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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


48. Hassan

Man sagt, daß in der alten, alten Zeit einmal ein Mann war, dei hatte eine große Stadt unter sich, die war umgeben von einer Mauer, und diese hatte sieben Tore. Inmitten der Stadt stand abei auf einem Hügel das Haus des Herrn; das war eine Burg (thraja; Plur. thräjes), in der lagen sieben Zimmer übereinander. In dei obersten Kammer (dem höchsten Tarorfiz) hatte der Mann abel seinen Sohn Hassan eingeschlossen. Denn der Mann liebte seinen Sohn Hassan über alle Maßen. Er wollte nicht, daß Hassan in dei



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Welt zu einem Schaden komme. Hassan hatte aber die Gabe, daß alles, was er mit den Händen anfaßte, zu Gold wurde.

Hassan kannte die Welt nicht. Eines Tages geschah es, daß Hassan am Abend in einen schweren Schlaf verfiel. Er schlief und träumte. Im Traume sah er ein Mädchen, das war schöner als irgendein Mädchen auf dieser Welt. Das war Tithiri-luagur (Mondschein-Mond). Es war schön wie der Mondschein und wie der Mond. Als Hassan Tithiri-luagur im Traume sah, wußte er auch im Traum kein Wort zu sprechen. Tithiri-luagur begrüßte Hassan und sagte: "Ich werde deine Frau werden. Kein andrer Mann wird mich heiraten. Versprich mir aber, daß du deinen Traum niemand erzählen wirst, der dich hierzu nicht auffordert mit den Worten l'cherkan*. Dies versprich mir." Hassan versprach es im Traume.

Hassan erwachte am Morgen. Er dachte über seinen Traum nach. Sein Vater kam und begrüßte ihn. Hassan sagte: "Ich habe einen schönen Traum gehabt." Der Vater sagte: "So erzähle ihn mir, mein Sohn." Der Vater sagte nicht: "l'cherken." Hassan gedachte aber des Versprechens, das er im Traume Tithiri-luagur gegeben hatte und antwortete nicht. Hassan war stumm und taub. Der Vater bat immer wieder: "Mein Hassan, so sprich doch! Mein Sohn Hassan, so erzähle mir doch deinen Traum und was dir ist." Er sagte aber niemals l'cherkan. So blieb Hassan denn stumm und taub und sprach nicht mehr.

Der Vater quälte sich mit seinem Sohne ab. Er bat und bat ihn alle Tage. Hassan blieb stumm und taub. Zuletzt wurde der Vater zornig und wollte von Hassan nichts mehr wissen. Der Vater sagte: "Wenn du stumm und taub sein willst, so gehe dahin, wo alles stumm und taub ist; gehe zu den Fischen!" Der Vater ließ eine Kiste machen. In die Kiste ließ er Hassan mit viel Gold und Edelsteinen hineinlegen. Er ließ die Kiste außen schön ausschmücken und in das Meer werfen.

Die Kiste schwamm lange auf dem Meer umher. Eines Tages wurde sie nahe an das Ufer eines Landes getrieben, in dem ein andrer Agelith lebte. Die Frau des Agelith sah die Kiste von ferne, und sie sagte zu ihrem Manne: "Sieh dort, ganz dicht am Ufer schwimmt eine sehr schön ausgeschmückte Kiste. Laß sie doch heranziehen,



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damit wir sehen, was darin ist." Der Agelith ließ die Kiste an das Ufer heranziehen. Sie wurde geöffnet. Der Agelith und seine Frau sahen Hassan. Hassan war aber schöner als irgendein Mann auf dieser Welt. Sie erstaunten.

Der Agelith fragte Hassan: "Aber, mein Sohn, wie kommt es, daß du, ein so schöner Jüngling, in dieser Kiste mit diesem Reichtum auf dem Meere ausgesetzt worden bist ?" Hassan sagte: "Mein Vater hat mich in der Kiste in das Meer werfen lassen, weil ich nicht sprach und nicht hörte." Der Agelith sagte: "Weshalb sprachst und hörtest du denn nicht?" Hassan sagte: "Ich hatte einen sehr schönen Traum." Der Agelith sagte: "So erzähle mir doch deinen Traum." Der Agelith sagte nicht l'cherkan. Hassan hörte und sprach nicht mehr. Der Agelith drang in Hassan und sagte: "So sprich und erzähle doch deinen Traum." Hassan aber sprach und hörte nicht mehr, der Agelith konnte in ihn dringen, so sehr er wollte. Hassan blieb von da an stumm und taub. Da wurde der Agelith zuletzt zornig. Er ließ Hassan wieder in die Kiste zu seinen Schätzen legen und die Kiste in das Meer werfen.

Die Kiste schwamm wieder sechs Monate auf dem Meere umher. Dann wurde sie gegen das Land geschwemmt, wo die Stadt des Vaters Tithiri-luagurs lag.

Tithiri-luagur war nicht die richtige Tochter dieses Agelith. Sie war geschaffen von Gott (ichalkeized [hat geschaffen]arbäi [Gott]). Gott hatte sie in die Hände des Agelith gelegt (uachdeth [ganz allein] ithersizid [hat niedergelegt] thegfiiss [unter Hände] mbäbäs [des Vaters]). Der Agelith hatte sie in dem obersten Tarorfiz seines Hauses untergebracht, und von da aus konnte Tithiri-luagur zum Meere hinabschauen.

