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Die Geschichte vom weifen Njal


Mit einer Karte


Übertragen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diedrichs in Jena 1914


87. Hrapp bei Gudbrand

Es war ein Mann namens Kolbein, Sohn der Arnljoi, Er stammte aus dem Drontheimischen. Er segelte in demselben Sommer nach Island, als Thraïn und die Njalssöhne außer Landes fuhren. Er wohnte den nächsten Winter im Ostland, im Breittal. Aber im Sommer darauf rüstete er sein Schiff in der Gautenbucht 1, und als sie fertig waren, kam ein Mann in einem Boote hergerudert, befestigte das Boot am Schiffe und stieg auf das Schiff, um mit Kolhein zu reden.



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Kolbein fragte diesen Mann nach dem Namen. "Hrapp heiße ich," sagte er. "Was willst du von mir:" Sagte Kolbein. "Ich möchte dich bitten," sagte Hrapp, "daß du mich mit über See nimmst." "Wessen Sohn bist du:" fragte Kolbein. Hrapp antwortete: "Ich bin der Sohn von Örgumleidi, dem Sohne Geirolfs des Kriegers." Kolbein fragte: "Was treiben dich für Gründe:" "Ich hab einen Totschlag begangen," sagte Hrapp. "Was für ein Totschlag ist das:" fragte Kolbein" ,und wer hat die Mordverfolgung:" Hrapp antwortete: "Ich habe den Örlyg erschlagen, den Sohn von Örlyg, dem Sohne Hrodgeirs des Weißen, aber die Mordverfolgung haben die von der Waffenföhrde." "Ich denke mir, der wirds bereuen, der dich mitnimmt," sagte Kolbein. Hrapp sagte:"Meinem Freunde bin ich Freund, aber ich zahls heim, was man mir Böses antut. Übrigens fehlts mir nicht an Geld, die Fahrt aufzukommen." Darauf nahm ihn Kolbein an.

Bald danach kam Fahrwind, und sie segelten ab. Dem Hrapp ging auf der Fahrt die Zehrung aus; da griff er mit zu bei den Nachbarn; sie fuhren ihn mit Scheltworten an, und endlich wurden sie handgemein, und sogleich kriegte Hrapp zweie unter sich. Da wurd es dem Kolbein berichtet, und er lud den Hrapp zu seiner Tischgesellschaft ein, und das nahm er an.

Sie kamen zum Land und legten an vor Agdenes 1. Da fragte Kolbein, wo das Geld sei, das er für seine Fahrt versprochen hatte. Hrapp antwortete: " Das ist draußen auf Island." "Noch an andern als mir wirst du zum Schuft werden! Doch will ich dir denn nun den ganzen Fahrpreis erlassen." Hrapp sagte, dafür solle er Dank haben: " aber was gibst du mir jetzt als Rat mit:" "Das zuerst," sagte Kolbein, "daß du schleunigst das Schiff verläßt, denn die Norweger alle werden Böses von dir verbreiten; aber dann rat ich dir als zweiten guten Rat, daß du nie deinen Dienstherrn hintergehst."

Darauf stieg Hrapp ans Land mit seinen Waffen: er trug eine große Art in der Hand mit eingelegtem Schaft. Er ging, bis er zu Gudbrand in die Täler 2 kam. Der war der nächste Freund



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von Jarl Hakon. Die beiden besaßen zusammen einen Tempel, der wurde nie aufgeschlossen, außer wenn der Jarl hinkam. Das war der größte Tempel in Norwegen neben dem von Lade. Gudbrand hatte einen Sohn namens Thrand und eine Tochter namens Gudrun.

Hrapp trat vor Gudbrand und grüßte ihn höflich. Sagte, was für ein Mann er sei. Hrapp nannte sich; er sei aus Island. Dann bat er Gudbrand, er möge ihn aufnehmen. Gudbrand sagte: "Du machst mir nicht den Eindruck, als stehe ein guter Stern über dir." "Auch über dich, scheint mir, wird sehr gelogen sagte Hrapp, "indem es hieß, du nehmest alle auf, die dich drum bäten, und niemand sei so vortrefflich wie du. Das werd ich Lügen strafen, wenn du mich nicht aufnimmst." Sud- brand sagte: "Du wirst schon hier bleiben dürfen." "Wo weisest du mir den Platz an:" fragte Hrapp. "Auf der minderen Bankreihe gegenüber meinem Hochsitz." Hrapp ging an seinen Platz.

Er verstand es, von manchem zu erzählen. Anfangs fand aud- brand Vergnügen daran und manche andre auch, aber endlich fandens manche doch ein Spaßen übers Maß. Und schließlich bändelte er mit Gudrun an, so daß manche äußerten, er werde sie verführen wollen. Aber als Gudbrand dag merkte, schalt er sie sehr aus, daß sie Gespräche führe mit ihm; sie solle sich vorsehen, etwas mit ihm zu reden, was nicht alle anderen hörten. Sie versprach anfangs Gutes; doch schlugs ins gewohnte Gleis mit ihren Gesprächen. Da trug Gudbrand dem Asward auf, seinem Aufseher, sie zu begleiten, wohin sie auch gehe.

