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Die Geschichte vom weifen Njal


Mit einer Karte


Übertragen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diedrichs in Jena 1914


88. Hrapps Tempelschändung und Flucht

Jetzt ist davon zu erzählen, daß in diesem Sommer die Njals söhne von den Orkaden nach Norwegen gefahren waren, und hier waren sie den Sommer beim Warenvertrieb 1. Thraïn Sigfussohn rüstete eben sein Schiff für die Islandfahrt und war so ziemlich fertig.

Damals war Jarl Hakon zu einem Gelage bei Gudbrand gezogen. In der Nacht ging der Mords-Hrapp zu dem Gotteshaus des Jarls und Gudbrands. Er trat in das Haus ein; er sah die Thorgerd Hölgabrud sitzen, die war so groß wie ein



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erwachsener mann; sie hatte einen großen Goldring am Arme und eine Leinenhaube auf dem Kopf. Er zog ihr die Haube weg und nahm ihr den Goldring ab. Da sah er Thor auf seinem Wagen und nahm ihm einen zweiten Goldring ab. Einen dritten nahm er von der Irpa 1 und schleppte die Bildnisse alle hinaus und nahm ihren gangen Anzug an sich. Darauf legte er Feuer an das Gotteshaus und verbrannte es. Hernach ging er fort. Eben wurd es Morgen. Er schritt über einen Acker, da sprangen sechs bewaffnete Männer auf und griffen ihn sogleich an, aber er wehrte sich wacker. Das Ende war, daß er dreie erschlug und den Thrand tödlich verwundete und die übrigen zwei in den Wald jagte, so daß sie dem Jarl keine Botschaft bringen konnten. Da ging er ;u Thrand hin und sagte: "Jetzt stände es mir frei, dich zu töten, aber das will ich nicht: ich will dir unsre Schwägerschaft besser anrechnen, als ihrs mir tut." Hrapp dachte nun in den Wald zurück zu lenken: da sah er, daß Leute zwischen ihn und den Wald gekommen waren; da traute er sich nicht, gegen die vorzugehn. Er legte sich hin in ein Buschwerk und lag da eine Weile.

Jarl Hakon und Gudbrand gingen diesen Morgen früh zu dem Gotteshaus und fanden es verbrannt und die drei Götter draußen, ihres ganzen Schmuckes bar. Da ergriff Gudbrand das Wort: "Große Macht ist unsern Göttern verliehen, daß sie selbst aus dem Feuer herausgegangen sind" "Das werden nicht die Götter getan haben," sagte der Jarl: " ein Mensch wird den Tempel verbrannt und die Götter herausgetragen haben. Aber die Götter rächen nicht alles auf der Stelle: der Mensch wird weggejagt werden aus der Walhall und nie hineinkommen, der dies getan hat ." In diesem Augenblick kamen vier Mannen des Jarls hergelaufen und brachten ihnen schlimme Neuigkeit: sie hätten auf dem Acker drei Erschlagene gefunden und den Thrand tödlich verwundet."Wer mag das getan haben:" Sagte der Jarl. "Der Mords-Hrapp," sagten sie. "Da wird er das Gotteshaus verbrannt haben," sagte der Jarlsgeschlecht verehrtes Wesen, vielleicht eine Ahnin. 1 Schwester der Thorgerd. Diese sittliche Beleuchtung der Walhall ist ein später und christlich beeinflußter Zug.



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Jarl. Sie meinten, er sei dazu gewiß imstande. "Wo er jetzt wohl ist:" fragte der Jarl. Sie sagten, Thrand sage, er habe sich hingelegt in ein Buschwerk. Der Jarl ging hin und suchte, aber Hrapp war schon fort. Da trug ihnen der Jarl auf, nach ihm zu suchen, aber sie fanden ihn nicht. Der Jarl half selbst bei der Suche und sagte nun, sie sollten vorerst ausruhen. Der Jarl ging allein von allen Mannen fort und sagte, niemand dürfe mit ihm gehn, und blieb eine Weile aus. Er fiel auf die Knie und hielt die Hände vor die Augen. 1 Dann ging er zu den andern zurück. Er sagte zu ihnen: " Kommt mit mir!" Sie gingen mit ihm. Er bog von dem Wege ab, den sie vorhergegangen waren, und sie kamen zu einem Talkessel. Da sprang Hrapp vor ihnen auf, und hier hatte er sich vorher versteckt gehabt. Der Jarl trieb die Mannen an, ihm nachzulaufen, aber Hrapp war so schnell auf den Füßen, daß sie nie an ihn herangelangten.

Hrapp nahm die Richtung auf Lade 2. Dort waren sie eben beide segelfertig, Thraïn Sigfussohn und die Njalssöhne. Hrapp lief auf die Stelle zu, wo die Njalssöhne standen. Er sagte: "Rettet mich, wackre Bursche! denn der Jarl will mich erschlagen." Helgi schaute ihn an und sagte: "Du siehst mir unheilmäßig aus; der fährt wohl besser, der dich nicht aufnimmt "Das wäre mein Wunsch," sagte Hrapp, "daß ihr recht viel Böses von mir hättet." "Ich bin Manns genug," sagte Helgi, "das an dir zu rächen, wenn es soweit ist 3."

