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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


52. Gettir wird gefangen genommen und wieder befreit

Als Grettir über die Thorskafjardarheidi nach dem Langadalr gekommen war, brandschatzte er das Eigentum der kleinen Bauern und raubte ihnen, was er wollte. Von einigen nahm er Waffen, von andern Kleider; sie gaben verschiedenes her, aber alle sagten, wenn er fort war, daß sie nur notgeswungen es ihm gelassen hätten. Damals wohnte im Vatnsfjördr Vermund der Schmächtige, ein Bruder des vigastyr. Er war mit Thorbjörg verheiratet, einer Tochter des Olaf Pfau, des Sohnes des Höskuld; sie wurde Thorbjörg die Dicke genannt. Damals als Grettir im Langadalr weilte, war Vermund nach dem Thing geritten. Grettir kam nach dem Hof Laugabol, da wohnte ein Mann namens Helgi. Er war einer der ansehnlichsten Bauern in dieser Gegend. von ihm bekam Grettir ein gutes Pferd. Von da ritt er nach dem Hofe Gervidalr, dort wohnte ein Mann namens Thorkel. Er war in guten verhältnissen, aber sonst kein mutiger Mann. von hier nahm sich Grettir, wonach sein Verlangen stand, und Thorkel wagte nicht Einwendungen zu machen oder Widerstand zu leisten. von da begab sich Grettir nach Eyrr und weiter diese Seite des Fjords entlang, und von allen Höfen holte er sich Essen und Kleider und behandelte die Bauern recht unsanft- die meisten fanden ihr Los unerträglich. Grettir ging mit der größten Dreistigkeit vor und dachte nicht im geringsten an seine Sicherheit. Er zog weiter, bis er nach dem Vatnsfjardardalr kam und traf dort auf eine Sennhütte. Er hielt sich hier viele Nächte auf und lag in den Wäldern und schlief dort und nahm sich gar nicht in acht. Als die Schafhirten das merkten, gingen sie nach dem Hof und sagten, ein Unhold wäre in die bewohnte Gegend gekommen, mit dem nicht gut anzubinden wäre. Da taten sich die Bauern zusammen und waren dreißig Mann. Sie hielten sich im Walde versteckt, ohne daß Grettir etwas davon wußte, und ließen die Hirten ausspähen, wann sich eine Gelegenheit böte, Grettir zu überfallen; aber sie wußten immer noch nicht richtig, wer der Mann wäre.



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Nun geschah es eines Tages, als Grettir lag und schlief, daß die Bauern ihn überfielen. Und als sie ihn sahen, berieten sie, wie sie ihn gefangen nehmen könnten, so daß sie selbst einen möglichst geringen Verlust an Menschenleben hätten, und sie bestimmten , daß zehn Mann sich auf ihn werfen und einige seine Füße binden sollten. Sie taten so und stürzten sich auf ihn, Aber Grettir schlug so mächtig um sich, daß er sie von sich abschleuderte und sich auf die Knie richtete; in demselben Augenblicke warfen sie Stricke um seine Füße. Grettir stieß zwei von ihnen so heftig gegen die Ohren, daß sie in Ohnmacht fielen. Nun sprangen die andern auf ihn zu, aber er sträubte sich heftig und lange; endlich überwältigten sie ihn doch und banden ihn. Darauf beratschlagten sie, was sie mit ihm anfangen sollten. Sie forderten Helgi von Laugabol auf, ihn zu sich zu nehmen und in Gewahrsam zu halten, bis Vermund vom Thing nach Hause käme.

Er antwortete: "Ich habe nötigere Arbeit für mein Gesinde, als ibn bewachen zu lassen; daraus wird nichts, daß ich ihn zu mir ins Haus nehme."

Da baten sie Thorkel in Gervidalr, ihn zu sich zu nehmen, sie sagten, er besäße ja genug. Thorkel erklärte, er würde das unter keinen Uniständen tun. "Denn ich und meine Frau sind ganz allein auf dem Hof, und an allen Seiten weit ab von anderen Menschen; in diesem Stricke saugt ihr mich nicht," sagte er.

