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Die Geschichte vom weifen Njal


Mit einer Karte


Übertragen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diedrichs in Jena 1914


97. Höskulds Godentum und Heirat; das Fünfergericht

Jetzt ist da fortzufahren, daß Njal sich mit Höskuld besprach: "Ich möchte nach einer Partie für dich suchen, mein Ziehsohn, nach einer Heirat." Höskuld sagte, das sei ihm recht, er möges in die Hand nehmen; wo er sich am ehesten umsehen wolle: Njal antwortete: "Es ist ein Mädchen namens Hildigunn , Tochter des Starkad, des Sohnes von Thord dem Freyspriester: das ist die beste Heirat; die ich kenne." Höskuld sagte: "Bestimme du, Ziehvater ! Ich werdes so machen, wie du es haben willst." "Hier wollen wir uns also umsehen, sagte Njal.

Kurz danach bot Njal Leute auf, mit ihm zu gehn; es gingen die Sigfussöhne und die Njalssöhne sämtlich und Kari Sölmundssohn . Sie ritten ostwärts nach Schweinsberg. Dort fanden sie gute Aufnahme. Am Tag darauf traten Njal und Flosi ins Gespräch. Njals Worte nahmen die Wendung, daß er sagte: "Dieses Anliegen führt mich her, daß wir auf einem Werbungsgang sind und um deine Bruderstochter Hildigunn anhalten wollen." "Zu wessen Handen:" fragte Flosi. "Meines Ziehsohnes Höskuld," sagte Njal. "Ein guter Gedanke" sagte Flosi; "freilich stehts gewagt zwischen euren beiden Sippen. Was hast du denn von Höskuld zu berichten:" "von ihm kann ich Gutes berichten," sagte Njal;"auch will ich soviel Geld beisteuern , daß ihr es anständig findet, falls ihr diese Sache in Erwägung ziehen wollt." "Wir wollen sie herrufen," sagte Flosi, "und sehen, wie ihr der Mann gefällt."

Da wurde sie hergerufen, und sie kam. Flosi berichtete ihr die Werbung. Sie sagte, ihr Sinn gehe hoch hinaus" ,und ich weiß nicht, wie ich mich stellen soll, in Anbetracht, daß hier solche Männer in Frage stehn, aber hinwiederum auch, daß dieser Mann keine Dingherrschaft 1 hat. Du hast doch gesagt, du würdest mich keinem Manne ohne Godentum zur Frau geben." " Das genügt allein schon," sagte Flosi" ,daß du dich nicht verheiraten willst: da werd ich auf ihren Antrag nicht eingehn." "So mein



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ichs nicht,"sagte sie" ,daß ich den Höskuld nicht heiraten möchte, wenn sie ihm eine Dingherrschaft verschaffen; aber andernfalls werd ich auf ihren Antrag nicht eingehn." Njal sagte; "Da möcht ich mir hierfür eine Frist von drei Jahren erbitten." Flosi antwortete, so soll es sein."Den Punkt möcht ich noch ausbedingen," sagte Hildigunn, " wenns zu dieser Heirat kommt, daß wir hier im Osten wohnen." Njal sagte; das wolle er Höskuld überlassen; aber Höskuld meinte; vielen vertraue er, aber keinem so fest wie seinem Ziehvater 1. Nun ritten sie nach dem Westen zurück.

Njal suchte für Höskuld eine Dingherrschaft, und keiner wollte sein Godentum verkaufen 2. Es verstrich nun der Sommer bis gegens Allding hin. Diesen Sommer standen große Dingfehden bevor. Es tat da mancher, wie ers gewohnt war, daß er den Njal aufsuchte; aber er erteilte solche Ratschläge — was man nicht geglaubt hätte —, daß Klagen und verteidigungen hinfällig wurden. Und daraus entstand großes Gezänke, weil die Prozesse nicht zum Abschluß kommen konnten. und die Leute verließen das Ding in Unfrieden.

Nun verstrich die Zeit, bis das nächste Ding kam. Njal ritt aufs Ding, und anfangs war das Ding ruhig, bis daß Njal davon sprach, es sei an der Zeit, die Klagen kundzumachen. viele meinten, das habe keinen großen Zweck, da keiner seine Sache durchführen könne, wenn er auch vors Ding geladen hätte: " wir wollen lieber," sagten sie, " uns Recht holen mit Spitze und Schneiden" "Das darf nicht sein," sagte Njal, " es führt zu nichts Gutem, kein Gesetz im Lande zu haben. Doch



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könnt ihr euch mit Recht hierüber beschweren, und die Sache geht uns an, die wir das Gesetz kennen und es lenken sollen. Mir scheint es ratsam, daß wir, sämtliche Häuptlinge, uns einberufen und darüber reden."

