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Die Geschichte vom weifen Njal


Mit einer Karte


Übertragen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diedrichs in Jena 1914


146. Der erste Rachekampf

Die Sigfussöhne verweilten zwei Tage zu Hause, aber am dritten Tag ritten sie nach Lochberg 1 und blieben dort über Nacht. Sie waren ihrer fünfzehn und dachten an keine Gefahr. von dort ritten sie spät ab und wollten bis Abend nach vorbergenhöhe. Sie machten Rast im Altweibertal 2 und gönnten sich dort einen langen Schlaf.

Kari Sölmundssohn und Thorgeir Klamm-Geir ritten an diesem Tage von Westen her über den Waldstrom und weiter nach Almlandstirn. Dort trafen sie ein paar Weiber; die kannten sie und sagten zu ihnen: "So ausgelassen seid ihr nicht wie die Sigfussöhne, aber unvorsichtig zieht ihr auch einher" Thorgeier fragte: "Was habt ihr gegen die Sigfussöhne Und was habt ihr für Kunde von ihnen:" "Sie waren die Nacht in Lochberg," sagten sie, "und wollten heut abend nach dem Mückemal; und uns freute's, wie sie in Angst waren vor euch und fragten, wann ihr wohl nach Haus kämet." Damit sogen die Weiber ihres Weges, si e aber spornten ihre Pferde. Thorgeir sagte: "Was wollen wir uns vorsetzen, oder wozu hättest du am meisten Lust Willst du, daß wir ihnen nachreiten:" Kari antwortete: "D avon möcht ich nicht abraten aber über das andere 3 will ich nichts sagen, denn es macht sich oft so, daß die Leute einen langen Lebtag haben, die man mit Worten totschlägt! Doch weiß ich, was du dir vorsetzen wirst: du wirst dir acht Mann vorsetzen, und das ist sogar noch weniger, als wie du damals ihrer sieben erschlugst in der Klamm und ließest dich am Tau zu ihnen hinab. Um dich und deine verwandten ists eben so bestellt, daß ihr in allem auf euern Ruhm seht! Weniger kann ich nun auch nicht dabei tun, wie dir als Augenzeuge zur Seite stehn. Und zwar wollen nun wir zwei allein nachreiten; seh ich doch, daß du dirs so vorgesetzt hast Darauf ritten sie ostwärts, den innern Weg, und ließen Fels rechts liegen: sie wollten nicht, daß man Thorgeirs Brüdern die Schuld geben könne, was sich auch zutrüge. Sie ritten dann 1 Südlich von den Inselbergen.



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weiter nach dem Mückental. Dort begegneten sie einem Manne, der führte eine Torflast auf einer Mähre. Er redete sie an:"Gar zu wenige seid ihr, Kamerad Thorgeir!" "Was hat es auf sich fragte Thorgeir. "Das," sagte er, "daß euch jetzt der Fang ins Netz liefe! Hier ritten die Sigfussöhne vorbei und werden schlafen den ganzen Tag drüben im Altweibertal, denn sie wollten bis Abend nicht weiter als nach Vorbergenhöhe."

Darauf ritten sie ihres Weges ostwärts auf die Ornsrockheide, und es ist von ihrer Reise nichts zu berichten, als bis sie an den Fluß im Altweibertal kamen. Der Fluß ging hoch. Sie ritten nun flußaufwärts, denn sie sahen dort Rosse mit Sätteln . Dorthin ritten sie und sahen da Männer in einer Mulde schlafen, und ihre Speere staken oberhalb von ihnen. Sie nahmen die Speere und warfen sie in den Fluß hinein. Thorgeir sagte: "Willst du etwa, daß wir sie wecken:" Saari antwortete: "Das fragst du nicht darum, weil du nicht schon entschlossen wärest, keinen Totschlag ;u üben an Liegenden. einen schimpflichen Totschlag."

Darauf schrien sie ihnen zu, da erwachten sie alle und griffen nach ihren Waffen. Die beiden gingen nicht eher gegen sie los, als bis sie gewaffnet waren. Thorgeir Klamm-Geir sprang da vor, wo ihm Thorkel Sigfussohn gegenüber stand. In dem Augenblick sprang ihm einer in den Rücken, und noch eh er dem Thorgeir eins überziehn konnte, schwang Thorgeir die Art Schlachthexe mit beiden Händen und trieb den Axthammer dem in den Kopf, der hinter ihm stand, so daß der Schädel in Splitter barst; er fiel sogleich tot hin. Aber wie er die Art nach vorn schwang, hieb er dem Thorkel in die Schulter und trennte ihm den ganzen Arm ab. Gegen Kari stellten sich Mord Sigfussohn und Sigurd Lambissohn und Lambi Sigurdssohn. Dieser sprang Kari in den Rücken und stach den Speer nach ihm. Saari kriegte ihn zu sehen, sprang in die Höhe bei dem Stich und spreizte die Beine dazu: der Stich fuhr in den Boden, aber Saari sprang auf den Speerschaft und brach ihn entzwei. Er hielt seinen Speer in der einen Hand, in der andern ein Schwert, aber keinen Schild. Er stach mit der rechten sand nach Sigurd Lambissohn; der Stich traf die Brust, und



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der Speer drang zwischen den Schulterblättern heraus; da fiel er und war sogleich tot. Mit der linken Hand hieb er nach Mord Sigfussohn, und es traf die Weiche und schnitt sie durch samt dem Rückgrat; er fiel vornüber, sogleich tot. Danach drehte er sich auf der Ferse wie ein Kreisel und auf Lambi Sigurdssohn zu, aber der fand keinen Ausweg, als Reißaus zu nehmen.