Tithiri-luagur schaute einmal von ihrem Fenster aus auf das Meer hinab. Da sah sie nicht weit vom Ufer die Kiste schwimmen. Tithiriluagur rief ihren Vater und sagte zu ihm: "Sieh dort draußen auf dem Meere die schöne Kiste, schwimmen. Sicherlich ist in der Versammlung der Thimhaschischt (das sind Hanfraucher, auch wohl buaretsch [junge Leute] oder g'ascheschin [schöne Leute]genannt; das ist eine Vereinigung von jungen Leuten, die sich durch Hanfrauchen zu allerhand ungewöhnlichen Phantasievorstellungen und übergewöhnlichen körperlichen Leistungen aufpeitschen) ein junger Mann, 'der stark genug ist, dort hinauszuschwimmen und die Kiste ans Ufer zu bringen."Der Agelith sagte: "Vielleicht finden wir einen solchen Mann im Thimhäschischt."



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Der Agelith sandte zu der Versammlung der Thimhaschischt und ließ fragen: "Ist unter euch einer, der die Kiste, die dort draußen schwimmt, hereinholen kann?" Es war sogleich einer der jungen Leute hierzu bereit. Er kam heraus, sprang in das Meer und schwamm bis zu der Kiste. Er brachte die Kiste an das Ufer. Der Agelith ließ die Kiste in seine Kammer bringen. Er öffnete sie. Er trat zurück. Die Schönheit Hassans erschreckte ihn. Der Agelith fragte: "Wie kommt es, daß ein so schöner Jüngling, wie du, in eine Kiste mit solchen Reichtümern gelegt und in das Meer geworfen ist?" Hassan sagte: "Mein Vater hat mich in der Kiste in das Meer werfen lassen, weil ich nicht sprach und nicht hörte." Der Agelith fragte: "Aber weshalb hast du denn mit deinem Vater nicht sprechen und auf ihn nicht hören wollen?" Hassan sagte: "Ich hatte einen sehr schönen Traum." Dann schwieg Hassan. Der Agelith wurde ungeduldig und sagte: "So erzähle mir doch deinen Traum, oder willst du vor mir nun auch nicht mehr sprechen ?" Der Agelith sagte nicht l'cherkan. Hassan hörte und sprach nicht mehr. Der Agelith wurde nun zornig und sagte: "Ich sehe, dein Vater hat ganz recht getan, indem er dich in das Meer werfen ließ. Du bist ein verstockter Bursche. Du bist ein trotziger Mensch. Dein Vater war aber noch zu gut zu dir. Was will ein tauber und stummer Mensch mit all den Edelsteinen und dem Gold! Mach', daß du fortkommst!"

Der Agelith, der ein habgieriger Mensch war, jagte Hassan ohne allen Besitztum fort und behielt das Gold und die Edelsteine, die in der Kiste lagen. Hassan brauchte aber diese Schätze nicht. Denn, wenn er die Erde anfaßte und wünschte, sie zu Gold zu machen, so war die Erde da, wo er sie berührte, reines Gold. Hassan verließ also die Stadt des Vaters der Tithiri-luagur und wanderte weiter, bis er an einen nächsten Ort kam.

Hassan kam an das Haus zweier armer Leute. Die Frau verdiente ein wenig, indem sie täglich ausging, Holz zu sammeln. Der Mann setzte Vorüberziehenden Tee vor und ließ sich dies bezahlen. Hassan kam zu dem Alten und ließ sich Tee geben. Als er ihn getrunken hatte, nahm er eine Handvoll Erde auf. Die Erde wurde Gold. Er legte das Gold in die Tasse, reichte sie dem Teewirt und sagte: "Nimm dies." Der Teewirt war ein ehrlicher, alter Mann. Er wollte das Gold nicht nehmen. Hassan ließ es ihm aber. Hassan blieb bei dem Tee-. wirt sieben Jahre.

Eines Tages hörte Hassan, daß die Gäste sich über Tithiri-luagur unterhielten. Er fragte sie: "Wer ist Tithiri-luagur, und wo lebt sie ?"



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Die Gäste sagten: "Tithiri-luagur ist von Gott als das schönste Mädchen der Welt geschaffen. Sie lebt als die Tochter eines Vaters, der die benachbarte Stadt an dem Meere beherrscht. Tithiri-luagur ist jetzt unglücklich."Hassan fragte: "Was fehlt dieser Tithiri-luagur?" Die Gäste sagten: "Vor sieben Jahren ließ ihr Vater aus dem Meere eine Kiste auffischen. In der Kiste fand er den schönsten Jüngling der Welt. Der Agelith war auf die Schätze, die der Jüngling in der Kiste hatte, gierig und ließ ihn verjagen. Damals sah Tithiri-luagur vom Tarorfiz den schönen Jüngling, und seitdem ist sie stumm. Sie spricht nicht mehr und hört nicht mehr."

Hassan nahm von dem Teewirt Abschied. Der Teewirt sagte: "Geh nicht so von hier fort, Hassan! Seitdem du zu mir kamst, habe ich einen Sack mit Gold eingenommen. Früher war ich arm; nun bin ich reich. Gehe also nicht ohne alles von mir fort, sondern nimm die Hälfte des Goldes mit dir." Hassan sagte: "Ich danke dir, mein Vater; aber ich brauche es nicht." Hassan nahm Abschied und ging fort.

Hassan kehrte in die Stadt, in der der Vater Tithiri-luagurs Agelith war, zurück. Er mietete sich bei einem Kaffeewirt ein Zimmer und verbrachte seine Tage unter den Gästen. Seitdem Hassan nun im Hause war, kamen aber täglich mehr Gäste, nur um diesen schönen Jüngling zu sehen. Bei diesem Kaffeewirt pflegte nun die Negerin Tithiri-luagurs ihre Holzkohle (thirgin) zu holen.

Hassan saß eines Tages am Morgen allein im Kaffee. Die Negerin Tithiri-luagurs kam, um ihre Holzkohle zu holen. Die Negerin sah Hassan. Sie war so erschrocken über die Schönheit Hassans, daß sie an der Tür stumm stehenblieb. Hassan sagte zu der Negerin: "Komm her und trinke mit mir eine Tasse Tee." Die Negerin setzte sich zu Hassan. Hassan schenkte der Negerin ein Handvoll Gold. Die Negerin lief voller Erstaunen nach Hause.

