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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


45. Thorbjörn ermordet Ätti

Thorbjörn Ochsenkraft hatte einen Knecht namens Ali. Er war ziemlich unzugänglich und faul. Thorbjörn forderte ihn auf, besser zuzufassen, sonst bekäme er Prügel, sagte er. Ali antwortete, er hätte keine Lust mehr zu arbeiten, als er täte, und war sehr bockbeinig. Thorbjörn verlor die Geduld, warf ihn zu Boden und mißhandelte ihn. Darauf lief Ali aus seinem Dienst fort und zog nordwärts über die Höhe bis um Midfjördr; er hörte nicht eher auf, als bis er nach Bjarg kam. Atli war daheim und Sagte, wohin er wollte. Er sagte, er suche einen Dienst.



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"Bist du nicht Thorbjörns Arbeiter:" Sagte Ätti.

"Wir kamen beide nicht gut miteinander aus," antwortete Ali. "Ich war nicht lange dort, und mir gefiel es nicht sonderlich, solange ich dort war. Wir schieden so, daß nicht viel fehlte und er hätte mich erdrosselt; ihm nehme ich niemals wieder Dienst, was auch aus mir werden mag. Das ist auch wahr, daß ein großer Unterschied ist, wer von euch beiden am leichtesten Gesinde bekommt. Ich würde gern bei dir arbeiten, wenn es möglich wäre."

Ätti entgegnete: "Ich habe Arbeiter genug und habe nicht nötig, Thorbjörn die Leute wegzunehmen, die er gemietet hat, auch traue ich dir nicht viel Tüchtigkeit im Arbeiten zu, geh wieder hin zu ihm"

Ali sprach: "Wenn ich nicht gezwungen werde, gehe ich nicht dahin."

Ali blieb die Nacht über da, am Morgen machte er sich mit Atlis Knechten an die Arbeit und schaffte so, wie wenn er am ganzen Körper Hände hätte. So blieb es mit Ali bis Ende des Sommers. Ätti kümmerte sich nicht weiter um ihn, ließ ihm aber doch Essen geben, weil er seine Arbeit zur Zufriedenheit tat. Thorbjörn erfuhr nun, daß Ali auf Bjarg war. Er ritt selbdritt dahin und bat Atli um eine Unterredung. Ätti ging hinaus und begrüßte ihn.

Thorbjörn sprach: "Schon wieder willst du, Ätti, die alten Kränkungen gegen mich erneuern; warum hast du meinen Arbeiter aufgenommen Das ist unrecht!"

Ätti antwortete:"Ich habe keine Beweise dafür gesehen, daß er dein Arbeiter ist, aber ich will ihn nicht halten, wenn du beweisen kannst, daß er dein Knecht war; doch habe ich keine Lust ihn zur Tür hinauszuwerfen." "

Entschließe dich" sagte Thorbjörn. "Ich fordere den Mann von dir und verbiete dir, seine Dienste auszunutzen. Komme ich ein andermal zu dir, so ist es nicht sicher, daß wir als so gute Freunde scheiden wie jetzt,"

Atli antwortete: "Zu Hause warte ich und nehme entgegen, was auch kommen mag."

Danach ritt Thorbjörn heim. Als das Arbeitsvolk am Abend



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nach Hause kam, erzählte Atli sein Gespräch mit Thorbjörn und forderte Ali auf, seine Straße zu ziehen und erklärte, er wolle nicht, daß er sich länger bei ihm aufhielte.

Ali antwortete: "Wahr ist doch das alte Sprichwort: ,die Leute, die am meisten gelobt werden, sind die ersten, die unser vertrauen täuschen'. Ich hätte niemals geglaubt, daß du mich fortjagen würdest, nachdem ich mich hier im Sommer schier zu Tode geschuftet habe, und ich hätte eher erwartet, daß du mir Schutz gegen feindliche Angriffe gewähren würdest; aber so geht es mit euch, wieviel Gutes man auch von euch glaubt erwarten zu dürfen. Nun will ich mich hier vor deinen Augen ausprügeln lassen, wenn du mir nicht helfen willst."

Bei dieser Rede schlug Anis Stimmung um, und er hatte nicht das Herz ihn fortzujagen. Nun verging die Zeit, und die Männer begannen die Heumahd.

Es geschah eines Tages kurz vor Mittsommer, daß Thorbjörn Ochsenkraft nach Bjarg ritt. Er hatte einen Helm auf dem Haupte, ein Schwert an der Seite und einen Spieß in der Hand, der ein breites, flaches Blatt an der Spitze hatte. Es regnete an dem Tage. Atli hatte einige von seinen Knechten nach der Heuernte geschickt, andere waren nordwärts bei Hornstrandir auf Fischerei. Atli war zu Hause mit einigen wenigen Leuten. Thorbjörn kam etwa gegen Mittag nach Bjarg. Er war ganz allein und ritt bis an die Tür. Sie war geschlossen und niemand draußen. Thorbjörn klopfte an die Tür und ging dann hinten um das Haus herum, so daß ihn niemand von der Tür aus sehen konnte. Das Gesinde hörte, daß jemand klopfte; und eine Frau ging hinaus. Thorbjörn sah die Frau einen Augenblick, ließ sich aber selbst nicht sehen, denn er hatte anderes vor. Sie ging wieder in die Stube. Ätti fragte, wer draußen wäre. Sie antwortete, sie hätte niemand gesehen. Und als sie das redeten, klopfte Thorbjörn mächtig gegen die Tür,

Da sprach Atli: "Dieser Mann will mich treffen; und er hat eine Botschaft an mich, die ja sehr eilig zu sein scheint." Er ging aus der Stube nach der Haustür und blickte hinaus. Er sah niemand draußen. Es regnete jetzt stark, und darum trat



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er nicht ins Freie, sondern hielt sich mit einer Hand an den Türpfosten und blickte sich um. In diesem Augenblicke sprang Thorbjörn vor die Tür und stieß mit beiden Händen den Spieß Atli mitten durch den Leib.

Atli sprach, als er den Stoß bekam: "Die breiten Spieße, sie werden Mode,"sagte er. Danach fiel er vornüber auf die Türschwelle. Nun kamen die Frauen heraus, die in der Stube gewesen waren. Sie sahen, daß Atli tot war. Thorbjörn war auf den Rücken seines Rosses gekommen, erklärte, daß er der Mörder wäre und ritt dann beim. Asdis sandte Boten nach den Leuten und traf die Vorbereitungen zu Atlis Begräbnis; er wurde an der Seite seines Vaters begraben. Sein Tod betrauert, denn er war klug und beliebt gewesen. Keine Buße wurde für Atlis Ermordung gezahlt, überhaupt nicht beansprucht, denn es kam Grettir zu, den Totschlag zu verfolgen , wenn er heim kam. So wurde nicht an diese Sache gerührt während des Sommers. Thorbjörn wurde wegen dieser Tat wenig günstig beurteilt, doch saß er in Frieden auf seinem


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