"Du, Thoralf auf Eyrr," sagten sie, " nimm du Grettir zu dir und behandle ihn gut, solange das Thing währt; sonst kannst du ihn auch nach dem nächsten Hof bringen, paß nur gut auf, daß er dir nicht entwischt; liefere ihn gebunden ab, wie du ihn jetzt empfängst."

Er antwortete: "Niemals will ich Grettir aufnehmen, denn dazu habe ich weder Hab und Gut genug noch Lebensmittel. Er ist auch nicht auf meinem Grund und Boden gefangen genommen worden. Es scheint mir auch eher mit Gefahr und Beschwerde als mit Ehre verbunden zu sein, ihn zu sich zu nehmen und überhaupt etwas mit ihm zu tun zu haben; niemals soll er in mein Haus kommen!"



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So versuchten sie es bei einem Bauer nach dem andern, aber alle weigerten sich. Diese Beratung der Bauern gab veranlassung zu einem Gedichte, Greitisförsla genannt, d. h. Grettirs Transport, zu dem später spaßhafte Worte hinzugefügt worden sind, den Leuten zur Unterhaltung. Als sie darüber hin und her geredet hatten, wurden sie zum Schluß darüber einig, um nicht die Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen, einen Galgen dort im Wald zu errichten und Grettir zu hängen, und darüber jubelten sie laut.

Da sahen sie sechs Menschen das Tal heraufleiten, und einer war in einem Anzuge aus künstlich gefärbtem Stoffe. Sie vermuteten, daß es die Hausfrau Thorbjörg vom Vatnsfjördr wäre, und sie war es auch. Sie wollte nach der Sennhütte. Sie war ein Kernweib, berühmt durch ihre Klugheit; sie besorgte die Angelegenheiten des Bezirks und erledigte alle Geschäfte , wenn Vermund nicht daheim war. Sie ritt dahin, wo die versammlung war, und einer half ihr vom Pferde. Die Bauern begrüßten sie freundlich.

Sie sprach: "Was für eine Zusammenkunft habt ihr da: Wer ist der mit dem dicken Halse, der da gebunden liegt:" Grettir nannte seinen Namen und grüßte sie.

Sie antwortete: "Was hat dich dazu getrieben, Grettir," sagte sie, "mit Unfrieden gegen meine Thingleute vorzugehen:" "Man kann nicht auf alles Rücksicht nehmen; und irgendwo mußte ich sein."

"Das war ein rechtes Mißgeschick," sagte sie, "daß diese Jammerkerle dich greifen sollten Aber was hattet ihr mit ihm vor:"

Die Bauern sagten ihr, sie hätten im Sinne, ihn am Galgen wegen seiner Gewalttaten aufzuhängen.

Sie antwortete: "Kann sein, daß Grettir dies verdient hat; aber es ist nicht euereins Sache, ihr Leute vom Isafjördr, einen Grettir ums Leben zu bringen, denn er ist ein berühmter Mann aus großem Hause, mag er auch ein Unglücksmann sein. Was willst du nun tun. Grettir um dein Leben zu retten, wenn ich es dir schenke:"

Er antwortete: "Was verlangst du:"



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"Schwöre mir einen Eid, jagte sie, "daß du keine Gewalttaten verübst hier am Isaflördr! Räche dich an keinem von denen, die diesen Überfall auf dich gemacht haben!