Die Negerin lief zu Tithiri-luagur und sagte zu ihr: "Tithiri-luagur, wenn du den Mann sehen würdest, der bei dem Kaffeewirt sitzt, so würdest du wieder sprechen. Komm morgen früh, wenn noch niemand dort ist, mit mir zu dem Kaffeewirt. Kleide dich in die Kleider deines Vaters, so wird dich niemand erkennen."Am andern Morgen stand Tithiri-luagur ganz früh auf. Sie nahm die Kleider ihres Vaters um sich. Tithiri-luagur ging mit der Negerin aus dem Hause.

Die Negerin führte Tithiri-luagur in das Haus des Kaffeewirtes. Hassan saß allein. Hassan blickte auf. Hassan sah Tithiri-luagur.



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Er erschrak. Tithiri-luagur sah Hassan. Tithiri-luagur erschrak. Hassan sagte: "Du bist meine Tithiri-luagur!"Tithiri-luagur sagte: "Du bist mein Hassan."

Tithiri-luagur sprach wieder. Sie sprach aber nur mit Hassan und ihrer Negerin. Als Tithiri-luagur nach Hause kam, sagte sie zu ihrer Negerin: "Gehe zu meinem Vater und sage ihm, daß er, wenn er mich wieder sprechen machen will, in der Stadt und überall ausrufen lassen soll, er wolle mich dem zur Frau geben, der es verstünde, mich wieder zum Sprechen zu bringen." Die Negerin ging zum Agelith. Sie sagte dem Agelith: "Ich glaube, deine Tochter ist wieder zum Sprechen zu bringen." Der Agelith sagte: "Wie meinst du das?" Die Negerin sagte: "Laß doch in der Stadt und überall ausrufen, du wollest Tithiri-luagur dem zur Frau geben, der sie wieder zum Sprechen bringen würde." Der Agelith war sogleich einverstanden.

Der Agelith ließ überall ausrufen, wer Tithiri-luagur zum Sprechen zu bringen vermöge, der solle sie zur Frau haben. Wer es aber versuche und keinen Erfolg habe, dem würde er den Kopf abschlagen lassen. Es kamen darauf viele Leute, die ließen sich vor Tithiriluagur führen und versuchten es auf alle Weise, Tithiri-luagur zum Sprechen zu bringen. Es gelang aber keinem, und so ließ der Agelith ihnen allen den Kopf abschlagen.

Hassan hörte, was der Agelith hatte ausrufen lassen. Hassan sagte sich: "Ich brauche hierbei meinen Kopf nicht wie die andern alle zu verlieren: denn ich weiß ja seit meinem Traum, daß ich Tithiriluagur heiraten werde." Hassan machte sich auf den Weg und kam zu dem Agelith. Der Agelith sah ihn und erschrak über seine Schönheit. Hassan sagte: "Ich bin gekommen, Tithiri-luagur zum Sprechen zu bewegen und sie zu heiraten." Der Agelith sagte: "Wie soll ich diesen schönen Kopf abschlagen?" Hassan sagte: "Mache dir hierüber keine Sorge; laß mich zu Tithiri-luagur führen."

Hassan wurde in die Kammer Tithiri-luagurs geführt. Bei Tithiri-luagur saßen zwei junge Mädchen in der Kammer, die deren Gespielinnen waren. Früher sprachen sie viel mit Tithiri-luagur. Seitdem die Tochter des Agelith aber so krank geworden war, saßen beide beieinander und sprachen nur unter sich. Als Hassan in die Kammer trat und die beiden Mädchen ihn sahen, sprangen sie erschrocken über seine Schönheit auf und riefen: "Du armer schöner Mann! Warum bist du nun nur dazu geboren, daß dir der Kopf abgeschlagen wird!" Hassan lachte und sagte: "Nun, ich werde den



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Kopf nicht verlieren. Denn diese Tochter des Agelith wird meine Frau. Dieses werdet ihr sogleich sehen. Laßt euch erzählen. Ich ging einmal durch ein wildes Land und fand an meinem Wege eine Decke (thatharwith). Soweit ich sehen konnte, war kein Mensch zu sehen. Ich sah, daß die Decke ganz allein lag und daß ich sie auch allein gefunden hatte. Ich nahm also die Decke auf und ging mit ihr weiter. Nach langer Zeit kamen mir drei Menschen entgegen; die stürzten auf mich zu und schrien: Diese Decke gehört uns; wir haben sie zuerst gefunden. Wem gehört nun die Decke; ich war im Zweifel."

Als Hassan so weit gesprochen hatte, fuhr Tithiri-luagur auf und sagte: "Aber Hassan, wie konntest du da im Zweifel sein! Dir gehört die Decke, und ich gehöre dir ebenfalls, denn du hast mich auch gefunden." Tithiri-luagur sprang auf. Hassan eilte auf Tithiri-luagur zu; beide umarmten sich.

Tithiri-luagur führte Hassan zu ihrem Vater und sagte: "Dieser Mann hier hat mich zum Sprechen gebracht. Ihn will ich heiraten." Der Agelith sagte: "Hassan, ich will dir meine Tochter zur Frau geben. Ich werde euch hier nebenan ein Haus bauen, und darin sollt ihr wohnen." Hassan sagte: "Ich will meine Frau mit mir in das Haus meines Vaters nehmen. Ich bin auch der Sohn eines Agelith." Der Agelith sagte: "Weshalb bist du von deinem Vater fortgegangen!" Hassan sagte: "Ich hatte einen Traum." Der Agelith sagte: "Welchen Traum hattest du? So sprich doch!" Der Agelith sprach nicht I'cherkan. Hassan verstummte und sprach nicht mehr. Da wurde der Agelith zornig und rief: "Ich sehe, du bist ein verstockter Bursche. Dein Vater wird recht gehabt haben, als er dich fortjagte. Und einen solchen Burschen soll ich Tithiri-luagur anvertrauen? Und du willst sie gar mit dir in ein anderes Land nehmen, das ich gar nicht kenne? Mach, daß du fortkommst." Der Agelith ließ Hassan aus dem Hause jagen.

