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Die Geschichte vom weifen Njal


Mit einer Karte


Übertragen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diedrichs in Jena 1914


92. Der Kampf am Waldstrom

Jetzt gabs viel Gerede über ihren Zwist, und niemand zweifelte, daß es sich damit nicht legen werde. Runolf, der Sohn Ulfs des Sandgoden in Tal, war Thraïns guter Freund und hatte den Thraïn zu sich eingeladen, und es war ausgemacht; er solle hinüber kommen, wenn drei Wochen vom Winter um seien oder ein Monat. Mit Thraïn gingen hin der Mords-Hrapp und Grani Gunnarssohn, Gunnar Lambissohn, Lambi Sigurdssohn nebst Lodin und Tjörwi. Sie waren achte; dazu sollten Thorgerd und Hallgerd mitgehn Thraïn machte auch kund, daß er in Wald bei seinem Bruder Keul einzukehren denke, und zeigte an, wieviele Tage er fortzubleiben denke. Sie waren alle vollbewaffnet. Sie ritten nun ostwärts über den Waldstrom und fanden dort arme Weiber, die baten, man möge sie auf die Westseite übersetzen. Das taten sie. Dann ritten sie nach Tal und fanden dort gute Aufnahme. Ketil aus Wald war schon dort. Sie saßen da drei Tage.



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Runolf und Ketil baten Thraïn, er möge sich mit den Njalssöhnen vertragen. Aber er erklärte, er werde nie zahlen, und antwortete kopfscheu; er halte sich für genügend gerüstet gegen die Njalssöhne, wo sie sich auch träfen."Kann sein, daß es so ist," sagte Runolf,",aber ich glaube umgekehrt, daß keiner ihnen gleichkommt, seit Gunnar von Haldenende hinging, und das wahrscheinliche ist, daß es hier einen der Teile ins verderben reißt." Thraïn sagte, das werde ihm nicht bange machen.

Dann sog Thraïn nach Wald hinauf und blieb dort zwei Tage. Darauf ritt er nach Tal zurück und wurde hier wie dort mit anständigen Geschenken entlassen. Der Waldstrom floß zwischen Eisrändern, und da und dort führten schmale Bänder hinüber. Thraïn sagte, er habe vor, den Abend noch heimzureiten. Runolf sagte, er solle nicht reiten; es sei vorsichtiger, nicht zu der Zeit zu ziehen, die er genannt hatte. Thraïn antwortete Das heißt sich fürchten, und das will ich nicht!"

Die Bettelweiber, die sie über den Strom gesetzt hatten, kamen nach Bergthorsbühl, und Bergthora fragte sie, woher sie seien; aber sie sagten, sie seien von drüben unter den Inselbergen. "Wer setzte euch über den Waldstrom:" fragte Bergthora, "Leute, die so recht groß taten," sagten sie. " Wer waren die?' fragte Bergthora. "Thraïn Sigfussohn," sagten sie, "und seine Begleiter. Aber das mißfiel uns besonders," sagten sie, "daß sie so viele und böse Reden führten bier über deinen Mann und seine Söhne." Bergthora sagte: " Nicht jeder kann sich seinen Ruf bestellen." Damit zogen sie fort, und Bergthora machte ihnen Geschenke und fragte sie, wann Thraïn zurückkommen werde. Sie sagten, er wolle vier oder fünf Tage fortbleiben . Darauf berichtete Bergthora ihren Söhnen und ihrem Schwiegersohn Kari und sprach lange mit ihnen insgeheim.

Aber an dem selben Morgen, als Thraïn westwärts ritt. erwachte Njal in der Frühe und hörte, daß Skarphedins Art an die Bretterwand stieß. Da stand Njal auf und ging vors Haus und sah, daß seine Söhne alle in Waffen waren und sein Schwiegersohn Kari desgleichen. Skarphedin ging zuvorderst; er war in dunkelblauer Jacke und hatte einen Tartschenschild und seine Art geschultert. Hinter ihm ging Kari er trug ein



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Seidenwams, einen vergoldeten Helm und einen Schild, auf dem war ein Löwe gemalt 1. Hinter ihm ging Helgi er war in rotem Rock, einen Helm auf dem Kopf und einen roten Schild mit einem Hirsch als Zeichen 1. Auch die zwei andern waren in farbigen Kleidern. Njal rief dem Skarphedin zu:"Wohin solls gebn, Junge:" "Auf die Schafsuche," sagte er. "So wars schon einmal," sagte Njal, "und da sagtet ihr nach Männern." Skarphedin lachte und sagte: "Hört ihr; was der Alte sagt: Er hat seinen Argwohn!" "Wann spracht ihr dies früher schon:" fragte Kari. "Damals erschlug ich Sigmund den Weißen, Gunnars Vetter sagte Skarphedin."Weswegen:" fragte Kari. Er hatte Thord den Freigelassenensohn erschlagen, meinen Ziehvater," sagte Skarphedin 2

Njal ging ins Haus, aber sie zogen nach Rotschlipfen hinauf und warteten dort man konnte es von dort sehen, sobald jene von Tal herritten. Es war Sonnenschein an dem Tage und helles Wetter. Jetzt ritten Thraïn und die Seinen von Tal her den Sandufern entlang. Lambi Sigurdssohn sagte: "In Rotschlipfen blitzen Schilde auf, wenn die Sonne drauf scheint: da werden einige im Hinterhalt liegen." "Dann wollen wir uns stromabwärts wenden," sagte Thraïn, "sie werden dann zu uns stoßen, wenn sie etwa ein Geschäft mit uns haben." Sie wandten sich nun stromabwärts 3.

