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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


56. Grettir tötet einen andern falschen Kameraden

Thorir in Gardr erfuhr nun, wo Grettir sich aufhielt, und überlegte, wie er es anstellte, daß Grettir getötet würde. Ein Mann hieß Thorir Raudskegg, d. h. Rotbart, ein sehr starker Mann und berühmter Totschläger, und deshalb war er friedlos erklärt worden über das ganze Land. Ihm sandte Thorir in Gardr Botschaft. Und als sie sich trafen, forderte er den Rotbart auf, in seinem Dienste ;u reisen Grettir den den Starken Starken zu zu erschlagen. Der Rotbart sagte, das wäre keine leichte Arbeit; er meinte, Grettir wäre ein kluger und vorsichtiger Mann. Thorir bai ihn, es zu versuchen. Das wäre eine kühne Tat für einen Helden, wie du bist; aber ich will dich von deiner Friedlosigkeit befreien und dir dazu genug Geld geben."

Der Rotbart ging darauf ein. Thorir sagte ihm, wie er es machen sollte, um Grettir zu erschlagen. Darauf ging der Rotbart zuerst nach dem Ostlande, denn so glaubte er jedes Mißtrauen gegen seine Reise zu beseitigen. Er kam nach der Arnarvamsheidi, als Grettir dort einen Winter gewesen war. Als Grettir und der Rotbart sich getroffen hatten, bat er Grettir um Aufnahme.

Er antwortete: Ich habe keine Lust dazu, daß noch mehrere in derselben Weise ihr Spiel mit mir treiben, wie der, der im letzten Herbste hierher kam; er war sehr einschmeichelnd, aber sobald ereine kleine Weile hier gewesen war, trachtete er mir nach dem Leben. Ich will nicht öfter mein Leben aufs Spiel setzen, indem ich Waldmänner ausnehme.

Thorir antwortete: "Du bist vollauf entschuldigt, wenn du den Waldmännern mißtraust. Von mir wirst du manche Mordgeschichte und Ungebühr gehört haben, aber niemals solche Untat, daß ich meinen Herrn verraten hätte. Böse ist es für den, dem es böse geht, daß der eine dem andern nicht traut. Niemals



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wäre ich hierher gekommen, wenn ich anderswo ein besseres Los zu erwarten hätte. Aber ich glaube nicht, daß wir aufgeschmissen sind, wenn wir uns gegenseitig helfen. Nun kannst du mich erst auf die Probe stellen und sehen, wie du mit mir auskommst; laß mich wieder weggehen, wenn du den geringsten Grund findest, mir nicht zu trauen."

Grettir antwortete: "So will ich einen versuch mit dir machen; aber du sollst dies wissen, daß, wenn du mir die geringste veranlassung zum Mißtrauen gibst, es dein Tod wird."

Thorir war damit einverstanden. Grettir nahm ihn auf und merkte, daß er die Kraft von zwei Männern hatte für alles, was er anfaßte. Er war willig zu allem, wozu Grettir ihn schickte. Grettir brauchte selbst nicht das geringste zu tun, und niemals hatte er vorher ein so behagliches Leben geführt, seit er geächtet worden war; aber er nahm sich doch stets in acht, so daß Thorir keine Gelegenheit fand, ihn zu überfallen. Thorir Rotbart war zwei Winter bei Grettir auf dem Hochgebirge. Nun wurde es ibm allmählich langweilig, auf der Heide zu sein. Er sann daraus wie er irgend etwas ausfindig machen könnte, worauf Grettir nicht vorbereitet wäre. Eines Nachts im Frühjahr kam, während sie schliefen, ein großer Sturm. Grettir wachte auf und fragte, wo ihr Boot wäre. Thortr sprang auf, lief nach dem Boot und schlug es ganz in Stücke, aber die Trümmer streute er rings umher, so daß es aussah, als ob der Sturm das Boot entzwei geschlagen hätte. Darauf ging er in die Hütte und sagte laut: "Uns ist es nicht gut ergangen, mein Freund!" sagte er. "Unser Boot ist zertrümmert, und die Netze liegen weit draußen im Wasser."

"Hol sie selbst!' sagte Grettir. "Denn mich dünkt, daß du allein daran schuld bist, daß das Boot zerbrochen ist.

Thorir antwortete: "Diese Kunst ist die einzige, die ich nicht verstehe, nämlich die Schwimmkunst; in allen andern Dingen kann ich es mit jedem gewöhnlichen Menschen aufnehmen. Du weißt selbst, daß ich niemals deine Hilfe eine Arbeit beansprucht habe, seitdem ich zu dir gekommen bin. Und ich würde es auch jetzt nicht getan haben, wenn ich selbst imstande wäre, es zu tun.



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Grettir stand auf, nahm seine Waffen und ging hinab an den See. Dort war der Zustand der Art, daß eine Landzunge hinaus in den See ging, und auf der andern Seite der Landzunge war eine Bucht. Der See war tief am Rande.

Grettir sprach: "Schwimm hinaus nach den Netzen und laß mich sehen, wozu du taugst."

"Ich habe dir schon vorher gesagt, antwortete Thorir "daß ich nicht schwimmen kann; und ich weiß nicht. wo nun dein Mut und deine Kühnheit geblieben ist.

"Haben muß ich die Netze," sagte Grettir. "Aber betrug mich nicht, wenn ich dir jetzt traue."

Thorir antwortete: "Trau mir doch nicht solche Niedertracht und Gemeinheit zu!"

Grettir sprach: "Du mußt selbst zeigen, wer du bist."

Darauf legte er seine Kleider und Waffen ab und schwamm hinaus nach den Netzen. Er rollte sie zusammen, schwamm an Land und warf sie an das Ufer. Und als er an Land gehen wollte, ergriff Thorir das Schwert und zog es schnell. Er sprang dann schnell auf Grettir los, als er den Fuß ans Ufer setzte; und schlug nach ibm. Grettir warf sich rücklings ins Wasser und ging unter wie ein Stein. Thorir blickte auf das Wasser hinaus und wollte ihn verhindern an Land zu kommen, wenn er wieder auftauchte. Aber Grettir schwamm unter Wasser das Ufer entlang, so daß Thorir ihn nicht sehen konnte, bis erin die Bucht kam, hinter ihm, da ging er an Land. Davon hatte Thorir nichts bemerkt; und er gewahrte es nicht eher, als bis Grettir ihn über seinen Kopf gehoben und so heftig zu Boden geschmettert hatte, daß ihm das Schwert aus der Hand fiel. Grettir faßte es und schlug ihm, ohne ein Wort zu sagen, das Haupt vom Rumpfe, und so endete sein Leben. Darauf wollte Grettir niemals Waldmänner bei sich aufnehmen, und doch war es ihm fast unmöglich, allein zu sein.


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