Da gingen sie zur gesetzgebenden Kammer 1. Njal sagte: "Dich ruf ich dazu auf, Skapti Thoroddssohn 2 ,und die andern Häuptlinge, daß nach meiner Meinung unsre Zustände in eine aussichtslose Lage geraten sind, wenn wir Klagen vorbringen sollen an den Viertelsgerichten und sie werden so durchkreuzt, daß sie weder zu Fortgang noch Abschluß kommen. Mir scheint es ratsamer, daß wir ein fünftes Gericht bekämen und an diesem die Klagen vorbrächten, die am Viertelsgericht nicht zum Abschluß kommen." "Wie willst du," fragte Skapti, "das Fünfergericht 3 besetzen, da von den alten Godentümern schon die Viertelsgerichte besetzt werden, drei Dutzend Urteiler in jedem viertel:" "Dafür weiß ich Rat," sagte Njal: " neue Godentümer zu gründen — die Männer, die sich am besten dazu schicken aus jedem Viertel; und es sollen die ihrem Ding beitreten, die damit einverstanden sind ." "Dieser vorschlag ist uns recht," sagte Skapti: " aber welcherlei Klagesachen sollen vor dieses Gericht kommen:" Diese Sachen sollen davor kommen," sagte Njal: " alles was Dingirrung betrifft; wenn man falsches Zeugnis oder falschen Geschworenenspruch erbringt- auch alle Dingspaltungssachen sollen davor kommen, wo man im Viertelsgericht keine Einstimmigkeit erreicht hat: die soll man ans Fünfergericht weisen; desgleichen, wenn man bestochen hat oder sich bestechen lassen. In diesem Gerichte sollen lauter stärkste Eide gelten und zwei Männer jeden Eid stützen, die das auf ihre Mannesehre nehmen sollen, was jene schwören 5. Desgleichen, wenn der eine seine Sache recht führt und der andere falsch. da soll man zugunsten derer urteilen, die sie recht vertreten. An diesem Gericht soll man jede Klage so verfolgen wie am Viertelsgericht, ausgenommen, wenn die vier



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Dutzend Urteiler ins Fünfergericht ernannt sind, dann soll der Kläger sechs Männer aus dem Gericht ablehnen und der verteidiger weitere sechs: will dieser aber keine ablehnen, dann soll der Kläger das ganze Dutzend ablehnen; tut der Kläger das nicht, dann fällt der Prozeß dahin, denn drei Dutzend sollen urteilen 1.

Wir sollen auch diese Einrichtung der gesetzgebenden Kammer treffen 2 , daß die berechtigt sein sollen, über Gesetze und Bewilligungen zu beschließen, die auf der mittleren Bankreihe sitzen, und man soll die dazu wählen, die am verständigsten sind und rechtschaffensten 3 Wenn die äch nicht einigen, die in der Gesetzgebungskammer sitzen, was sie bewilligen oder zum Gesetz erheben wollen, dann soll die Mehrheit zwischen ihnen entscheiden . Aber wenn jemand draußen vor der Gesetzgebungskammer steht und man läßt ihn nicht hineintreten oder er findet sich vergewaltigt, dann soll er gesetzlichen Einspruch erheben, so daß mans höri in der Kammer, und damit hai er ihnen durch- getan all ihre Bewilligungen und alles, was sie an gesetzlichen Bestimmungen vorbrachten."

Danach ließ Skapti Thoroddssohn ins Gesetz aufnehmen das Fünfergericht und das übrige, was vorgebracht worden war. Hierauf ging man zum Gesetzesfelsen. Da gründete man neue Godentümer. Im Nordviertel waren diese neuen Godentümer: das Godentum der Leute von Kies in der Mittelföhrde 4 und das Godentum der Leute von Laubgrat in der Inselföhrde.

Da heischte Njal sich Gehör und sagte: "Vielen ist es bekannt, wie es erging zwischen meinen Söhnen und den Grießachleuten, und daß sie erschlugen den Thraïn Sigfussohn; und doch legten wir die Sache bei, und ich habe Höskuld aufgenommen und ihm eine Heirat gesichert, für den Fall, daß er irgend ein



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Godentum erlange; aber keiner will sein Godentum verkaufen. Ich möcht euch bitten, daß ihr mir erlaubt 1, ein neues Godentum zu gründen, auf Weißspitze 2, für Höskuld." Er erlangte das von allen. Darauf gründete erdas Godentum für Höskuld, und der wurde seither genannt Höskuld der Weißspitzengode.

Hernach ritt man vom Ding nach Hause. Njal hielt sich nur kurz daheim auf, bis er mit seinen Söhnen nach Schweinsberg hinüber ritt und bei Flosi die Werbung aufnahm. Aber Flosi sagte, er wolle ihnen Wort halten. Da wurde Hildigunn dem Höskuld verlobt und das Hochzeitsgelage verabredet. Damit war dies erledigt, und sie ritten zurück. Aber ein zweites Mal ritten sie hin, auf die Hochzeit. Nach dem Fest löste Flosi ihr ganzes vermögen ab und zahlte es nach Wunsch aus. Die beiden zogen nach Bergthorsbühl und wohnten dieses Jahr dort, und es ging alles gut zwischen Hildigunn und Bergthora. Aber im Frühjahr darauf kaufte Njal Land in Wörsahof und übergab es dem Höskuld, und der siedelte dahin über. Njal besorgte ihm alles Gesinde. Und so warm wars zwischen ihnen allen, daß keiner etwas beschließen mochte, ohne sich mit den andern zu beraten. So wohnte Höskuld in Wörsahof lange Zeit, daß sie gegenseitig ihr Ansehen stützten, und die Söhne Njals begleiteten ihn auf seinen Ritten. So eifrig hatten sies mit ihrer Freundschaft, daß beide Teile einander jeden Herbst zu sich einluden und einander große Geschenke machten. So gings eine gute Zeit.


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