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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


39. Grettirs Wunsch, sich durch die Feuerprobe zu reinigen, wird vereitelt

Es begab sich eines Tages, als der König zu Gericht saß, daß Grettir vor ibn trat und ibn grüßte. Der König sah ihn an und Sagte: "Bist du Grettir der Starke

Er antwortete: "So hat man mich genannt; und ich bin hierher gekommen, weil ich von Euch etwas Hilfe gegen die üble Nachrede erhoffe, die man gegen mich erhebt; denn mich dünkt, daß ich unschuldig an dem bin, was geschehen ist."

König Olaf sprach: Wacker siehst du aus; aber ich weiß nicht, ob es dir gelingt, dich von diesen Anschuldigungen zu reinigen, und doch ist es wahrscheinlich, daß du nicht mit Absicht diese Männer verbrannt hast."

Grettir sagte, er wünschte sehr; sich von dieser Anschuldigung zu reinigen, wenn der König meinte, daß es möglich wäre. Der König gebot ihm, die volle Wahrheit zu erzählen wie es zugegangen wäre. Grettir sagte da alles, was füher erzählt worden ist, und fügte hinzu, daß sie alle am Leben gewesen wären, als er mit dem Feuer fortging. "Ich erbiete mich zu jedem Unschuldsbeweise, wie das Gesetz Euch zu erfordern scheint."

König Olaf sprach: "Wir wollen dir erlauben, glühendes Eisen zu tragen, um dich zu reinigen, und damit wir sehen, ob es dir gelingt."



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Grettir war damit einverstanden. Er begann nun zu fasten für die Feuerprobe, und so verstrich die Zeit bis zu dem Tage, da die Beweisführung durch das Gottesgericht erfolgen sollte. Da ging der König nach der Kirche und der Bischof und eine Menge Volks denn alle waren neugierig, Grettir zu sehen, so viel war über ihn geredet worden. Danach wurde Grettir in die Kirche geführt. Und als er nach der Kirche kam, blickte die Menge, die dort versammelt war, auf ihn und sagte, er wäre den meisten ungleich an Kraft und Wuchs. Grettir ging nun den Mittelgang der Kirche hinauf, da sprang ein fast erwachsener häßlicher Bursche vor und sagte zu ihm: "Wunderliche Sitten gibt es in diesem Lande, wo die Leute sich Christen nennen; Übeltäter und Räuber und Diebe gehen in Frieden und dürfen sich reinigen; kann man anderes von einem Missetäter erwarten, als daß er versucht, sein Leben zu retten, wenn sich ibm die Gelegenheit dazu bietet: Hier ist nun ein Bösewicht, der seiner Schandtaten überführt ist und unschuldige Leute verbrannt hat, und doch soll er den Unschuldsbeweis antreten. und das ist eine große Schande." Er ging auf Grettir zu, zeigte mit dem Finger auf ihn, schnitt ihm Fratzen und schalt ihn Sohn eines Meerweibes und mit vielen anderen häßlichen Namen. Grettir wurde ärgerlich und verlor seine Selbstbeherrschung. Er schlug den Burschen mit der geballten Faust hinter die Ohren, so daß er alsbald in Ohnmacht fiel, und einige sagen, er währe sogleich gestorben. Aber keiner konnte sagen, woher er gekommen sei, oder was aus ihm geworden wäre; die meisten glauben, daß er ein unreiner Geist war, Grettir zum Unheil gesandt. Lauter Lärm erhob sich in der Kirche, und es wurde dem Könige gemeldet, daß der, der das Eisen tragen sollte, eine Schlägerei angefangen hätte. König Olaf schritt vorn in die Kirche und sah, was es gab. Er sagte: "Du bist ein Unglücksmensch, Grettir! Nun kann nichts aus der Feuerprobe werden nach dem, was geschehen ist; es wird nicht leicht werden, gegen dein Unglück anzukämpfen ."

Grettir antwortete: "Ich hatte gehofft, Herr, größere Ehren bei Euch meines Geschlechtes wegen zu erlangen als es sich



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jetzt ansehen läßt," und er sagte, daß viele ihr Glück bei König Olaf gemacht hätten, wie früher erzählt worden ist. "Gerne möcht ich," sagte Grettir, "daß Ihr mich in Euern Dienst nehmt, und ich glaube, Ihr habt gar manchen um Euch, der nicht mutiger und tapferer ist als ich."

"Ich sehe wohl," erwiderte der König, "daß wenige sich mit dir an Stärke und Tapferkeit messen können. aber du bist ein solcher Unglücksmensch, daß du nicht bei uns sein darfst. Nun kannst du dich in Frieden hier im Lande aufhalten, wo du willst, den Winter über, aber im Sommer mußt du zurück nach Island reisen, denn dort, ist es des Schicksals Wille, sollst du dein Haupt zur letzten Ruhe legen.

Grettir entgegnete: "Zuerst möchte ich mich von der Anklage der Brandstiftung reinigen, wenn es möglich ist, denn ich habe es nicht aus vorsatz getan."

"Das dünkt mich wahrscheinlich," sagte der König. "Aber weil du das Gottesurteil durch deine Ungeduld unbrauchbar gemacht hast, so kannst du in dieser Sache nicht mehr ausrichten, als was bereits geschehen ist; Unbesonnenheit erzeugt stets verdruß; und wenn je ein Mensch sum Unglück geboren ist, so bist du es vor allen anderen."

Darauf hielt sich Grettir noch eine Weile in der Stadt auf; richtete aber bei König Olaf nicht mehr aus, als was jetzt erzählt ist. Danach reiste er südwärts im Lande und beabsichtigte sich dann ostwärts nach Tönsberg zu wenden, um seinen Bruder Thorstein zu besuchen. Und von seiner Reise weiß man nichts zu sagen, ehe er ostwärts nach Jäderen kam.


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