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Die Geschichte vom weifen Njal


Mit einer Karte


Übertragen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diedrichs in Jena 1914


138. Flosi gewinnt den rechtskundigen Eyjolf

Es war ein Mann namens Eyjolf; er war ein Sohn von Bölwerk, dem Sohn von Eyjolf dem Grauen 1 aus Otterntal, dem Sohn von Thord Brüller, dem Sohn von Oleif Feilan; Eyjolfs Mutter war Hrodny, eine Tochter Skeggis aus der Mittelföhrde. Eyjolf war eine große Respektsperson und verstand sich wie wenige aufs Recht, so daß er einer der drei größten Rechtskundigen auf Island war. Er war von schmuckem Äußern wie wenige, groß und stark und versprach einen vortrefflichen Häuptling 2. Er war aufs Geld aus wie seine verwandten auch sonst.

Flosi ging eines Tages zu dem Zelte des Bjarni Brodd-Helgissohn. Bjarni nahm ihn mit offenen Armen auf, und Flosi setzte sich neben ibn. Sie besprachen vieles. Flosi sagte zu Bjarni: "Was soll man nun anfangen:" Bjarni antwortete: "Ich meine, hier ist guter Rat teuer; doch scheint es mir am rätlichsten, um Hilfe zu werben, denn sie scharen Streitmacht gegen euch. Ich möchte dich auch fragen, Flosi, ob einer in eurer Schar ein gewiegter Rechtskundiger ist; denn ihr habt die Wahl zwischen zwei Dingen: entweder um vergleich zu bitten —das ist schön und gut; oder aber, die Klage gesetzlich abzuwehren, falls Einreden vorhanden sind, mag man euer vorgehn auch leidenschaftlich nennen —: mir kommt vor, man werde sich dafür entscheiden müssen, weil ihrs von Anfang an draufgängerisch getrieben habt und es sich nun nicht ziemt, daß ihr euch kleiner macht 3." Flosi sagte:" Da du nach Rechts



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kundigen fragtest, kann ich dir kurz antworten, daß kein solcher in unsrer Schar ist, und auf keinen hab ich Hoffnung außer auf deinen Vetter Thorkel Geitirssohn." Bjarni sagte

Ihn wollen wir nicht mitzählen: ist er auch rechtserfahren, so ist er doch zugleich sehr vorsichtig; es braucht sich auch keiner einzubilden, ihn als Schild vor sich zu balten. Übrigens wird er so brav zu dir halten wie nur irgend einer, denn er hat Mannesmut. Aber ich kann dir sagen, daß es den dag Leben kostet, der eine Einrede vorbringt gegen die Mordbrandsklage ; aber das gönn ich meinem Vetter Thorkel nicht. Ihr werdet euch daher anderwärts umschauen müssen." Flosi sagte, er wisse nicht Bescheid, welches die besten Rechtskundigen seien. Bjarni sagte: " Es gibt einen Mann namens Eyjolf, Sohn des Bölwerk: er ist der beste Gesetzeskundlge im Westviertel. Zwar wird man ihm viel Geld dafür geben müssen, wenn er glücklich hereingebracht werden soll; aber das soll fur uns kein Hindernis sein. Wir wollen auch in Waffen zu allen Dinghandlungen gehn und möglichst auf unsrer Hut sein, aber sie nicht angreifen, außer wir hätten uns selbst zu verteidigen. Ich will jetzt mit dir gehn auf die Werbefahrt, denn mir scheint, als könne man jetzt nicht mehr die Hände im Schoß behalten."

Darauf gingen sie zum Zelt hinaus und zu den Ostföhrdlern. Bjarni redete nun mit Lyting und Bläing und Hroi Arnsteinssohn und erlangte von ihnen rasch alles, was er verlangte. Dann susten sie Kol auf, den Sohn des Mords-Skuta, und Eywind, den Sohn von Thorkel, dem Sohn des Goden Askel, und baten sie uni Unterstützung, aber sie wichen lange ans; doch zum Schluß nahmen ge drei Mark Silbers dafür md traten ihrem Handel bei.

Dann gingen sie zum Zelt der Lauterseer und verweilten dort einige Zeit. Flosi verlangte Unterstützung von den Lauterseern, aber sie Waren schwierig und unzugänglich. Da sagte Flosi in großem Zorn: "Ihr benehmt euch schlecht: zu Hause in der Landschaft übt ihr Habgier und Unrechtlichkeit, und auf dem Ding wollt ihr den Leuten nicht zu Hilfe kommen, wenn mans von euch heischt! Das wird man euch auch noch genug



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vorrücken auf den Dingen und euch schmähen damit, daß ihr nicht denkt an die Mißhandlungen, wie Skarphedin euch Lauterseer mißhandelte 1 !" Außerdem nahm er sie im geheimen ins Gespräch und bot ihnen Geld an für ihre Hilfe und lockte sie auch mit schönen Reden. Am Ende versprachen sie die Unterstützung , und sie traten gleich mit der Sicherheit auf, daß sie sagten, auch schlagen würden sie sich für Flosi, wenn es nötig werde. Bjarni sagte zu Flosi: "Um dich stehts gut: du bist ein großer Häuptling und ein herzhafter, unbeugsamer Mann - dir fehlt wenig zu einem Menschen!"

