grettir der Starke hieß, der dort der größte Held und mutigste Mann gewesen ist, denn keiner konnte ihn überwältigen, bis ich dazu kam. Und weil es mir vom Schicksal bestimmt war; ihn zu töten, so erschlug ich ihn, obwohl er viele Male stärker war als ich. Ich schlug ihm mit dem Schwerte in den Kopf, und davon brach die Scharte in der Schneide."

Die zunächst standen, sagten, der Mann müßte einen harten Schädel gehabt haben, und einer zeigte dem andern das Schwert. Daraus glaubte Thorstein den Schluß ziehen zu dürfen, wer Thorbjörn war; er bai, das Schweri sehen zu dürfen wie die andern. Thorbjörn hatte nichts dagegen, denn die meisten rühmten seinen Mut und seine Tapferkeit. Er dachte, dieser Mann würde es ebenfalls tun, denn er ahnte nicht, daß Thorstein oder ein Verwandter Grettirs da wäre. Thorstein nahm das Schwert, schwang es sogleich und schlug nach Thorbjörn. Der Hieb traf den Kopf und war so wuchtig, daß das Schwert bis in die Backenzähne drang; Thorbjörn Öngul fiel tot zu Baden. Stumm standen die männer da. Der



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kaiserliche Stadtvogt ließ sogleich Thorstein festnehmen und fragte, warum ereine so ungehörige Tat begangen hätte, zumal am heiligen Thing. Thorstein erwiderte, er wäre der Bruder Grettirs des Starken, und fügte hinzu, er hätte erst jetzt Gelegenheit finden können, seine Rache zu vollziehen. Manche meinten, es wäre eine Tat, die sich entschuldigen ließe, da Thorstein so weit in der Welt umhergereist wäre, um ihn zu rächen. Diese Aussage schien auch den Ratsherren der Stadt glaubhaft; aber es war keiner da, der für Thorstein Zeugnis ablegen konnte, und das Gesetz bestimmte, daß jeder, dor einen Menschen tötete, sein Leben verwirkt hätte. Thorstein wurde schnell abgeurteilt , und zwar streng: er sollte in einer dunklen Stube im Gefängnis sitzen und dort den Tod erwarten, wenn ihn niemand mit Geld auslöste. Als Thorstein in das Gefängnis kam, war da bereits ein Mann; er hatte schon lange gesessen und war fast tot vor Elend. Es stank, und es war kalt.

Thorstein sprach zu diesem Manne "Wie gefällt dir das Leben hier:"

Der andere antwortete: "Sehr schlecht, denn mir wird niemand helfen, und ich habe keine Verwandte, die mich auslösen."

Thorstein sprach: "Es gibt mehr als ein Mittel gegen Mißgeschick! Laß uns lustig sein und uns mit irgend etwas vergnügen "

Der andere sagte, er hätte an nichts mehr Freude.

"Wir wollen es doch versuchen" sagte Thorstein.

Er begann und sang ein Lied. Er hatte eine schöne Stimme, so daß man kaum ihresgleichen fand. Er schonte sie nicht. Eine verkehrsreiche Straße führte dicht am Gefängnis vorüber. Thorstein sang so laut, daß es in den Mauern schallte, und den andern, der vorher halbtot war, dünkte es eine gute Unterhaltung. So sang Thorstein bis zum Abend.


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