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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


82 .Grettirs letzter Kampf

Von Grettir ist nun zu erzählen, daß er so krank war, daß er kaum auf den Füßen stehen konnte. Jllugi wachte über ihm, und Glaum sollte aufpassen. Er brummte immer und sagte, sie glaubten ständig, den Tod vor Augen zu haben, obwohl doch nichts geschehen wäre. Er ging nur höchst widerwillig aus der Hütte. Und als er an die Leiter kam, dachte er hei sich, er walle sie nicht in die Höbe ziehen. Er wurde schläfrig, legte sich hin und schlief den ganzen Tag, bis Thorbjörn nach der Insel kam. Sie bemerkten sogleich, daß die Leiter nicht in die Höhe gezogen waren.

Da sprach Thorbjörn: Irgendeine veränderung muß hier vorgekommen sein, da niemand zu sehen ist, und die Leiter liegt gleichwohl am Vodern Kann sein, daß sich größere Dinge auf uns Reise begeben, als wir anfangs angenommen haben. Nun wollen wir nach der Hütte hinaufgehen und tapfer zu Werke gehen. Das wissen wir gewiß, daß wir alle unsere Kräfte anspannen müssen, wenn sie gesund sind."

Sie gingen die Insel entlang und blickten sich um und sahen nahe beim Aufgang einen Mann liegen, der laut schnarchte. Thorbjörn kannte Glaum, ging zu ihm, schlug ihm mit dem



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Schwertgriffe ans Ohr und befahl dem Kerl aufzustehen: "Der ist in Wahrheit schlecht bestellt, der dir sein Leben anvertraut"

Glaum sah auf und sprach: "Nun wollen sie mich weiter so schlecht behandeln wie gewöhnlich; oder glaubt ihr, ich habe es allzu gut, wenn ich bier in der Kälte liege:"

Thorbjörn sprach: "Bist du blödsinnig Merkst du nicht, daß eure Feinde gekommen sind und euch alle töten wollen:

Glaum schwieg, dann brüllte er los, so laut er konnte, als er die Männer erkannte.

"Nun hältst du entweder", sprach Thorbjörn," dein Maul und beschreibst uns die Einrichtung der Hütte, oder ich schlage dich tot

Und sogleich schwieg er, wie wenn er unter Wasser gehalten würde.

Thorbjörn Sagte: "Sind die Brüder in ihrer Hütte: Warum sind sie nicht tätig

"Das ist nicht so leicht," sagte Glaum. "Denn Grettir ist krank und dem Tode nah, und Jllugi wacht über ihm."

Thorbjörn Sagte nach Grettirs Gesundheitszustande, und wie es zugegangen wäre; und Glaum erzählte, wie es mit Grettirs Wunde stünde.

Da lachte Thorbjörn und sprach: "Wahr ist das alte Sprichwort: ,alte Freunde zeigen sich zuletzt unzuverlässig', und das andere: ,übel ist es, einen Knecht zum Freunde zu haben', wie du einer bist, Glaum! Schändlich hast du deinen Herrn betrogen , wenn er auch nicht gut ist."

viele ließen ihn harte Worte hören wegen seiner Unzuverlässigkeit , sie prügelten ihn halbtot und ließen ihn da liegen; dann gingen sie nach der Hütte hinauf und klopften fest gegen die Tür.

"Da sprach Jllugi: "Graubauch 1 stößt gegen die Tür, lieber Bruder." Und er stößt ziemlich kräftig," antwortete Grettir. In diesem Augenblicke ging die Tür in Stücke. Jllugi sprang nach seinen Waffen und verteidigte die Tür; so daß sie nicht hinein konnten. Sie kämpften lange; aber sie konnten keine



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andern Waffen gebrauchen als Spieße, die schlug Jllugi alle von den Schäften ab. Und als sie sahen, daß sie so nichts ausrichteten , sprangen sie auf die Hütte und rissen das Dach ab. Da richtete sich Grettir auf die Füße, ergriff einen Speer und stach damit durch die Dachbalken. Da stand gerade Kar, der Knecht Halldors von Hof, und er wurde sogleich durchbohrt. Thorbjörn gebot ihnen vorsichtig zu sein und gut aufzupassen: "Denn wir können sie überwältigen, wenn wir mit Überlegung zu Werke gehen."