Grettir sagte, sie hätte zu bestimmen. Darauf wurde er entfesselt . Und er hat selbst gesagt, das wäre die schwierigste Probe seiner Selbstbeherrschung gewesen, daß er die nicht durchprügelte, die sich etwas zugute taten auf ihre Tapferkeit ihm gegenüber. Thorbjörg forderte ihn auf, mit ihr nach Hause zu reiten und ließ ihm ein Pferd geben. Er ritt mit ihr nach dem Vatnsfjördr und blieb dort; bis Vermund nach Hause kam, und die Hausbau behandelte ihn gut. Sie gewann großen Ruhm dadurch in der ganzen Gegend. Vermund war wenig erbaut davon, als er nach Hause kam und fragte, warum Grettir da wäre. Thorbjörg erzählte alles, wie es Grettir mit den Leuten vom Isafjördr ergangen wäre.

Welchem Umstande hat er es zu verdanken," fragte Vermund, daß du ihm das Leben schenktest

Verschiedene Gründe waren dafür da," antwortete Thorbjörg. Erstens," sagte sie, "daß du für einen größeren Häuptling gelten wirst als Suber, da du eine Frau hast, die solches zu tun wagt. Zum Zweiten würde auch seine Verwandte Hrefna 1 gewünscht haben, daß ich ihn nicht töten ließ. Und zum Dritten ist er in mancher Beziehung ein großer Held."

"Du bist eine verständige und kluge Frau," sagte Vermund. "Hab Dank für das, was du getan hast."

Darauf sprach er zu Grettir: "Wenig hätte gefehlt, ein wie gewaltiger Kämpe du auch bist, und diese Jammerkerle hätten dich überwältigt; so geht es immer mit gewalttätigen Menschen ."

Grettir sprach da diese Weise:



***
39
In der Eisförde
Ging mir's übel,
Zu frisch war



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Des Fjordes Flut.
Die alten Ferkel
Fest mich hielten,
Wollten mich
Ins Wasser werfen.

Was wollten sie mit dir machen, Sagte Vermund, als sie dich gefangen hatten " Grettir sprach:



***
40
Sagten, so
Wie Sigar einstmals,
Als er hieß
Hagbard hängen. 1
Der Baum, der einst
Den Donnrer barg 2
Reichte mir
Der Rettung Hände.

Vermund sprach: "Glaubst du, daß sie dich gehängt hätte-, wenn sie allein darüber zu bestimmen gehabt hätten? Grettir sprach:



***
41
Wahrhaftig, sicher
Säß ich im Stricke
—Haupt und Hals
Hingen schon drin —,
Trat die tapfre
Thorbjörg nicht
Schnell dazwischen,
Den Zwist schlichtend.

Vermund nagte: "Lud sie dich zu sich ein:" Grettir antwortete:



***
42
Der Baum, der einst
Barg den Donnrer, 3
1 König Sigar ließ Hagbard, den Geliebten seiner Tochter Signy, hängen;
dasselbe drohten du Bauern mit Grettir zu tun. 2 Als der Satt Thor
einen reißenden Fluß durchwatete, rettete er sich dadurch, daß er einen
am Ufer stehenden Ebereschenbaum erreichte: der Baum war also Thors
Rettung (isländisch Thors björg) — so streckte auch Thorbjörg dem Grettir
du Hand der Rettung entgegen. Thorborg, siehe vers .



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Hieß mich geben
In ihr Haus.
Gutes Roß
Gab sie Grettir,
Leib ich ihr und
Leben danke.

"Du wirst einen harten Kampf dein ganzes Leben zu bestehen haben," sagte Vermund, "laß es dir endlich eine Lehre sein, daß du dich vor deinen Feinden hüten mußt. Ich habe keine Lust; dich bei mir zu behalten und mir dadurch manchen mächtigen Mann zum Feinde zu machen. Für dich ist es das beste, deine verwandten aufzusuchen; wenige von ihnen werden dich freilich aufnehmen wollen, wenn sie imstande sind, etwas Besseres zu tun. Du bist auch nicht gerade umgänglich für die meisten Menschen. Grettir blieb noch eine Weile am Vatnsfjördr und begab sich dann nach den Westfjorden und suchte Unterschlupf bei manchem angesehenen Manne; aber immer kam etwas dazwischen, so daß ihn keiner gerne behielt.


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