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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


69. Grettirs Abschied von der mutter

Kurz nach der Trennung von Thorodd ritt Grettir nordwärts nach Bjarg und hielt sich dort eine Weile verborgen . Es war so weit mit seiner Furcht vor der Finsternis gekommen, daß er nicht wagte, irgendwohin zu gehen, sobald es zu dunkeln anfing. Seine Mutter bat ihn, da zu bleiben; es wäre freilich leicht zu sehen, fügte sie hinzu, daß es ihm nicht viel helfen würde, so viele Feinde wie er jetzt im ganzen Lande hätte.

Grettir erwiderte, sie solle seinetwegen keinen Kummer haben: "Aber wenn es auch mein Leben kostet, ich kann es nicht länger aushalten, allein zu sein."

Sein Bruder Jllugi war damals fünfzehn Jahr alt und ein tüchtiger Bursch. Er war bei dieser Unterredung zugegen. Grettir erzählte seiner Mutter, wozu Gudmund der Mächtige ihm geraten hätte und sagte, er würde versuchen, nach Drangey zu kommen. Aber er erklärte; er könnte dort nicht sein, wenn er nicht einen treuen Menschen bekäme, der bei ihm bliebe.

Da sprach Illuge"Ich will mit dir dahin geben, lieber Bruder ! swar kann ich dir nicht von großem Nutzen sein, aber das weis ich, daß ich dir treu bin und dich nicht im Stiche lasse, solange du am Leben bist; um so besser weiß ich, wie es dir geht, wenn ich bei dir bin."

Grettir antwortete: "Du bist der Mann, über den ich am meisten Freude empfinde, und ging es dem Herzen meiner Mutter nicht zu nahe, wünschte ich gebr, daß du mit mir gingst."

Asdis sagte: "Nun ist es dahin gekommen, daß ich die Wahl habe zwischen zwei unangenehmen Dingen: Hart kommt es mich an, Jllugi zu entbehren, aber ich weiß, daß ein so großer Fluch 1 auf Grettir liegt, daß irgend etwas mit ihm geschehen muß. Aber obwohl es mir schwer fällt, für immer von meinen 1 Namlich der Fluch, den Slam über Grettir ausgesprochen hat.



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beiden Söhnen zu scheiden, so will ich es doch auf mich nehmen, wenn es besser für Grettir ist."

Darüber wurde Jllugi froh, denn er hatte große Lust mit Grettir zu gehen. Sie gab ihnen reichlich Geld. Darauf machten sie sich reisefertig.

Die Hausfrau begleitete sie ein Stückchen Weg vom Hofe, und als sie Abschied nahmen, sprach sie so: "Nun fahrt ihr dahin, meine beiden Söhne, und ihr werdet gemeinsam den Tod finden; und niemand vermag dem zu entrinnen, was ibm verhängt ist. Keinen von euch beiden werde ich wiedersehen. Dasselbe Los treffe euch beide! Ich weiß nicht, welches Glück ihr da auf Dranges sucht, aber dort werdet ihr euer Haupt niederlegen, und viele werden euch dort den Aufenthalt verwehren. Hütet euch wohl vor Verrat: Aber den Waffentod werdet ihr sterben, und wunderlich sind mir die Träume gekommen. Hütet euch wohl vor Hexenkünsten! Wenig ist stärker als Zauberei." Als sie das gesagt hatte, weinte sie bitterlich.

Grettir sprach:"Weine nicht; liebe Mutter! Das soll man sagen, daß du Söhne gehabt hast und nicht Töchter, wenn wir mit Waffen angegriffen werden; und nun lebe wohl!"

Darauf schieden sie. Die Brüder reisten nordwärts und besuchten ihre verwandten. Und damit ging der Herbst zu Ende, und es wurde Winter. Sie begaben sich über Vatnsskard, Reykjaskard und Sämundarhlid und Langholt nach dem Skagafjördr. Sie kamen nach dem Hofe Glaumbör d .h."Lärmhof" eines Tages gegen Abend. Grettir hatte die Kappe seines Mantels auf die Schultern fallen lassen; das machte er stets, wie auch das Wetter war. Sie gingen weiter, und als sie sich ein Stück Weges vom Hof entfernt hatten, begegnete ihnen ein Mann; der hatte einen großen Kopf, war lang aufgeschossen und hager, und ziemlich dürftig gekleidet. Er grüßte sie, und sie Sagten einander nach dem Namen. Die Brüder nannten ihren Namen, und er sagte, er hieße Thorbjörn. Er war ein Hagestolz und ein Stromer und ein großer Prahlhans, und die meisten hatten ihren Spaß mit ihm. Er tat so, als ob sie alte Bekannte wären und wußte ihnen viel über die Leute des Bezirks zu erzählen. Grettir hatte seinen Spaß an ihm. Er Sagte, ob sie nicht einen Menschen brauchen



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könnten, der für sie arbeitete. "Ich möchte gern mit euch gehen," schloß er.

Endlich überredete er sie, daß sie ihn mit sich nahmen. Das Wetter war kalt, und es schneite tüchtig. Weil aber dieser Mann ein Possenreißer und großer Schwätzer war; hatte er einen Spitznamen bekommen und wurde Glaum d. b. Lärm genannt.

"Die Leute auf Glaumbör wunderten sich nicht wenig darüber, daß du ohne Kapuze bei diesem Unwetter gingst", sagte Glaum, "und dachten, ob du ebenso mutig und tapfer wärest wie unempfindlich gegen Kälte. Da waren zwei von den Söhnen des Bauern, ein paar stramme Kerle, die der Schafhirt aufforderte; ihm beim Einsammeln der Schafe zu helfen, aber die konnten kaum genug Kleider anbekommen, so erforen waren sie."

Grettir sprach: "Ich sah einen jungen Mann im Hausflur, der zog sich wollene Handschuhe an, und der andere ging zwischen Kuhstall und Misthaufen, 1 und vor keinem von den beiden brauche ich bange zu sein."

Darauf zogen sie ihre Straße weiter bis Reynines und blieben dort die Nacht. Von da reisten sie die Rüste entlang, bis sie den Hof Reykir erreichten; dari wohnte ein Mann namens Thorvald, ein guter Bauer. Grettir bat ibn, ihm zu helfen und erzählte ihm, daß er beabsichtigte nach Dranges zu ziehen. Der Bauer sagte, die Leute des Skagafjördr würden kaum meinen, das es ein guter Freund wäre, den sie so nah bekommen hätten. und machte Ausflüchte. Grettir nahm einen Beutel mit Geld, den ibm die Mutter gegeben hatte, und reichte ihn dem Bauern. Da glättete er die gerunzelten Augenbrauen und ließ sie von drei Knechten während der Nacht bei Mondschein übersetzen. von dem Hofe Reykir ist nur eine kurze Strecke bis zur Insel, eine Seemeile.

Als sie nach der Insel kamen, schien es Grettir, daß gui aussähe, denn sie war mit Gras bewachsen und fiel steil in das Meer hinab, so daß man sie unmöglich besteigen konnte, ausgenommen da, wo die Leitern waren. Und wenn man die oberste Leiter in die Höhe zog, stand es in keines Menschen Macht, auf die Insel zu kommen. Die Insel war auch ein großer Vogelberg während



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des Sommers. Auf der Insel weideten achtzig Schafe, die den Bauern gehörten; es waren meist Widder und Mutterschafe, die man zum Schlachten für den Herbst bestimmt hatte. Hier setzte sich Grettir zur Ruhe. Er hatte damals fünfzehn oder sechszehn Jahre als Achter gelebt, wie Sturla Thordarson 1 gesagt hat.


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