Hrapp trat da auf Thraïn Sigfussohn zu und bat ihn um Schutz. "Was ist dir zugestoßen " fragte Thraïn. "Ich habe dem Jarl ein Gotteshaus niedergebrannt und ein paar Leute erschlagen, und er wird bald hier fein, denn er ist selbst unter den verfolgern." " Es ziemt sich kaum für mich," sagte Thraïn, "bei dem vielen Guten, das mir der Jarl erwiesen hat." Da zeigte er dem Thraïn die Wertstücke, die er aus dem Gotteshaus fortgetragen hatte, und versprach, ibm dieses Gui zu



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schenken. Er erwiderte, er walles nicht annehmen, außer wenns mit anderm Gut vergolten würde. Hrapp sagte: "Hier bleib ich stehn, und man soll mich hier vor deinen Augen totschlagen: dann wirst du Schmähung ernten bei jedermann."

Da sahen sie den Jarl und seine Mannen heranziehen. Da nahm Thraïn den Hrapp auf, ließ das Boot abstoßen und schaffte sich aufs Schiff hinaus. Thraïn sagte: " Das gibt nun am ehesten ein Versteck, aus zwei Tonnen den Boden zu brechen, und du fährst hinein." So machte mans; er fuhr in die Tonnen. und dann wurden sie zusammengebunden und über Bord gelassen.

Da kam der Jarl mit seiner Schar zu den Njalssöhnen und fragte, ob Hrapp zu ihnen gekommen sei. Sie sagten, ja, er sei gekommen. Der Jarl Sagte, wohin er weiter gegangen sei. Sie sagten, darüber wüßten sie nichts Bestimmtes. Der Jarl sagte: "Der sollte hoch von mir geehrt werden, der mir Hrapp verriete." Grim sagte leise zu Helgi: "Warum sollen wirs ihm nicht sagen: Ich weiß nicht, ob Thraïn es uns mit Gutem vergilt!" "Darum dürfen wirs doch nicht sagen," sagte Helgi, "hängt doch sein Leben dran." Grim sagte: "Kann sein, daß der Jarl die Rache auf uns zwei lenkt, denn er ist so in Zorn, daß sie irgendwo einschlagen muß." "Daran werden wir uns nicht kehren," sagte Helgi, "doch wollen wir jetzt mit dem Schiff fortrudern und in See gehn, sobalds Wind gibt." Sie ruderten unter eine Insel hinaus und warteten dort auf Wind.

Der Jarl trat zu den übrigen Seeleuten und fragte sie alle aus, aber alle leugneten, daß sie von Hrapp etwas wüßten. Da sagte der Jarl: "Jetzt wollen wir zu meinem Genossen Thraïn gehn: er wird den Mann herausgeben, wenn er etwas von ihm weiß." Danach nahmen sie ein Langschiff und fuhren zu dem Kaufschiff hinaus. Thraïn erkannte den heranziehenden Jarl, stand auf und begrüßte ihn. Der Jarl erwiderte huldvoll und sprach so: "Wir suchen einen Mann namens Hrapp, er ist ein Isländer. Er hat uns alles mögliche Böse getan. Wir möchten euch nun bitten, daß ihr ihn ausliefert oder sagt, wo er ist." Thraïn sagte: "Ihr wißt, daß ich Euern Friedlosen erschlug, Herr, und dabei setzt ich mein Leben aufs Spiel, und



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Ihr ließt mir dafür hohe Ehren zuteil werden." ,-Noch höhere Ehre soll dir jetzt werden," sagte der Jarl. Thraïn überlegte sichs und wußte nicht recht, was der Jarl am höchsten werte- würde, bestritt aber nun, daß Hrapp da sei, und sagte, der Jarl möge suchen. Der Jarl ging darauf nicht ein und stieg allein ans Land, ohne seine Mannen, und war sehr zornig, so daß niemand ihn anzureden wagte.

Der Jarl sagte: "Man führe mich zu den Njalssöhnen! Ich werde sie dazu zwingen, daß sie mir die Wahrheit sagen." Da wurde ihm berichtet, sie seien in See gestochen."Dann ists nichts damit," sagte der Jarl; " aber dort an Thraïns Schiff waren zwei Wasserfässer: darin kann sich der Mann gut versteckt haben; und falls Thraïn ihn versteckt hat, wird er da drin sein, und wir wollen jetzt ein zweites Mal den Thraïn aufsuchen." Thraïn sah dies, daß der Jarl wieder herausstrebte, und sagte: "So zornig der Jarl vorhin war, jetzt wird er nocheinmal so zornig sein, und daran hängt nun das Leben von allen, die auf dem Schiff sind." Sie versprachen alle, zu schweigen, denn jeder fürchtete sehr für sich. Sie nahmen ein paar Säcke aus der Ladung weg und taten Hrapp an deren Stelle; es kamen nun andre Säcke auf ihn hinauf, solche, die leicht waren.