Tithiri-luagur weinte. Tithiri-luagur ließ eine alte Frau kommen und sagte zu ihr: "Gehe hinter Hassan her. Sage ihm, daß ich ohne ihn nicht leben kann. Frage ihn, warum er die Sprache meines Vaters nicht beantwortet. Laufe schnell und sieh, was du machen kannst; ich werde dich reich belohnen." Die alte Frau sagte: "Ich eile."

Die alte Frau nahm ihren Stock und lief hinter Hassan her. Die alte Frau holte Hassan ein und sagte zu ihm: "Ich grüße dich, Hassan." Hassan sagte: "Ich danke dir, meine Mutter." Die alte Frau



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sagte: "Mich sendet Tithiri-luagur. Tithiri-luagur leidet schwer am Herzen. Tithiri-luagur wird zweifellos sterben, wenn sie dich nicht zum Mann bekommt. Habe also Geduld. Laufe nicht so von dannen." Hassan sagte: "Tithiri-luagur braucht nichts zu fürchten. Tithiriluagur wird zweifelsohne meine Frau werden. Ich hatte einen Traum." Hassan schwieg.

Die Alte rief: "l'cherkan!"(Dieser Satz heißt wörtlich: "thinäjeth [sie hat gesagt] thel'cherkan [Glück] nitzan inäjes [sagt]: ohimmi theth'alis Ras'bäi"[sie solle geliebt werden von Gott].) Hassan antwortete: "Möge Gott dich lieben! Jetzt, wo du mir den Segen gewünscht hast, kann ich dir den Traum erzählen. Im Traume sah ich im Hause meines Vaters einmal Tithiri-luagur. Sie sagte zu mir: Ich werde deine Frau werden; kein anderer Mann wird mich heiraten. Versprich mir aber, daß du deinen Traum niemandem erzählen wirst, der dich hierzu nicht auffordert mit dem Worte l'cherkan. Dies versprich mir. Ich versprach es Tithiri-luagur. Am andern Tage fragte mein Vater mich nach meinem Traum. Er sagte aber das Wort l'cherkan nicht. Ich verstummte. Er ließ mich in eine Kiste mit Gold und Edelsteinen legen und in das Meer werfen. Ich kam in andere Länder. Ich wurde nach meinem Traum gefragt. Niemand aber sprach das Wort l'cherkan. Ich wurde verstoßen und kam in das Elend. Nun endlich war ich Tithiri-luagur zur Ehe zugesagt. Da hat ihr Vater mich wieder beschimpft und mich von dannen gewiesen. Der Agelith hat aber auch gesagt, er wolle mir zwar Tithiri-luagur zur Frau geben, er wolle sie aber nicht mit in mein Land ziehen lassen. Jetzt gehe ich aber hin und suche meine Kräfte. Ich werde wiederkommen und den Vater Tithiri-luagur zwingen, mir seine Tochter zur Ehe und mit in das Land meines Vaters zu geben. Sage das Tithiri-luagur. Sage dies dem Vater Tithiri-luagurs." Hassan nahm von der alten Frau Abschied und wanderte fort.

Die Alte ging zurück zu Tithiri-luagur und erzählte ihr alles, was Hassan ihr gesagt hatte. Die alte Frau sagte: "Weine nicht. Ich habe diesen Mann gesehen und gehört. Ich bin eine alte Frau und kenne die Menschen. Dieser Hassan ist kein Mensch wie ich und der Agelith. Du wirst mit ihm glücklich werden." Tithiri-luagur hörte auf zu weinen. Die alte Frau ging zu dem Agelith, erzählte ihm alles, was Hassan zu ihr gesagt hatte und sagte: "Dieser Hassan, mein Agelith, ist nicht ein Mensch wie du und ich es sind. Er ist nicht ein störrischer Mensch, wie du ihm gesagt hast. Wenn er wiederkommt, füge dich seinem Willen. Denn er vermag mehr als du, und du



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wirst im Streite unterliegen. Deshalb rate ich dir, ihm seinen Willen zu lassen." Der Agelith wurde zornig und sagte: "Soll ich dich fortjagen lassen, wie diesen Burschen?" Die alte Frau sagte: "Dieser Hassan ist ein Mensch ohne alles Böse, und ich bin eine schwache, alte Frau. Für den Bösen ist es leicht, mit beiden sich abzufinden." Die alte Frau ging. Der Agelith wagte es nicht, ihr etwas zu tun. Von, dem Tage an aber fürchtete er sich vor Hassan.

Hassan wanderte inzwischen weit fort. Er kam zu zwei Negern, die mühten sich seit zwölf Jahren ab, einen großen Stein aufzurichten. Hassan blieb stehen und sagte: "Was macht ihr da ?" Die zwei Neger sagten: "Wir wollen den Stein aufrichten. Wir versuchen es seit zwölf Jahren. Es gelingt uns aber nicht." Hassan lachte, trat heran und richtete den Stein mit einer Hand auf. Die beiden Neger erstaunten. Die Neger fielen vor Hassan nieder und sagten: "Sei du unser Herr. Wenn du unsere Hilfe je gebrauchst, so nimm eine Locke von unsern Haaren und verbrenne sie. Wir werden dann sogleich zur Stelle sein." Die beiden Neger schnitten sich einige Locken ihrer Haare ab. Hassan dankte ihnen und steckte die Haare zu sich.

