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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


28. Grettirs zweiter Ringkampf mit Audun

Diesen Sommer kehrte Grettir Asmundarson nach Island zurück und landete im Skagafjördr. Er war damals so



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berühmt durch seine Stärke und Tapferkeit, daß keiner von den jungen Leuten ihm gleich geachtet wurde. Er ritt sogleich heim nach Bjarg, und Asmund nahm ihn sehr freundlich auf. Atli verwaltete damals den Hof; wissen den Brudern herrschte ein herzliches Verhältnis. Grettirs Übermut war nun so groß, daß ihm nichts unmöglich schien.

Nun waren die schon völlig erwachsen, die damals noch jung waren, alg Grettir teilnahm an den Spielen am Midfjardar- See, ehe er ins Elend fuhr. Einer von ihnen war Audun, der auf Audunarstadir wohnte im Vididalr. Er war der Sohn des Asgeir Audunarson. Audun war ein guter Bauer und ein tüchtiger Mann; er war der Stärkste im Nordlande und genoß allgemeine Achtung in dieser Gegend.

Grettir fiel nun ein, daß er den Kürzeren vor Audun beim Ballspielen gezogen hatte, wie früher erzählt worden ist, und er wollte erproben, wer von ihnen beiden seitdem die größten Kräfte bekommen hätte. Darum brach er von Hause auf und ritt nach Audunarstadir. Es war im Beginn der Heumahd. Grettir verwendete große Sorgfalt auf seine Kleidung und Ausrüstung und ritt auf dem kunstvoll angefertigten und bemalten Sattel, den ihm Thorsinn geschenkt hatte. Er hatte ein gutes Pferd, und seine Waffen waren sehr kostbar. Grettir kam früh am Morgen nach Audunarstadir und klopfte an die Tür. Nur wenige Leute waren auf dem Hofe. Grettir Sagte, ob Audun ;u Hause wäre. Die Leute antworteten, daß er nach der Sennhütte gegangen wäre, um Speise zu holen. Grettir nahm seinem Pferde die Zügel ab. Die Hauswiese war noch nicht gemäht; und der Gaul trottete dahin, wo das Gras am üppigsten stand. Grettir ging in die Schlafstube, setzte sich auf einige Bretter und schlief bald ein. Ein wenig später kam Audun nach Hause. Er sah, daß ein Gaul mit gemaltem Sattel im umzäunten Grasland des Hofes war. Audun brachte Skyr '



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auf zwei Pferden, dieses war in Ledersäcken, die oben zugebunden waren, und man nannte sie Skyrschläuche. Audun nahm den Pferden die Last vom Rücken und trug das Skyr hinein; ihm war etwas dunkel vor den Augen. 1 Da streckte Grettir das Bein auf dem Fußboden vor, Audun stolperte darüber, der Skyrschlauch kam unter ihn zu liegen und das Band, womit er zugebunden war, glitt ab. Audun sprang auf und fragte, was für ein Schelm da wäre. Grettir nannte seinen Namen.

Audun sprach: "Das war ein alberner Streich, was ist dein Begehr

"Ich will mit dir kämpfen," antwortete Grettir. "

Erst muß ich meine Speise besorgen," sagte Audun.

"Das kannst du gerne," sagte Grettir, " wenn du das nicht andern überladen kannst."

Audun bückte sich nieder, hob den Skyrschlauch auf, warf ihn Grettir ins Gesicht und sagte, er solle zuerst in Empfang nehmen, was man ihm schickte. Grettir war über und über mit Skyr besudelt. Das dünkte ihn eine weit größere Schande, als wenn Audun ihm eine schwere Wunde versetzt hätte. Danach packten sie sich und rangen gewaltig. Grettir war immer der Angreifende, und Audun hatte genug damit zu tun, sich vor dem Hinfallen zu hüten; er merkte doch, daß Grettir stärker als er geworden war. Alles, was ihnen in den Weg kam, wurde von der Stelle gerückt, sie gerieten bald hierhin, bald dorthin in der Stube. Keiner von ihnen schonte sich, aber zuletzt behielt Grettir die Oberhand, und Audun siel nieder. Alle Waffen, die Grettir trug, hatte er ihm abgerissen. Sie drückten und preßten sich, daß es laut krachte. In diesem Augenblicke dröhnte es draußen auf dem Hof, und Grettir hörte; wie jemand an die Gebäude heranritt, abstieg und schnell in das Haus ging. Er sah ihn eintreten, es war ein schöner Mann, in einem roten Rock, und einen Helm auf dem Haupte. Er wandte sich nach der Schlafstube, weil er den großen Lärm hörte, den sie beim Ringen machten. Er Sagte, was in der Stube vorginge.