Der Jarl kam, als sie eben mit Hrapp fertig waren. Thraïn grüßte den Jarl höflich. Der Jarl erwiderte seinen Gruß, doch zögernd. Sie sahen, daß der Jarl furchtbar zornig war. Der Jarl sagte zu Thraïn: " Gib den Hrapp heraus! Denn ich weiß bestimmt, daß du ihn versteckt hast." "Wo sollt ich ihn versteckt haben, Herr " , sagte Thraïn."Das wirst du am besten wissen," sagte der Jarl, " aber wenn ich vermuten soll, so glaube ich, du hattest ihn vorhin in den Fässern versteckt." "Ich möchte nicht, daß Ihr mir eine Lüge zutrautet; lieber möcht ich, Ihr durchsuchtet das Schiff." Da stieg der Jarl aufs Schiff und suchte und fand nichts. "Sprichst du mich nun frei?' Sagte Thraïn. "Weit entfernt," sagte der Jarl, "ich weis nur nicht, warum wir ihn nicht finden: ich glaube doch alles zu durchschauen, sobald ich ans Land komme, aber dann sehe ich nichts mehr, wenn ich herkomme." Dann ließ er sich ans Land rudern. Er war so zornig, daß man nicht mit ihm reden konnte. Swein



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sein Sohn, war bei ihm. Er sagte: "Das ist wunderlich, Unschuldige seinen Farn entgelten zu lassen."

Der Jarl ging wieder allein fort von den andern. Gleich darauf kam er zu ihnen zurück und sagte: "Rudern wir nochmals zu ihnen hinaus!" Sie taten so. "Wo ist er wohl versteckt gewesen Sagte Swein. "Darauf kommt jetzt nichts an," sagte der Jarl, "denn er wird jetzt von dort weg sein. Es lagen dort zwei Säcke neben der Ladung, und Hrapp war wohl an ihre Stelle in die Ladung gekommen."

Thraïn ergriff das Wort: "Wieder stoßen sie das Schiff hinaus und werden wieder hier zu uns heraus wollen. Nehmen wir ihn jetzt aus der Ladung und tun andres an die Stelle, aber die Säcke sollen doch liegen bleiben." Sie taten so. Thrain sagte dann: "Tun wir den Hrapp jetzt in das Segel, das oben an die Rahe gerafft ist." Sie taten so. Da kam der Jarl an; er war da sehr zornig und sagte: "Willst du jetzt den Mann herausgeben, Thraïn: Jetzt stehts schlimmer dich als vorher ." Thraïn sagte: "Längst hätt ich ihn herausgegeben, wenn er bei mir in verwahrung wäre. Wo soll er denn gewesen sein "In der Ladung," sagte der Jarl. "Warum suchtet Ihr ihn denn nicht dort:" fragte Thraïn. " Es kam uns nicht in den Sinn," sagte der Jarl. Darauf suchten sie ihn über das ganze Schiff hin und fanden ihn nicht. "Wollt Ihr mich jetzt frei sprechen fragte Thraïn. "Keineswegs," sagte der Jarl, "denn ich weiß, daß du den Mann versteckt hast; obwohl ich ihn nicht finde. Aber lieber will ich, du wirst an mir zum Schurken als ich an dir!" sagte der Jarl.

Dann fuhr er ans Land."Jetzt geht es mir auf sagte der Jarl, "daß Thraïn den Hrapp im Segel versteckt hält." Da erhob sich Fahrwind, und Thraïn segelte mit den Seinen in See. Er sprach da die Worte, die seither lange im Gedächtnis geblieben sind:

Gebt dem Greif nun Flügel
Glaubt nicht, Thraïn weiche!

Aber als der Jarl Thraïns Worte erfuhr, da sagte er: "Hier ist nicht mein Unverstand schuld dran, sondern dieses ihr Bündnis 1, das sie beide ins verderben reißt."



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Thraïn war kurz auf der See, kam nach Island und zog heim auf sein Gut. Hrapp zog mit Thraïn und wohnte bei ihm dieses Jahr, aber im Frühjahr verschaffte ihm Thraïn ein Gut in Hrappstätten, und dort wirtschaftete Hrapp. Er war jedoch meistens in Grießach; dort wurde er überall der Störenfried, Einige wollten wissen, er sei mit Hallgerd gut Freund und er verführe sie; aber andere widersprachen dem.

Thraïn übergab sein Schiff seinem Verwandten Mord Ohnesorge. Dieser Mord war es, der den Odd Halldorssohn erschlug in der Gautenbucht in der Bärinnenföhrde 1. Bei allen verwandten galt Thraïn nun als das Oberhaupt.


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