Hassan wanderte weiter. Er kam zu einem Neger, der war riesenhaft groß. Seine Oberlippe reichte bis zu den Augen. Seine Unterlippe bedeckte die Brust. Der Neger saß am Wege, lachte, als er Hassan vorbeikommen sah und sagte: "Wo gehst du denn hin, du kleiner Mann!" Hassan sagte: "Du glaubst stärker zu sein als ich?" Der Neger lachte und sagte: "Ein wenig größer als eine Bohne bist du ja." Hassan sagte: "Neger essen gerne Bohnen; komm, iß mich!" Der Neger wurde zornig. Er sprang auf und wollte Hassan schlagen. Hassan packte ihn aber und warf ihn in die Luft. Der Neger flog so hoch wie ein Berg ist. Dann stürzte er vor Hassan auf die Erde. Der Neger blieb liegen vor Hassan und sagte: "Ich bitte dich! Sei du mein Herr. Du bist stärker als alle andern Männer der Welt. Ich will dir überallhin folgen." Hassan sagte: "So komm mit mir."

Hassan sagte bei sich: "Mit diesem Neger werde ich viel ausrichten können. Deshalb will ich zurückkehren und den Kampf gegen den Vater meiner Tithiri-luagur beginnen. Kommt es zum Ärgsten, so kann ich immer die andern beiden Neger herbeirufen." Hassan machte sich also auf den Rückweg. Der riesenhafte Neger folgte ihm.

Hassan kam mit dem Neger in einen Ort. Er gab dem Neger zehn Goldstücke und sagte: "Kaufe du hierfür etwas zu essen." Dann ging Hassan in das Haus. Der Neger ging aus und kaufte sich für zehn Goldstücke Brot. Das aß er. Der Neger sah einen Schlächter



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der trieb zwei große Ochsen vor sich her. Der Neger fragte den Schlächter: "Was sollen diese zwei Stücke Fleisch kosten?" Der Schlächter sagte: "Was sagst du? Stücke Fleisch. Das sind zwei schöne große Ochsen, und sie kosten hundert Goldstücke."

Der Neger nahm den einen Ochsen in die Höhe, wog ihn in der Hand und warf ihn dann über die linke Schulter. Er nahm den andern Ochsen auf, wog ihn in der Hand und warf ihn dann über die andre Schulter. Der Schlächter stand still und rief dann zornig: "Was machst du mit meinen Ochsen ?" Der Neger sagte: "Geh, Kleiner, bitte meinen Herrn, er wird dir dies Fleisch bezahlen." Der Neger ging mit den zwei Ochsen von dannen. Der Schlächter lief schimpfend hinterher.

Der Schlächter schrie: "Das ist zuviel für euch! Das könnt ihr ja gar nicht essen!" Der Neger sagte: "Was? Das soll zu viel sein? Der Neger nahm den einen Ochsen von der Schulter und verschlang ihn. Er sagte zum Schlächter: "Das ist für uns noch nicht einmal eine gute Mahlzeit." Der Schlächter schimpfte weiter. Der Neger wandte sich wieder um und sagte: "Schlächter, nun höre auf, oder du wirst auch zu einem Stück Fleisch."

Der Neger ging weiter. Der Schlächter war eine Weile still, dann begann er wieder zu schimpfen. Da wandte der Neger sich um, packte den Schlächter, schlug ihm erst den Kopf ab und verschlang ihn dann mit Haut und Knochen. Als das Volk das sah, begann er zu schreien und zu schelten. Nun aber wurde der Neger zornig. Er begann den umstehenden Leuten die Köpfe wie Gras abzuschlagen. (Wörtlich: äigidsen [schlagen] digthen [ihnen] äm'l [wie] l'hahschisch [Kraut].) Es entstand ein großes Geschrei. Hassan hörte es.

Hassan kam aus dem Hause und fragte: "Was gibt es denn?" Der Neger sagte: "Diese Leute haben noch nie einen Menschen gesehen, der Hunger hat." Der Agelith kam zu Hassan und sagte: "Wir bitten dich! Bringe diesen Neger fort. Er zerstört noch das ganze Dorf." Hassan rief den Neger in das Haus und schalt ihn. Der Neger sagte: "Ich will ja ruhig sein. Aber diese Menschen hier sind auch zu geizig. Keiner weiß einen guten Hunger zu stillen. Ich glaube, die Leute hier wissen gar nicht, was Hunger ist."

Am andern Tage wanderte Hassan mit dem Neger weiter. Als er abends in den andern Ort kam, ließ er dem Neger sieben Hammel, sieben Schalen mit Kuskus und sieben Ziegenhautsäcke mit Wasser vorsetzen. Nachdem der Neger das alles gegessen hatte, sperrte er ihn in eine Kammer und schloß sie hinter ihm ab. Hassan war aber kaum



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eingeschlafen, da klopfte der Neger hastig an Hassans Tür. Hassan fuhr aus dem Schlafe auf und fragte: "Was gibt es denn?" Der Neger schrie: "O Hassan, mein Herr, der Hunger plagt mich so, daß ich fürchte, den morgigen Tag nicht mehr zu erleben." Hassan wurde böse und sagte: "Schweige und warte bis morgen; dann wirst du wieder etwas zu essen bekommen."

Am andern Tage machte Hassan sich mit seinem Neger wieder auf den Weg, und an diesem Tage kam er im Orte des Vaters seiner Tithiri-luagur an. Die Leute des Agelith kamen ihm entgegen und kämpften gegen Hassan und den Neger. Der Neger schlug so viele tot, daß er bis zu den Knien im Blut watete. Der Agelith sandte aber immer mehr Leute, und als Hassan schon ganz nahe dem Hause des Agelith war, fiel der Neger unter den Hieben der Hunderte von Säbeln, und auch Hassan empfing eine Wunde, die vom Oberschenkel bis zum Bauch reichte.