Darauf gingen sie weiter, auf die rechte Seite der Axtach und dann zu dem Steigzelte 2. Sie sahen eine Menge Leute vor dem Zelte draußen; darunter war ein Mann, der hatte einen Scharlachmantel über die Schultern und eine Goldborte um den Kopf und eine silberverzierte Art in der Hand. Bjarni sagte: "Das trifft sich gut: hier ist er nun, Eyjolf Bölwerkssohn." Darauf traten sie vor Eyjolf hin und grüßten ihn. Eyjolf erkannte Bjarni sogleich und hieß ihn willkommen. Bjarni nahm Eyjolf an der Hand und führte ihn in die Allmännerschlucht hinauf. Bjarni sagte dem Flosi, er möge nachfolgen mit seinen Leuten; auch mit Eyjolf gingen seine Leute. Man hieß sie oben auf dem Schluchtrand bleiben und von dort Ausschau halten. Flosi und die andern gingen wetter bis zu der Stelle, wo der Pfad von dem obern Schluchtrand hinabführt 3. Flosi sagte, da sei gut sitzen, und man könne weit sehen. Sie setzten sich denn hin. Sie waren dort ihrer viere und nicht mehr.

Bjarni sagte nun zu Eyjolf: Dich haben wir aufgesucht, Freund, denn wir brauchen nötig deine Unterstützung in jeder Hinsicht." Eyjolf sagte: "Hier auf dem Ding ist jetzt eine gute Auslese, und es wird euch nicht schwer werden, Männer zu finden, an denen ihr viel mehr Stütze habt als an mir." Bjarni sagte: "So ist es nicht; denn du hast manche Eigenschaften, worin keiner hier auf dem Ding größer ist als du. Erstens, daß du aus so gutem Stamme bist, wie alle die. die von Ragnar



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Lodenhose 1 stammen. Auch haben deine vorfahren immer große Händel bestanden auf dem Allding wie zu Haus in der Landschaft und bekamen immer die Oberhand. Darum dünkt es uns wahrscheinlich, daß dir der Sieg hold sein wird in Rechtshändeln, wie deinen Verwandten." Eyjolf sagte: "Du redest schön; aber mir scheint, ich habe wenig Anrecht hierauf." Da sagte Flosi: "Hier braucht es kein langes Zielen auf das, was wir im Sinn haben! Um Unterstützung möchten wir dich bitten, daß du bei unserm Handel helfest und mit uns vor die Gerichte gehest und die Einreden ergreifest, wenn sie sich bieten, und sie in unserm Namen vorbringest und uns auf diesem Ding helfest in allen Lagen, die eintreten mögen."

Eyjolf sprang zornig auf und sagte dies: niemand brauche sich einzubilden, ihn zum betörten Narren oder zum Schirmbrett zu gewinnen, wenn es ihn nicht dazu ziehe; " und jetzt seh ich," sagte er, " was der Grund war zu diesen schönen Reden, die ihr mir hieltet!" Hallbjörn der Starke faßte nach ihm, setzte ihn zwischen sich und Bjarni und sagte: "Kein Baum fällt auf den ersten Hieb, Freund! bleib erst noch bei uns sitzen." Da zog sich Flosi einen goldenen Ring vom Arm und sagte: "Diesen Ring will ich dir schenken, Eyjolf, für deine Freundschaft und Unterstützung und dir damit zeigen, daß ich dich nicht betören will. Du kannst den Ring recht wohl annehmen, weil niemand hier auf dem Ding ist, dem ich ein solches Geschenk gemacht hätte." Der Ring war so groß und so gut gearbeitet, daß er zwölfhundert Ellen von Braungestreiftem gleichkam 2. Hallbjörn steckte dem Eyjolf den Ring an den Arm. Eyjolf sagte: Es ist schon wahrscheinlich, daß ich den Ring annehme, da du so brav bist. Du wirst auch darauf rechnen können, daß ich die Einrede übernehmen werde und mitwirke, wo es not tut." Bjarni sagte: "Jetzt handelt ihr alle beide brav. Männer wie Hallbjörn und ich sind auch wohl geeignet, Zeugen zu sein, daß du den Handel übernimmst."

Da stand Eyjolf auf und Flosi ebenso; sie reichten sich nun die



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Hände: Eyjolf übernahm von Flosi alle Mittel der Abwehr, und ebenso, wenn neue Klagen erwüchsen aus der Abwehr — denn das dient oft der einen Sache als Klage, was der andern als Abwehr dient 1 —für den Fall übernahm er all die Klagemittel, die zu diesen Klagen gehörten, ob man sie nun vor dem Fünfergericht oder dem Viertelsgericht zu verfolgen hätte. Flosi trat ab nach dem Gesetz, und Eyjolf übernahm nach dem Gesetz. Er sprach dann zu Flosi und Bjarni: "Nun hab ich hier den Handel übernommen, wie ihrs verlangtet: nun möcht ich aber, daß ihr dies vorerst geheim haltet; wenn aber die Sache ans Fünfergericht kommt, dann hütet euch besonders , zu sagen, daß ihr die Unterstützung mit Geld bezahlt habt."

Flosi stand nun auf und Bjarni ebenso und sie alle. Flosi und Bjarni gingen jeder zu seinem Zelte, aber Eyjolf ging zum Zelt des Goden Snorri und setzte sich neben ihn. Sie besprachen vieles. Der Gode Snorri faßte nach Eyjolfs Hand und streifte den Ärmel hinauf und sah, daß er einen großen Goldring am Arm trug. Snorri sagte: "Ist dieser Ring gekauft oder geschenkt Dem Eyjolf wars unangenehm, und das Wort erstarb ihm. Snorri sagte: "Ich sehe gut, du wirst ihn sum Geschenk bekommen haben. Wenn nur dieser Ring dich nicht um den Kopf bringt"

Eyjolf sprang auf und ging davon und wollte nicht drüber sprechen. Snorri sagte, als er sah, daß Eyjolf aufstand: "Das Wahrscheinliche ist, eh die Gerichte schließen, daß du weißt, was du dir hast schenken lassen!" Dann ging Eyjolf zu seinem Zelte.


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