Sie brachen nun das Dach an den Balkenenden ab und stemmten sich mit aller Kraft gegen den Balken, bis er entzwei brach. Grettir lag auf den Knien und konnte sich nicht erbeben. Er ergriff das Schwert Karsnaut. In demselben Augenblicke sprangen sie in die Hütte hinab, und nun entstand ein heftiger Kampf. Grettir schlug mit dem Schwerte nach Vikar, einem aus dem Gefolge des Hjalti Thordarson, und traf ihn an der linken Schulter, gerade als er in die Hütte sprang; er zerschnitt ihm schräg die Schulter bis zur rechten Hand, spaltete den Mann so in zwei Teile, und der Körper stürzte in zwei Stücken auf Grettir. Darum konnte er sein Schweri nicht so schnell schwingen wie er wollte, und inzwischen stach ihn Thorbjörn mitten durch die Schultern, und das war eine tiefe Wunde.

Da sprach Grettir:"Bloß ist jeder im Rücken, der keinen Bruder hat." Jllugi warf einen Schild über ibn und verteidigte ihn tapfer, daß alle seine Tapferkeit rühmten.

Grettir sprach zu Thorbjörn Wer wies euch den Weg hierher nach der Insel:"

Thorbjörn antwortete: "Christus wies uns den Weg."

"Ich glaube," sagte Grettir, "daß es die elende Alte, deine Ziehmutter, war, die euch gewiesen hat, denn auf ihren Rat vertraust du."

"Es kommt für euch auf eins heraus," antwortete Thorbjörn, "auf wen wir vertrauen."

Sie griffen heftig an; Jllugi verteidigte sie beide tapfer; aber Grettir war völlig kampfunfähig wegen seiner Wunde und wegen seiner Krankheit.

Thorbjörn befahl, Jllugi zwischen die Schilde zu klemmen.



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"Denn ich habe niemals einen seinesgleichen gefunden, selbst nicht unter älteren Kämpfern."

Sie taten so und drängten ihn so mit Balken und Waffen, daß er sich nicht mehr wehren konnte. Endlich bekamen sie ihn in ihre Gewalt und hielten ihn fest. Den meisten, die an diesem Angriffe beteiligt waren, hatte er eine Wunde beigebracht und drei aus Thorbjörns Gefolge getötet. Darauf gingen sie zu Grettir. Er war vornüber gefallen. Widerstand leistete er nicht mehr; denn er war schon dem Tode nahe durch die Wunde am Fuße; das gange Bein bis zu den Weichen war in Eiter übergegangen und erpressen. Sie versetzten ihm viele Wunden, aber sie bluteten wenig oder gar nicht. Da sie dachten, er wäre tot, griff Thorbjörn nach dem Schwert und sagte, er hätte es lange genug getragen. Aber Grettir hielt den Griff fest umklammert , und seine Finger ließen nicht los. Viele traten hinzu, aber sie richteten nichts aus. Zuletzt packten acht Mann zu, aber vergebens.

Da sprach Thorbjörn: "Warum sollen wir dem Waldmann Schonung zeigen: Legt die Hand über einen Balken!'

Und als das getan war, hieben sie ihm die Hand am Gelenk ab. Da streckten sich die Finger aus und ließen den Griff los. Thorbjörn nahm das Schwert mit beiden Fäusten und schlug es in Grettirs Kopf. Es war ein so gewaltiger Hieb, daß das Schwert es nicht aushielt und ein Stück von der Schneide abbrach- Und als sie das sahen, Sagten sie, warum ereine so kostbare Waffe verdürbe.

Thorbjörn antwortete: "So ist sie leichter zu erkennen, wenn nach ihr gefragt wird."

Sie sagten, es wäre nicht nötig, denn der Mann wäre bereits tot

"Doch soll er noch mehr haben!" sagte Thorbjörn.

Darauf schlug er zwei oder drei Hiebe nach Grettirs Hals, ehe der Kopf vom Körper getrennt wurde.

"Nun weiß ich bestimmt, daß Grettir tot ist: Wir haben einen gewaltigen Helden getötet!"rief Thorbjörn."Wir wollen seinen Kopf mit uns in das Land nehmen, denn ich will nicht das Geld verlieren, das auf seinen Kopf als Preis gesetzt ist; dann können sie nicht leugnen, daß ich Grettir getötet habe."



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Sie überließen ihm die Entscheidung, aber es gefiel ihnen nicht recht, weil alle meinten, er hätte sich wenig ehrenhaft benommen .

Dann sprach Thorbjörn zu Jllugi: "Großer Schade ist es um einen so tapfern Jüngling, wie du bist, daß du so unverständig gewesen bist, an den bösen Taten dieses Achters teilzunehmen und dich dem auszusetzen, daß du getötet wirst, und daß dich keine Buße gezahlt wird."