Hassan ging zurück in sein Quartier. Er zog die Locke der zwei Neger, denen er den Stein aufgerichtet hatte, hervor und verbrannte sie. Sogleich standen die beiden Neger vor ihm. Der eine Neger sagte: "Was willst du, daß wir tun?" Der andere Neger sagte: "Ich sehe, du bist verwundet." Der Neger öffnete seinen Mund und leckte die Wunde Hassans. Sogleich war die Wunde geheilt. Hassan sagte: "Ich danke euch. Morgen früh wollen wir die Arbeit beenden."

Die beiden Neger sprachen am andern Morgen zusammen und sagten: "Der eine von uns beiden wird von dieser, der andere von der entgegengesetzten Seite der Stadt beginnen." Sie wollten sich dann in der Mitte treffen. Die beiden Neger begannen ihre Arbeit. Jeder von beiden vernichtete und fraß auf seiner Seite, was ihm entgegenkam. Als sie den letzten Mann packten, teilten sie ihn sich in zwei Hälften und jeder verschlang dann die ihm zukommende.

Der Vater der Tithiri-luagur erschrak. Er sah, daß für ihn keine Hoffnung auf Rettung war. Er ließ Hassan sagen, daß er mit allem einverstanden sei. Hassan kam in das Haus. Der Agelith gab Hassan seine Tochter Tithiri-luagur zur Frau. Der Agelith veranstaltete ein Fest von vierzehn Tagen. An diesem Feste nahmen aber nur Frauen teil, denn alle Männer waren von den drei Negern getötet worden. Nachdem dies Fest vorbei war, nahmen Hassan und Tithiri-luagur von dem Agelith Abschied und machten sich auf den Heimweg zu der Stadt des Vaters Hassans.



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Als seinerzeit der Vater seinem Sohne so zürnte, daß er Hassan ins Meer werfen zu lassen beschloß, beauftragte er hiermit seinen Usir. Er sagte aber seinem Usir, daß er vor dem letzten Abschied Hassan noch einmal fragen solle, ob er seine Verstocktheit bereue. Erst wenn Hassan im letzten Augenblick bei seiner Verstocktheit bleiben sollte, sollte der Usir die Kiste in das Wasser werfen. Der Usir hatte es nun mit der Ausführung seines Auftrages so eilig gehabt, daß er vergaß, Hassan noch einmal zu fragen, ob er seine Verstocktheit nicht bereue. Der Agelith war aber ein sehr genauer Mann, und als er den zurückkehrenden Mann fragte, wie es mit der letzten Frage an Hassan stünde und als der Usir zugab, daß er die letzte Frage versäumt habe, da ward der Agelith zornig und wollte nun auch den Usir töten. Der Usir aber floh.

Der Usir floh in den fernsten Ort des Landes und versteckte sich da als ein armer Arbeiter. Nachdem Hassan nun aber dem Lande fern blieb, kam über das ganze Land eine große Not. Kein Baum blühte mehr und trug Früchte. Kein Tier hatte Junge. Kein Kind ward mehr geboren. Das war in allen Teilen des Landes des Vaters Hassans so. Um die Stadt selbst wuchs die Mauer, die sieben Tore schlossen sich, und niemand konnte hinein oder heraus. Zwölf Jahre war Hassan im Auslande. Während der zwölf Jahre währte dieses große Elend.

Der erste Mann, den Hassan nun bei der Rückkehr in das Land seines Vaters wiedersah, war der Usir, der ihn damals auf Befehl seines Vaters ins Meer geworfen hatte. Der Usir war ein gewöhnlicher Arbeiter geworden, ganz mager, ganz arm, so daß er nur zwei Stückchen Stoff, eines hinten und eines vorne trug. Hassan erkannte ihn. Er rief ihn heran. Er gab ihm Essen, er ließ ihn baden, er kleidete ihn und gab ihm vier Hände voll Gold. Er sagte ihm: "Usir, erkennst du mich nicht ?" Der Usir sagte: "Nein, ich weiß nicht, wer du bist, wenn ich auch deine große Güte erkenne." Hassan sagte: "Ich bin Hassan, der Sohn deines Herrn." Da fiel der Usir voll Scham und Dankbarkeit auf die Erde und weinte.

Hassan wanderte mit Tithiri-luagur bis zum Flusse. Da ließ er seine jung verheiratete Frau (eine neu verheiratete, verschleierte Frau nennt man Thehajib; eine junge Frau ist tithlith, zum Schmuck der jungen Frau gehören: thaatähbs, das silberne Stirndiadem; agut-hehäriä, das Stirntuch aus Seide [Seide =lehäriäj; amendie =Schleier, rafuthmfth = Gesicht: der Gesichtsschleier. — Der Volkssage nach erfolgt die Verschleierung der ersten Tage wie



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in Nupe nur, um Chtaplaräith nicht anzulocken, der jung verheiratete Frauen gern stiehlt) im Schutze seiner Leute zurück. Er ging gegen Nacht voraus zur Stadt seines Vaters. Da sah er, daß die Mauer um die Stadt gewachsen und die Tore geschlossen waren, so daß niemand hinein und heraus konnte. Als Hassan das sah, kehrte er sogleich zurück, um noch vor völliger Dunkelheit wieder bei Tithiriluagur zu sein.

An diesem Tage ereignete sich nun ein großes Unglück. Ein Agelith der Aldjenu hatte eine Tochter mit Namen Hajads ei Muds. Sie sollte gerade heute mit dem Sohn eines andern Agelith der Aldjenu verheiratet werden. Dieser Sohn eines Aldjenu-Agelith starb aber gerade in dem Augenblick, als Hajads ei Muds, die Schönste aller Frauen, sein Haus betrat, um mit ihm verehelicht zu werden. Der Vater des gestorbenen Burschen erschrak sehr, denn er fürchtete den Zorn und die Rache des Vaters der Hajads ei Muds.