Eines Tages begab es sich, daß sie in die Haselnüsse zu gehn wünschte, sich zu vergnügen, und Asward ging mit ihr. Hrapp war hinter ihnen ber und holte sie ein, nahm Gudrun an der Hand und führte sie abseits. Darauf ging Asward, sie zu suchen, und fand die beiden unter einem Busch beisammen liegen. Er sprang hinzu mit erhobener Art und hieb nach Hrapps Bein, aber Hrapp zuckte heftig zurück, und er verfehlte ihn. Hrapp sprang schleunigst auf die Füße und faßte seine Art. Nun wollte sich Asward davon machen. Hrapp hieb ibm das Rückgrat entzwei.



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Da sagte Gudrun: "Jetzt hast du etwas begangen, daß bei meinem Vater deines Bleibens nicht länger ist. Und doch wird ihm eines noch mehr mißfallen; ich gehe nämlich mit einem Kinde." Hrapp sagte: "Das soll er nicht durch andre erfahren; ich will nach Haus gehn und ihm alles beides erzählen." "Dann wirst du nicht mit dem Leben davonkommen," sagte sie. "Wir wollens drauf wagen," sagte er,

Hierauf führte er sie zu den anderen Frauen, aber er ging nach Haus. Gudbrand saß auf dem Hochsitz, sonst waren nur wenige in der Stube. Hrapp trat vor ihn mit geschulterter Art. Gudbrand fragte: "Warum ist deine Art blutig:" "Ich kurierte dem Asward das Rückenweh." "Da steckt nichts Gutes dahinter," sagte Gudbraud: "du wirst ihn erschlagen haben." "Allerdings," sagte Hrapp. "Aus was für Ursache?" Sagte Gudbrand. "Die wirst du kleinlich finden," sagte Hrapp " er wollte mir das Bein abhauen." "Was hattest du verbrochen?' fragte Gudbrand. "Etwas, wofür ihm die Klage nicht zustand," sagte Hrapp. "Du kannst doch sagen, was es war." Hrapp sagte:"Wenn dus denn wissen willst, so lag ich bei deiner Tochter, und das mißfiel ihm." Gudbrand sagte: "Steht auf und greift ihn! Man schlage ihn tot!" "Recht mäßig lohnst du mir die Schwiegersohnschaft," sagte Hrapp; "übrigens hast du nicht die Mannschaft dazu, dies so in der Eile zu besorgen." Sie standen auf, aber er entwich rücklings hinaus und davon. Sie liefen hinterher, aber er entkam in den Wald, und sie kriegten ihn nicht. Gudbrand sammelte Mannschaft und ließ den Wald durchsuchen, und sie fanden ihn nicht, denn der Wald war groß und dicht.

Hrapp lief durch den Wald, bis erin eine Lichtung kam. Dort sah er ein Heimwesen und einen Mann davor, der spaltete Hols. Er Sagte diesen Mann nach dem Namen, und er nannte sich Tofi. Tosi Sagte nach seinem Namen, und Hrapp nannte sich, wie er wirklich hieß. Hrapp Sagte, warum der Bauer so weit weg wohne von andern Leuten. "Darum," sagte er, " weil ich finde, hier brauche ich mich um andere Leute wenig zu kümmern." "Wir gehen sonderbar um unsre Sachen herum," sagte Hrapp; "ich will denn zuerst dir sagen, wer ich bin: ich bin bei



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Gudbrand in den Tälern gewesen, und von dort entfloh ich, weil ich seinen Aufseher erschlagen hatte. Aber ich weiß wohl, daß wir beide Bösewichter sind; denn du wärst nicht berge- kommen, fort von den andern Leuten, wärst du nicht ein Friedloser von irgend jemand. Nun stelle ich dir die Wahl: daß ich dich verraten werde, oder wir nutznießen beide gleichmäßig, was hier ist." Der Bauer sagte:"Es ist genau so, wie du sagst: ich raubte dieses Weib, das hier bei mir ist, und viele sind hinter mir her gewesen." Darauf führte er Hrapp zu sich hinein. Es waren kleine Räume, ganz gut gebaut. Der Bauer sagte seiner Hausfrau, er habe Hrapp in die Familie aufgenommen. "Den meisten wird dieser Mann Unglück bringen," sagte sie, "doch du willst wohl deinen Willen haben."

Darauf blieb Hrapp dort. Er streifte viel herum und war nie zu Haus; er wußte sich immer mit Gudrun zu treffen. Sie lauerten ihm auf, Gudbrand und sein Sohn Thrand, und es machte sich nie so, daß sie ihn in Schußweite bekamen. Und so gings fort dieses ganze Jahr.

Gudbrand ließ dem Jarl Hakon berichten, welche Ungelegenheit er von Hrapp hatte. Der Jarl ließ Hrapp friedlos legen und setzte einen Preis auf seinen Kopf und versprach sogar, selbst auszuziehn auf die Suche nach ihm; doch dies unterblieb , und der Jarl fand, sie wären Manns genug, ihn zu greifen, da er sich so wenig in acht nahm.


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