Skarphedin sagte: "Jetzt haben sie uns gesehen, denn sie biegen um. Da bleibt uns nichts andres, als hinunterzulaufen auf ihren Weg." Kari sagte: "Sonst legt man Hinterhalt nicht mit so viel schwächerer Mannschaft wie wir: sie sind acht und wir fünf." Sie wandten sich nun stromabwärts und sahen eine Eisbrücke weiter unten und wollten dort hinüber. Thraïn und die Seinen nahmen Stand oberhalb der Brücke auf dem Eise. Thraïn sagte: "Was können diese Männer wollen Sie sind fünf, aber wir sind acht." Lambi Sigurdssohn sagte:"Ich ver



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mute, sie würden äch dran wagen, auch wenn noch einer mehr hier stände!" Thraïn fuhr aus dem Mantel und nahm den Helm ab.

Dem Skarphedin begegnete es, als sie dem Strom entlang liefen, daß sein Schuhriemen entwei riß, und er blieb zurück. "Was zauderst du so, Skarphedin fragte Grim. "Ich binde meinen Schuh," sagte er. "Gehn wir voraus!" sagte Kari: "ich glaube fast, er wird nicht langsamer sein als wir." Sie wandten sich hinunter zu der Eisbrücke und liefen scharf. Skarphedin sprang auf, sobald er den Schuh gebunden hatte, und hielt die Art hoch; er lief gegen den Strom vor, aber der Strom war so tief, daß er weithin ungangbar war. Hohes Eis hatte sich gestaut drüben am Strom, so glatt wie Glas, und Thraïn mit den Seinen stand mitten auf dem Eise. Skarphedin schnellte sich empor und sprang über den Strom von einem Eisrand zum andern, gewann festen Stand und sauste sofort gleitend weiter. Das Eis war sehr glatt, und er fuhr dahin, als flöge ein vogel. Thraïn dachte sich eben den Helm aufzusetzen . Skarphedin war eher zur Stelle und hieb nach Thraïn mit der Art Schlachthere '; sie traf den Kopf und spaltete ibn bis auf die Backenzähne herab, so daß diese hinfielen aufs EIS. Dies spielte sich ab so in Blitzeseile, daß keiner zum Hieb auf ihn kam. Er sauste sogleich zurück in fliegender Fahrt. Tjörwi schnellte ibm die Tartsche in den Weg: da hüpfte er hinüber, kam doch zu stehn und sauste an das Ende des Eises.

Da kamen ihm Kari und sie entgegen. "Das heißt mannhaft losgegangen!" sagte Kari. "Bleibt noch der Anteil von euch!" sagte Skarphedin. Da wandten sie sich gegen sie hinauf. Grim und Helgi sahen den Hrapp stehn und wandten sich sogleich ihm zu. Hrapp hieb sogleich nach Grim mit der Art; Helgi sah dies und hieb dem Hrapp auf die Hand, so daß es sie abtrennte, und die Art fiel hin. Hrapp sagte: "Hier hast du ein hochnötiges Werk vollführt; denn diese Hand hat manchem Manne Schaden gebracht und Tod." "Hier solls nun ein Ende haben," sagte Grim, und durchbohrte ihn mit dem Speere; da fiel Hrapp tot bin. 1



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Tjörwi wandte sich gegen Kari und schoß den Speer auf ihn. Kart sprang in die Höhe, und der Speer flog ihm unter den Füßen durch. Kari sprang auf ihn zu und hieb nach ihm mit dem Schwerte —auf die Brust und sogleich ins Innere; er war sogleich des Todes. Skarphedin packte die beiden, Gunnar Lambissohn und Grani Gunnarssohn, und sagte: "Hier hab ich zwei Wolfsjunge gefangen; was soll man mit ihnen machen:" "Dir ständes frei," sagte Helgi, "sie alle beide zu erschlagen, wenn du ihren Tod wolltest." "Es widerstrebt mir," sagte Skarphedin, " beides zugleich zu tun: dem Högni zu helfen und seinen Bruder zu töten." "Eines Tages wird es dahin kommen," sagte Helgi, "daß du ihn wünschtest getötet zu haben; denn nie wird er dir treu werden und keiner von denen, die jetzt hier sind." Skarphedin sagte: "Fürchten werd ich sie nicht!" Darauf schenkten sie das Leben dem Grani Gunnarssohn, dem Gunnar Lambissohn, dem Lamb Sigurdssohn und dem Lodin.

Hernach machten sie sich nach Hause, und Njal fragte nach Neuigkeiten. Sie erzählten ihm alles aufs genaueste. Njal sagte: "Große Neuigkeiten sind das, und das Wahrscheinliche ist, daß hieraus der Tod eines meiner Söhne entspringt, wenn es nicht zu noch mehr führt!"

Gunnar Lambissohn schaffte Thraïns Leichnam mit sich nach Grießach, und dort wurde er eingehügelt.


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