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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


33. Der Spuk wird immer furchtbarer

Im Frühling nahm sich Thorball neues Gesinde, stellte die zerstörten Gebäude wieder her und wohnte wie von Neuem auf seinem Hofe. Da begann der Spuk abzunehmen, solange die Sonne hoch stand. So ging es bis zum Mittsommer. Da kam ein Schiff in das Hunavatn; auf ihm befand sich ein Mann namens Thorgaut. Er war ein Ausländer, groß und stark; er hatte zweier Männer Kraft; er war ledig und stand für sich allein; arm an Geld wollte er sich Arbeit suchen. Thorhall ritt nach dem Schiff und traf Thorgaut; er fragte ihn, ob er bei ibm arbeiten wollte. Thorgaut sagte, das könne wohl sein, und es wäre ihm gleichgültig, was er zu tun bekäme.

"So mußt du dich darauf gefaßt machen." antwortete Thorhall , daß dort für eine Memme kein Platz ist, wegen der Gespenster, die da in der letzten Zeit ihr Wesen getrieben haben, — aber ich will dich nicht betrügen."

Thorgaut erwiderte: "Ich gebe mich nicht sogleich für verloren, wenn ich auch kleine Gespenster sehe; es muß schon ganz schlimm kommen, wenn ich mich entsetzen soll, und darum suche ich mir keinen andern Aufenthaltsort aus." 1 D. y. auf das Dach zu klettern,



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Sie wurden leicht handelseins, und Thorgaut sollte im Winter die Schafherden hüten.

Der Sommer ging zu Ende. Thorgaut übernahm das vieh in den Winternächten. Er war bei allen beliebt. Beständig kam Glam wieder hin und ritt oben auf dem Hause. Das dünkte Thorgaut wunderlich, und er sagte: "Der Knecht müßte doch noch etwas näher kommen, wenn ich mich vor ihm fürchten soll." Thorball bat ihn, wenig von der Sache zu erzählen: Am besten ist, daß ihr euch nicht gegen einander erprobt."

Thorgaut sprach: Euch ist wahrhaftig das Herz ganz in die Schuh gefallen; aber du darfst nicht denken, ich falle sogleich vor Angst tot um, wenn ich im Zwielicht über Glam erzählen höre."

So ging es den Winter hindurch bis zu Weihnachten. An dem dem Julfeste vorausgehenden Tage begab sich der Schäfer zur Herde.

Da sprach die Hausfrau: "Nun will ich wünschen, daß es nicht so geht wie das letztemal."

Er antwortete: "Fürchte dich nicht davor, Hausbau," sagte er. "Es wird sich auf jeden Fall etwas Erzählenswertes ereignen, wenn ich nicht zurückkehre."

Darauf ging er zu seinen Schafen zurück. Das Wetter war kali, und es schneite stark. Thorgaut war gewöhnt nach Hause zu kommen, wenn es halbdunkel war, jetzt aber kam um diese Zeit nicht heim. Die Kirchgänger kamen an wie gewöhnlich , Es schien den Leuten dem nicht ungleich auszusehen, wag sich früher begeben hatte. Der Bauer wollte nach dem Schäfer suchen lassen, aber die Kirchgänger machten Ausflüchte und sagten, sie trauten sich bei Nacht nicht hinaus, der Unholde wegen, und der Bauer wagte nicht hinzugehen, und so ward nichts aus dem Nachforschen. Am Weihnachtstage, als die Leute sich fattgegessen hatten, zogen sie aus und suchten nach dem Schäfer. Sie gingen zuerst nach dem Haufen Steine, die sie über Glam geworfen hatten, denn sie dachten, daß er schuld am verschwinden des Schäfers wäre. Aber als sie sich dem Steinhaufen näherten, sahen sie auch, daß etwas Entsetzliches vorgefallen war: sie fanden den Schäfer, dem war der Hals



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gebrochen, und jeder Knochen in ihm war zermalmt. Darauf brachten sie ihn nach der Kirche; niemand erlitt aber später einen Schaden durch Thorgaut. Glam aber fing von neuem an, noch mehr zu spuken; er trieb es so furchtbar, daß alle Leute aus Thorhallsstadir fortzogen, mit Ausnahme des Bauern und seiner Hausfrau.

Ein und derselbe Rinderhirt war dort lange Zeit gewesen; Thorhall wollte ihn wegen seiner Sorgfalt und Zuverlässigkeit beim Hüten behalten. war ein alter Mann, und es dünkte ihn darum schwer, seinen Dienst aufzugeben, und er sah auch, daß alles, was der Bauer besaß, zugrunde ginge, wenn keiner darauf acht gäbe. Und nach Mitte Winter geschah es eines Morgens , daß die Hausfrau nach dem Kuhställe ging, um die Kühe wie gewöhnlich zu melken. Es war da schon ganz hell, denn niemand getraute sich, den Kuhhirten ausgenommen, früher hinaus; er ging schon hinaus, sobald es tagte. Sie hörte einen großen Lärm im Kuhställe und ein fürchterliches Brüllen; sie tief schreiend wieder hinein und rief, sie wüßte nicht, was für ein schreckliches Ereignis sich im Stalle zugetragen hätte. Der Bauer ging hinaus und kam zu den Kühen, und diese stießen sich gegenseitig mit den Hörnern. Das schien ihm ein schlechtes Zeichen zu sein, und er ging in die Scheune. Da sah er den Hirten liegen, er hatte den Kopf in einem Ständer und die Füße in dem andern, er lag auf dem Rücken. Der Bauer trat zu ihm und betastete ihn, er merkte bald, daß er tot war, und daß ihm das Rückgrat an einem Ständerstein 1 gebrochen war. Da schien es dem Bauern dort unerträglich zu sein, und er zog mit allem, was er fortschaffen konnte, von dannen. Aber alles vieh, das zurückgeblieben war, tötete Glam. Und dann zog er das ganze Tal entlang und verheerte alle Gehöfte oberhalb von Tunga. Thorhall verbrachte den Rest des Winters bei verschiedenen Freunden. Niemand mochte mehr mit Pferd oder Hund das Tal hinaufziehen, da diese Tiere sogleich getötet wurden. Aber als es zum Frühling ging und die Sonne am höchsten stand, ließ der Spuk etwas nach. Thorball wollte nun 1 Die einzelnen Ständer, zwischen denen die Ochsen und Kühe im staue stehen, sind durch flache Steine von einander getrennt,



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wieder auf seinen Hof zurückkehren. Es wurde ibm nicht leicht; Gesinde zu bekommen, dennoch ließ er sich in Thorhallsstadir nieder. Es ging alles wie früher sobald es Herbst wurde, nahm der Spuk wieder zu. Am meisten wurde die Tochter des Bauern heimgesucht, und es kam dahin, daß sie davon starb. Viele gute Ratschläge wurden gesucht, aber es war alles vergebens. Die Leute glaubten, es sähe so aus, wie wenn der ganze Vatnsdalr verödet würde, falls man nicht Mittel fände, das Unwesen zu enden.


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