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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


50. Drei Ächter auf Reykholar

Grettir kam gegen Winters Anfang nach dem Hofe Reykholar und bat Thorgils um Aufenthalt.

Thorgils sagte, Essen stünde ibm zur Verfügung wie jedem andern Seien Manne. "Aber der Aufenthalt hier ist nicht sehr angenehm."

Grettir antwortete, daraus machte er sich nichts.

"Hier ist noch ein anderer bedenklicher Umstand,"sagte Thorgils. "Hier wollen noch zwei andere Männer Aufenthalt nehmen, mit denen schwer zu verkehren ist, das sind die Schwurbrüder Thorgeir und Thormod. Ich weiß nicht, wie du mit ihnen auskommen wirst. Aber ihnen habe ich bereits jederzeit Aufenthalt gewährt, wenn sie hier sein wollen. Nun kannst du hier bleiben, wenn du willst; aber das sage ich dir; ich dulde nicht, daß ihr euch gegenseitig streitet."

Grettir antwortete, daß er nicht zuerst jemandem zu nahe treten würde, besonders nicht, da er jetzt des Bauern Willen kenne. Bald darauf kamen die Schwurbrüder nach Hause. Das Verhältnis zwischen Thorgeir und Grettir war nicht sonderlich freundlich, aber Thormod betrug sich, wie es sich ziemte. Der Bauer Thorgils sagte den Schwurbrüdern dasselbe, was er Grettir gesagt hatte. Aber sie hatten solche Achtung vor ihm,



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daß keiner von ihnen dem andern ein verkehrtes Wort gab, Aber ein freundschaftliches verhältnis bestand zwischen ihnen nicht. Das dauerte so bis zum Winter.

Man erzählt, daß der Bauer Thorgils die Inseln besaß, die Olafsinseln heißen. Sie liegen draußen im Fjord, ungefähr anderthalb Seemeilen von Reykjanes. Darauf hatte Thorgils einen guten Ochsen, aber er war im Herbste nicht abgeholt worden. Thorgils sprach oft davon, daß er ihn vor Weihnachten holen lassen wollte. Es geschah eines Tages, daß die Schwurbrüder sich anschickten, den Ochsen zu holen, wenn sie einen dritten Mann zu Hilfe bekämen. Grettir erbot sich, sie zu begleiten, und sie nahmen es an. Sie fuhren mit einem Zehnruderer. Das Wetter war kalt, und es webte von Norden. Das Schiff war auf dem Hvalshausholmr. Sie segelten hinaus, und der Sturm nahm zu; sie gelangten nach der Insel und kriegten den Ochsen. Grettir Sagte, was sie lieber wollten, den Ochsen in das Boot befördern oder das Boot halten; denn eine starke Brandung war bei den Inseln. Sie baten ihn, das Boot zu halten. Grettir stand mitten vor dem Boot, auf der Seite, die dem Lande abgekehrt war, das Meer reichte ihm bis zu den Schultern; und er hielt das Boot so fest, daß es sich nicht rührte. Thorgeir trug den Ochsen hinten und Thormod vorn, und so hoben sie ihn in das Schiff hinein. Darauf griffen sie in die Ruder, Thormod saß am vordersteven, Thorgeir in der Mitte und Grettir am Achterende, und so ruderten sie nach dem Fjord hinein. Aber als sie innerhalb der Bockklippe gekommen waren, schlug der Sturm ihnen entgegen.

Da sprach Thorgeir: "Dem Achterdeck fehlt es an Schnelligkeit."

Grettir antwortete: "Das Achterdeck kann nicht sacken, wenn gut am vordersteven gerudert wird."

Thorgeir legte sich so heftig in die Ruder, daß beide Dollen losgingen. Da sprach er: "Streng dich an, Grettir, während ich die Ruderklammern ausbessere"

Grettir packte die Ruder fest, während Thorgeir ausbesserte. Aber als Thorgeir wieder zu rudern anfing, waren die Ruder so beschädigt, daß Grettir sie an den Seiten des Bootes zer



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splittert hatte. Thormod sagte, es wäre besser weniger scharf zu rudern als die Ruder zu zerbrechen. Grettir ergriff zwei dicke Stangen, die im Schiffe lagen, brach zwei große Löcher in die Reling und ruderte so stark, daß es in jedem Balken des Bootes krachte. Aber da es ein gutes Schiff war und alle drei tüchtige Männer, gelang es ihnen. den Hvalshausholmr zu erreichen. Grettir fragte sie, ob sie den Ochsen heimbringen oder das Schiff in den Schuppen setzen wollten. Sie wählten das letztere und setzten das Schiff in den Schuppen, voll von Wasser wie es war, und mit Eis bedeckt innen und außen. Grettir zog mit dem Ochsen ab, der war sehr fett und schwerfällig und wurde darum sehr müde. Als er unterhalb von Titlingsstadir war, ging es nicht mehr. Die Schwurbrüder eilten nach Hause, denn keine von beiden Parteien wollte der anderen helfen. Thorgils fragte nach Grettir, und sie sagten, wo sie sich von ihm getrennt hätten. Er schickte ihm da Leute entgegen. Und als sie unterhalb von Hellisbolar waren, sahen sie, wie einmann ihnen entgegenkam, ein Rind auf dem Rücken, und das war Grettir, der den Ochsen trug. Alle verwunderten sich darüber, wie stark er war. Aber Grettirs Kraft erregte Thorgeirs Mißgunst.

Es geschah eines Tages nach Weihnachten, daß Grettir allein ins Bad ging. Thorgeir erfuhr davon und sprach zu Thormod: "Laß uns hingehen und sehen, was Grettir anstellt, wenn ich auf ihn losgehe, wenn er aus dem Bade kommt."

"Ich habe keine Lust dazu", antwortete Thormod. "Ich glaube kaum, daß du viel Freude dabei haben wirst!"

"Ich will es doch tun," sagte Thorgeir.

Er ging den Hügel hinab und hielt seine Art hoch. Grettir kam gerade aus dem Bade, und als sie sich begegneten, sprach Thorgeir: Ist es wahr, Grettir," sagte er, "daß du gesagt hast, du würdest niemals vor einem einzelnen Manne weichen:

"Das weiß ich nicht so genau," erwiderte Grettir. Aber vor dir bin ich niemals weit gewichen," sagte Grettir.

Thorgeir schwang die Art. In diesem Augenblicke sprang Grettir auf ihn los und schleuderte ihn tüchtig zu Boden.



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Thorgeir sprach da zu Thormod: "Willst du dabei stehen und zusehen, wenn der Teufel mich unter sich wirft:"

Thormod packte Grettirs Füße und wollte ihn von Thorgeir fortzerren, aber konnte es nicht. Er wollte das Schwert ziehen, mit dem er umgürtet war. Da kam der Bauer Thorgils hinzu und gebot ihnen Frieden zu halten und Grettir loszulassen. Sie taten es auch und sagten, es wäre nur Spaß gewesen. Sie hatten seitdem nichts mehr mit einander vor. Die Leute meinten , Thorgils hätte großes Glück damit gehabt, so übermütige und unruhige Männer in Zucht zu halten. Als es Frühling wurde, zogen sie alle drei fort. Grettir begab sich nach dem Thorskafjördr. Er wurde gefragt, wie ihm Kost und Winteraufenthalt auf Reykholar gefallen hätte. Er antwortete: "Da ist es mir so ergangen, daß ich am meisten zufrieden war mit meinem Essen, wenn es bis zu mir hinreichte." Dann zog er westwärts über das Hochgebirge.


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