Der Aldjenu-Agelith, dessen Sohn gestorben war, rief deshalb sogleich seine besten Leute und sagte zu ihnen: "Macht euch eilends auf den Weg und sucht den schönsten Jüngling, den ihr findet, an Stelle meines gestorbenen Sohnes herbei, so daß Hajads ei Muds ihn hier findet. Eilt euch und bringt den Schönsten. Denn mein Sohn war schön, und nur an einem ungewöhnlich schönen Jüngling kann Hajads ei Muds ihre Freude haben." Die Aldjenu machten sich sogleich auf den Weg, und als Hassan ganz nahe dem Lager seiner Tithiri-luagur war, fielen sie über Hassan her und nahmen ihn mit sich.

Unterwegs zum Hause ihres Herrn begegneten sie aber dem Oberherrn aller Aidjenu. Der Oberherr fragte: "Was tragt ihr da?" Die Aldjenu sagten: "Der Sohn unseres Agelith ist plötzlich heute, wo er mit Hajads ei Muds verheiratet werden sollte, gestorben. Nun betritt Hajads ei Muds gerade das Haus, und ihr Vater wird sicher zornig werden, wenn Hajads ei Muds ihren Gatten nicht findet. So hat uns denn unser Herr befohlen, einen Mann von ungewöhnlicher Schönheit zu suchen und zu bringen. Denn der Sohn unseres Herrn war sehr schön." Der Oberherr der Aldjenu trat heran und betrachtete Hassan. Er erschrak, als er ihn sah und sagte: "Wirklich, dieses ist der schönste Mann, den ich irgendwo und irgendwann sah. Ihr dürft diesen Mann nicht für lange fortnehmen. Ihr könnt ihn heute nacht zu Hajads ei Muds bringen. Morgen früh müßt ihr ihn aber wieder dahin tragen, wo ihr ihn genommen habt." Die Aldjenu versprachen es und trugen Hassan weiter.



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Als Hassan erwachte, lag er auf einem schönen Lager. Als er die Augen aufschlug, öffnete sich die Tür und Hajads ei Muds betrat das Zimmer. Hajads ei Muds sah Hassan und schrie auf. Hassan sah Hajads ei Muds und schrie auf. Hajads ei Muds kam auf Hassan zu und sagte: "Gibt es solche Schönheit? Wenn mein Herz nicht so klopfte, daß ich kaum sprechen kann, würde ich glauben, ich läge im Schlafe und träumte. Oh, welche Gnade, daß ich dich berühren darf." Hajads ei (oder il) Muds trat auf ihn zu. Hassan begann vor Glück zu weinen, so daß die Tränen aus seinen Augen rollten. Wo diese Tränen aber auf die Erde fielen, wurden sie zu Diamanten und zuletzt stand Hajads ei Muds auf dem Boden zwischen den Diamanten, wie der Mond am Himmel zwischen den Sternen. Hassan umarmte Hajads ei Muds. In der Nacht schenkte Hassan seinen Fingerring mit seinem Namen Hajads ei Muds. Hajads ei Muds aber schenkte ihren Ring mit ihrem Namen Hassan. Als es Morgen wurde, kamen die Aldjenu, hoben Hassan auf und trugen ihn in sein Lager zu Tithiri-luagur.

Von dem Tag an war Hassan stumm.

Von dem Tag an war Hajads ei Muds stumm.

Am andern Tage brach Hassan mit Tithiri-luagur und den beiden Knaben, die sie ihm während der langen Reise geschenkt, auf und kam zu der Stadt seines Vaters. Sobald er zu der Stadt kam, öffneten sich die Tore von selbst, die Tiere bekamen Junge, die Frauen brachten Kinder zur Welt und alle Bäume blühten. Der Agelith kam seinem Sohne Hassan entgegen. Der Agelith sah, daß sein Sohn stumm war. Der Ageiith seufzte und sagte: "O mein Sohn Hassan, nun habe ich dich wieder. Du aber bist stumm!" Der Vater war sehr betrübt.

Am siebenten Tage machte Hassan sich auf den Weg, um Hajads ei Muds zu suchen. Er wanderte lange umher. Er zeigte allen Leuten den Ring mit dem Namen der Hajads ei Muds. Die Leute schüttelten den Kopf und gaben den Ring zurück. Er wanderte lange und weit, bis er eines Tages Leute traf, die den Namen auf dem Ringe lasen und sagten: "Wenn du diesen Weg dort gehst, wirst du richtig hinkommen." Hassan wanderte und kam in die Stadt, in der Hajads ei Muds im Hause des Agelith, ihres Vaters, wohnte.

Hassan nahm in der Stadt ein Zimmer. Er suchte eine alte Frau auf. Er gab ihr vier Hände voll Gold und zeigte ihr den Ring mit dem Namen Hajads ei Muds. Die alte Frau sagte: "Ich verstehe dich! Ich soll dich in das Haus Hajads ei Muds bringen." Hassan nickte mit dem Kopfe. Die Alte sagte: "Ich glaube, das kann ich machen.



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Leih mir den Ring." Hasan gab der alten Frau den Ring mit dem Namen der Hajads ei Muds.

Die alte Frau ging in das Haus des Agelith und in die Kammer der Hajads ei Muds, die still und stumm und traurig auf ihrem Lager lag. Die alte Frau reichte Hajads ei Muds den Ring. Hajads ei Muds sah ihn, nahm ihn der Alten fort, setzte ihn auf den Finger und konnte sogleich sprechen. Hajads ei Muds sagte: "Sogleich bringe mir Hassan hierher oder ich töte dich."