Jetzt wandte sich Thorgeir gegen Leidolf den Starken; jeder hieb gleichzeitig nach dem andern, und Leidolfs Hieb wurde so mächtig, daß er alles vom Schilde abtrennte, wo er hinkam. Thorgeir hatte zweihändig mit der Art Schlachthexe gehauen: die hintere Zacke traf den Schild, und der barst auseinander, aber die vordere Zacke faßte das Schlüsselbein und machtes entzwei und grub sich hinunter in die Brusthöhle. Eben kam Kari herzu und schlug dem Leidolf das Bein ab in der Mitte des Schenkels; da fiel Leidolf und war sogleich tot.

Ketil aus Wald sagte: "Laufen wir zu unsern Pferden! Wir können uns doch nicht balten gegen diese Übermächtigen. Sie liefen denn zu ihren Pferden und sprangen auf. Thorgeir sagte: "Willst du, daß wir sie verfolgen: Wir werden schon noch ein paar zur Strecke bringen." "Zuhinterst reitet der," sagte Kari, "den ich nicht erschlagen möchte, das ist Ketil aus Wald; denn wir haben zwei Schwestern zur Frau, und er hat sich auch von jeher am anständigsten benommen."

Da stiegen sie auf ihre Pferde und ritten, bis sie nach Fels heimkamen. Thorgeir ließ nun seine Brüder ostwärts nach Walden ziehen, denn dort gehörte ihnen eine zweite Wirtschaft, und Thorgeir wollte nicht, daß man seine Brüder Vertragsschurken nennen könne. Thorgeir hatte dort nun viel Mannschaft um sich, so daß nie weniger als dreissig streitbare Mannsleute dort waren. Es war dort nun große Fröhlichkeit; man fand, Thorgeir sei sehr gewachsen und gestiegen, und Kart desgleichen: man erinnerte sich oft an ihre Verfolgung, wie sie zu zwein gegen fünfzehn Mann losritten und fünf davon erschlugen, aber die zehn in die Flucht jagten, die davon kamen.

Jetzt ist von Ketil zu berichten, daß sie ritten, was sie konnten



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bis sie nach Schweinsberg heimkamen, und erzählten, sie hättens nicht gut getroffen. Flosi fand das nach Erwarten; "das ist euch eine Warnung," sagte er: "ihr dürft nun nie künftig so herumziehen."

Flosi war ein frohgemuter Mann wie wenige und der beste Gastgeber, und es heißt, er habe in den meisten Stücken die rechte Häuptlingsart gehabt. Er blieb zu Hause den Sommer über und auch den Winter durch. Aber im Winter nach Weihnachten kam Hall von der Seite und sein Sohn Kol. Flosi freute sich über sein Kommen. Sie sprachen oft über diese Dingfehde ; Flosi sagte, sie hätten schon schwere Einbußen erlitten; Hall meinte, er habe richtig geschätzt, wies gehn werde. Flosi fragte ihn dann um Rat; was ihm am besten scheine. Hall antwortete: "Den Rat geb ich dir, daß du dich mit Thorgeir verträgst; wenns möglich ist; doch wird er spröde sein gegen jeden vertrag." "Glaubst du, daß dann die Totschläge aufhören Sagte Flosi. "Das glaube ich nicht," sagte Hall" ,aber man hats dann mit wenigern zu tun, wenn Kari allein steht. verträgst du dich aber nicht mit Thorgeir, so wird das dein Tod. "Was sollen wir ihm zum vergleich anbieten:" fragte Flosi. "Ihr werdet das hart finden," sagte Hall, "worauf er eingehn wird: nur auf die Bedingung wird er sich vertragen wollen, daß er nichts zahle für das, was er verübt bai, aber Buße empfange für Njal und seine Söhne, das ihm zustehende Drittel 1." "Ein harter Vertrag ist das," sagte Flosi. "Für dich ist dieser vertrag nicht bart," sagte Hall, " denn du hast nicht die Totschlagsklage zu führen für die Sigfussöhne: ihre Brüder haben sie zu führen, aber Hamund der Lahme die Klage für seinen Sohn. Doch du wirst den vertrag mit Thorgeir nun erlangen, denn ich will mit dir hinreiten, und mich wird Thorgeir ordentlich aufnehmen. Aber keiner von denen, die diese Klagen zu führen haben, wird sich getrauen, in seinem Hof zu sitzen an der Stromhalde, wenn sie außerhalb des Vertrags bleiben, denn das wäre ihr Tod, und bei Thorgeirs Sinnesart ist das zu gewärtigen."



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Es wurde nun nach den Sigfussöhnen geschickt: man legte ihnen diese Sache vor, und ihr Gespräch nahm das Ende, dank dem Zureden Halls, daß ihnen alles recht war, sowie er es ihnen darlegte, und sie sich gern vertragen wollten. Grani Gunnarssohn sagte und Gunnar Lambissohn: " Das versteht sich für uns, wenn Kari allein übrig ist, daß er nicht weniger Angst hat vor uns als wir vor ihm!" "Redet lieber nicht so!" sagte Hall; " der Handel mit ihm wird euch bitter werden, und ihr werdet schwere Einbußen leiden, ebs zwischen euch aus ist!" Damit brachen sie das Gespräch ab.


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