Jllugi antwortete: "Wenn das Allthing im Sommer vorbei ist, dann weißt du, wer friedlos erklärt wird. Weder du noch die Alte, deine Ziehmutter, werden in dieser Sache richten, denn eure Zauber- und Hexenkünste haben Grettir getötet, und zu der Hexerei habt ihr die größte Neidingstat hinzugefügt, indem ihr das Schwert gegen den dem Tode nahen Mann gezückt habt."

Thorbjörn sprach: "Mannhaft redest du, aber es ist nicht so, wie du sagst. Doch will ich zeigen, daß mir deine Tapferkeit gefällt. Ich will dir dein Leben schenken, wenn du uns schwören willst, das du an keinem von denen, die an dieser Fahrt teilgenommen haben, Rache nehmen wirst."

Jllugi antwortete: "Es wäre erwägenswert, wenn Grettir imstande gewesen wäre, sich zu verteidigen, und wenn ihr ihm im ehrlichen, tapferen Kampfe besiegt hättet. Aber es kann niemals geschehen, daß ich das tue, um mein Leben zu behalten, wodurch ich ein ebenso großer Feigling würde wie du. Das sage ich euch gleich, daß keiner euch verderblicher ist als ich, wenn ich am Leben bleibe. Denn niemals wird mir aus dem Gedächtnis schwinden, wie ihr Grettir überwältigt habt. viel lieber will ich sterben!'

Da besprach sich Thorbjörn mit seinen Begleitern, ob sie Jllugi leben lassen wollten oder nicht. Sie überließen ihm die Entscheidung , weil er der Führer der Fahrt gewesen war. Thorbjörn erklärte, er wolle nicht vor dem Manne in fortwährender Gefahr schweben, der keinen Treueid leisten wollte. Und als Jllugi merkte, daß sie beabsichtigten, ihn zu erschlagen, da lachte er und sprach: "Jetzt habt ihr beschlossen, was am meisten nach meinem Sinne ist!"



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Als es hell wurde, führten ihn auf die Ostseite 1 der Insel und hieben ihm den Hals ab; alle rühmten seine Tapferkeit, und alle glaubten, daß er ungleich seinen Altersgenossen wäre. Dann errichteten sie einen Steinhaufen über beiden Brüdern dort auf der Insel, aber Grettirs Kopf nahmen sie mit sich und alles, was Geldwert hatte an Waffen und Kleidern. Das gute Schwert ließ Throrbjörn nicht mit zur Teilung kommen, das trug er selbst seitdem beständig. Glaum nahmen sie auch mit, und er benahm sich recht unrühmlich. Der Sturm hatte sich sogleich während der Nacht gelegt. Sie ruderten am Morgen nach dem Festlande. Thorbjörn ließ sich da an Land setzen, wo es ihm am bequemsten war, aber das Boot schickte er zu Björn. Als sie in die Nähe des Hofes Ösland kamen, benahm sich Glaum so ungebührlich, daß sie keine Lust hatten, ihn weiter mit sich zu schleppen; sie töteten ihn dort, und er schrie laut, als sie ihn enthaupteten. Thorbjörn begab sich heim nach Vidvik und wähnte, große Ehre bei dieser Fahrt gewonnen zu haben. Grettirs Kopf legten sie in Salz und bewahrten ihn da in vidvik in einem Utibur d. h. Außenhause, das Grettisbur genannt wurde. Dort lag er während des Winters.

Thorbjörn wurde sehr gescholten wegen dieser Taten, sobald die Leute erfuhren, daß Grettir mit Hilfe von Zauberei erschlagen worden war. Thorbjörn verhielt sich ruhig bis nach Weihnachten. Dann ritt er zu Thorir nach Gardr und meldete ihm diesen Totschlag und fügte hinzu, daß er ein Anrecht auf das Geld zu haben glaubte, das als Preis auf Grettirs Kopf ausgesetzt wäre.

Thorir antwortete, das er nicht leugnen könnte, daß er Grettirs Friedlosigkeit erwirkt hätte: "Denn ich habe oft Schweres durch ihn erlitten; aber um ihn zu töten, würde ich niemals eine verabscheuenswerte Tat begehen, wie du getan hast. Um so weniger werde ich dir das Geld erlegen, als ich dich für todeswürdig halte wegen deiner Zauberei und Hexerei."

Thorbjörn antwortete: "Mehr glaube ich, trifft dich der Vorwurf des Geizes und Kargheit, als daß dir ansteht, danach



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zu Sagen, auf welche Weise Grettir ums Leben gekommen."

Thorir sagte, das einfachste wäre es, sie warteten bis um Allthing, und so sollte es sein, wie der Gesetzessprecher für Recht befände. Sie schieden so, daß es zwischen Thorir und Thorbjörn übel stand.


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