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Grettir nannte seinen Namen. "Aber wer Sagt danach:

"Bardi heiße ich," antwortete der neu Angekommene.

Bist du Bardi, der Sohn des Gudmund aus Asbjarnarnes "

"Eben der bin ich," antwortete Bardi. " Aber was machst du hier:"

Grettir antwortete: "Ich und Audun ringen hier zum vergnügen.

"Das sieht nicht nach vergnügen aus" sagte Bardi. "Und außerdem seid ihr recht ungleiche Gegner; du bist übermütig und rücksichtslos, aber er ist ein gutmütiger und wackerer Mensch, laß ihn sogleich aufstehen"

Grettir antwortete: "Mancher mischt sich ohne Not in Dinge, die ihn nichts angehen; ich würde glauben, dir läge mehr daran den Tod deines Bruders Hall zu rächen, als dich in das zu mengen, was ich und Audun mit einander vorhaben.

"Das höre ich oft genug," antwortete Bardi. "Aber ich weiß nicht; ob der Mord gerächt wird; jedoch, wie dem auch sein mag, ich will, daß du Audun in Ruhe läßt, denn er ist ein sanftmutiger Mann."

Auf Bardis Aufforderung ließ Grettir Audun los, aber es behagte ihm wenig. Bardi fragte, was zwischen ihnen vorgefallen wäre. Grettir sprach diese Weise:



***
26
Dank für den Dienst wird Audun
Schwerlich dir gewähren:
Packt dich an der Keble;
Preßt umklammernd fest sie.
Japsen konnt der Jüngling 1
Wahrlich kaum vor Jahren,
Als 2
er auf mich lossprang,
Mir die Kehle zuschnürte.

Bardi sagte, das wäre etwas anderes, wenn er etwas dadurch zu rächen hätte. "Jetzt will ich unter euch einen vergleich zustande bringen," sagte Bardi. "Ich will, daß ihr euch verträgt und das Geschehene vergeßt."

Und sie ließen es dabei bewenden, denn sie waren verwandt



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mit einander; aber Grettir konnte doch Bardi und seinen Brüdern ihre Einmischung in die Sache nicht vergeben. Sie ritten nun alle zusammen fort. Und als sie ein Stück Weg zurückgelegt hatten, da sprach Grettir: "Ich habe gehört, daß du im Sommer nach dem Borgarsiördr ziehen willst; da will ich dir, Bardi, meine Begleitung anbieten, und ich glaube damit besser gegen dich zu handeln, als du verdient hast."

Bardi ging mit Freuden auf dieses Anerbieten ein und dankte ihm dafür; danach trennten sie sich. Bardi kehrte noch einmal um und sprach:"Das will ich doch hinzufügen," sagte er" ,daß du mich nicht begleiten darfst, wenn es Thorarin nicht erlaubt, denn er hat über die Reise zu bestimmen."

"Ich dachte, du wärest alt genug, um selbst eine Entscheidung zu treffen," erwiderte Grettir. "Ich mache meine Person nicht von andern Leuten abhängig; aber das sage ich dir, ich nehme es dir übel, wenn du meine Begleitung verschmähst."

Jeder ritt jetzt seine Straße, und Bardi sagte, er würde es Grettir wissen lassen, " wenn Thorarin seine Genehmigung gibt, daß du mitreisst," sonst solle er sich ruhig verhalten. Grettir ritt heim nach Bjarg, Bardi nach seinem Hofe.


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