Die Alte eilte fort. Sie machte einen großen Korb (thakofuths); mit dem ging sie zu Hassan und sagte: "Lege dich in diesen Korb, ich werde einige Stoffe über dich decken und dich so in die Kammer Hajads ei Muds bringen. Hajads ei Muds will dich sogleich sehen." Hassan legte sich in den Korb. Die Alte brachte den Korb in das Haus des Agelith und in die Kammer der Hajads ei Muds. Hassan sprang heraus. Hassan sah Hajads ei Muds. Hajads ei Muds nahm Hassans Ring von ihrem Finger und steckte ihn Hassan an die Hand. Hassan sagte: "Nun werden wir nicht mehr auseinandergehen!" Hassan schenkte der alten Frau hundert Hände voll Gold und schickte sie mit dem leeren Korb wieder fort.

Nach einigen Tagen sagte Hassan zu Hajads ei Muds: "Nun werde ich zu deinem Vater gehen und ihm sagen, daß ich dich heiraten will." Hajads ei Muds sagte: "Gut denn, gehe zu meinem Vater und fordere mich zur Frau. Mein Vater wird dir sagen: ,Ich habe keine Tochter!' Mein Vater wird dir diese Antwort dreimal geben. Bestehe aber darauf. Dann wird mein Vater sagen: ,Wenn du weißt, daß ich eine Tochter habe, so zeige mir ein Zeichen von ihr.' Dann zeige ihm diesen meinen Ring mit meinem Namen."

Hassan nahm Abschied von Hajads ei Muds. Er ging zu dem Vater Hajads ei Muds und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter!" Hassan sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter." Hassan sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter." Hassan sagte: "Du hast doch eine Tochter und ich bitte dich, sie mir zur Frau zu geben." Der Ageiith sagte: "Wenn du so genau weißt, daß ich eine Tochter habe, so zeige mir ein Zeichen von ihr." Hassan zeigte dem Agelith den Ring und sagte: "Hier ist der Ring mit dem Namen deiner Tochter."

Der Agelith sagte: "Hiergegen kann ich nichts sagen. Ich will dir also meine Tochter zur Frau geben. Vorher zeige mir aber, was du



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kannst und ob du würdig bist, der Gatte meiner Tochter zu werden. Ich werde dich in eine Grube werfen, um dich einen Haufen Holz werfen und das Holz anzünden lassen. Wenn du mit dem Leben davon kommst, wie dir dies auch immer gelingen mag, sollst du meine Tochter zur Frau haben." Der Agelith rief seine Leute. Der Agelith ließ eine Grube graben und um ihn Holz aufschichten. Er sagte: "Morgen früh zündet das Holz an. Wir wollen sehen, ob Hassan dann noch meine Tochter heiraten will."

Inzwischen saßen die beiden Knaben, die Tithiri-luagur Hassan geschenkt hatte und die Hassan und Hussein hießen, bei ihrem Großvater, dem Agelith. Das Essen wurde aufgetragen. Der Großvater sagte zu den Knaben: "Nun esst!" Da begannen Hassan und Hussein zu weinen. Der Agelith sagte: "Meine Knaben, so weint nicht und esst." Die Knaben sagten aber: "Wie können wir hier essen und trinken, wenn unser Vater Hassan soeben in eine Grube geworfen, mit Holz bedeckt wird und morgen früh verbrannt werden soll!"

Der Agelith erschrak. Er sagte: "Ihr habt recht. Was können wir da aber tun?" Hassan und Hussein sagten: "Laß uns deine beiden Pferde, die so schnell sind wie der Blitz, besteigen, daß wir hinreiten und unserm Vater helfen." Der Agelith sagte: "Werdet ihr hierzu imstande sein?" Hassan und Hussein sagten: "Ja, wir werden es können. Wir verdanken der Güte unseres Vaters so viel Kraft, daß wir alles vermögen, was ihn retten kann." Der Agelith sagte: "Dann bin ich damit einverstanden."

Hassan und Hussein bestiegen die Pferde, die so schnell waren, wie der Blitz. Hassan und Hussein sagten: "Bringt uns geschwind dahin, wo unser Vater Hassan ist." Die Pferde sagten: "Wie schnell soll es sein?" Hassan und Hussein sagten: "So geschwind wie möglich." Die Pferde sagten: "So schließt die Augen!" Hassan und Hussein schlossen die Augen. Die Pferde sagten: "Öffnet die Augen!" Hassan und Hussein öffneten die Augen. Ihre Pferde standen vor dem Holzstoß.

Hassan und Hussein riefen: "Unser Hassan!" Als sie das sagten, ging es wie ein Wetterbruch (thruthigenaith) über das Land. Hassan rief aber unter dem Holz hervor: "Ich liege unter dem Holz, meine Söhne!" Hassan und Hussein ritten auf den Holzstoß zu. Ihre Pferde warfen mit den Hufen alles Holz auseinander. Hassan stieg aus der Grube empor.

Die Menschen standen in einem großen Kreise umher. Hassan und



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Hussein nahmen ihren Vater Hassan in die Mitte. Sie ritten auf die Menschen zu. Die Pferde zertraten alle zwischen ihren Hufen, die sich in den Weg stellten. Hassan und Hussein ritten mit ihren Pferden zwischen den Menschen einen breiten Weg frei. Der Weg führte zum Hause des Agelith. Alle Menschen flohen zur Seite.

Hassan ging in das Haus des Agelith. Der Ageiith erschrak. Hassan sagte: "Du sagtest mir, daß ich deine Tochter zur Frau haben solle, wenn ich der Grube und dem Holzfeuer entginge. Hier bin ich. Nun gib mir deine Tochter!" Der Agelith sagte: "So nimm meine Tochter." Hassan ging in die Kammer und führte Hajads ei Muds herab. Er nahm sie auf das eine Pferd, das so schnell war, wie der Blitz. Hassan und Hussein stiegen auf das andere Pferd, das so schnell war, wie der Blitz.

Sie ritten heim.


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