Edda
Erster Band Heldendichtung
Übertragen
von Felix Genzmer /Mit Einleitungen
und Anmerkungen von Andreas Heusler
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912
23. Das Bjarkitied
Die Saga von Olaf dem Heiligen, dem Norwegerkönig, erzählt:
Am Morgen vor seiner letzten Schlacht forderte König
Olaf seinen getreuen Skalden, den Isländer Thormod, auf:
sag uns ein Lied ber! Da setzte sich Thormod auf und trug
mit lauter Stimme vor, so daß mans im ganzen Heere hörte.
Es war das " alte Bjarkilied". Die Krieger dankten ihm
sein Lied und fanden, es sei eine gute Kampfmahnung
Gefolgsmannen.
Das war im Sommer 1030. Es war ein Gedicht aus der
dänischen Heldensage und gewiß auch dänischen Ursprungs.
Leider ist es in seinem Wortlaute nicht auf uns gekommen:
in nordischer Sprache sind nur drei Strophen gerettet, dazu
eine junge, sehr freie Umschrift in Prosa. Aber der dänische
Historiker Saxo kommt uns zu Hilfe: er hat das Lied noch
gekannt und hat es in 30O formgerechte lateinische Hexameter
umgedichtet.
Man kann den versuch wagen, aus dieser prunkvollen verkleidung,
die von Pluto, vom Elysium und vom Phlegethon
redet, die echte, heimische Gestalt herauszuschälen. Die wenigen
Reste des Urtextes sowie die Menge der andern eddischen
Heldenlieder müssen die Wahl der Motive und den sprachlichen
Ausdruck leiten. Der dänische Forscher Aret Olrik hat
diese Wiederherstellung des Denkmals unternommen; eine
Verdeutschung seines Terres durch Ranisch findet der Leser in
Olriks Buche: Nordisches Geistesleben in heidnischer und
frühchristlicher Zeit, S. 181 —1900. Die vorliegende Umdichtung
greift neuerdings auf die Quellen zurück und trifft für
Inhalt und Sprache wie für die Reihenfolge der Strophen
vielfach eine andere Entscheidung.
Das Königshaus der Skjöldunge erlebte seinen Gipfel und
sein Ende in Hrolf Kraki. Durch kühne Fahrten gewann er
Ruhm über alle Nordlande, noch mehr durch seine Freigebigkeit
und hochgemute Fürstenart, die ihm von weither die
tapfersten Gefolgsmannen verband,
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Sein Heldentod ist der Inhalt unsres Liedes. Obgleich Hrolf
selber nicht zu Worte kommt, sammeln sich die Strahlen in
ihm: Hjalti und Bjarki, die zwei zu Wortführern erkorenen
Hofkrieger, verkünden die Größe des geliebten und
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zeigen uns, wie das Gefolge freudig für ihn in den Tod
geht.
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Kme zweite Dichtung des germanischen Altertums verherrlicht
so beredt das heilige Verhältnis zwischen dem Gefolgsführer
und seinen Mannen. Aber es sind keine beschaulichen
Reden: während der 34 Strophen wickelt sich die äußere
Handlung ab, Angriff, Kampf und Untergang der Dänen,
und durch die Reden vermittelt sich uns dieser Hergang, so
daß es daneben nur der kurzen "Bühnenanweisungen" in
Prosa bedarf. Zugleich aber weiß der Dichter durch Rückblicke
seiner Helden das Vorausliegende zu beleuchten und die Gestalt
des Königs vielseitiger herauszubringen. Die Form des
reinen Redeliedes hat hier zu einer wundervoll gedrungenen
Szenenfolge geführt, worin epische, lyrische und dramatische
Kräfte ungeschieden wirksam sind. Das lied erzählt eine
Sage und ist zugleich ein Kriegs gesang, eine gute Kampfmahnung
für Gefolgsmannen.
***Skuld, die Schwester König Hrolfs, hat ihren Gatten Hjörward
, einen Lehnsfürsten in Schonen, angestachelt, sich selbst
auf den Dänenthron zu setzen. Hjörward erbittet von seinem
Schwager drei Jahre Aufschub für das Entrichten der Ab-
gabe in dieser Zeit wirbt er Mannschaft bei Gauten und
Schweden zum Zuge gegen Hrolf. In einer Julnacht landen
sie vor der dänischen Königsburg unter dem vorgeben,
brächten jetzt die Steuer. Als die Hofmannen nach der Zecherei
in schwerem Schlafe liegen, rüsten Skuld und Hjörward den
Angriff. Hjalti nur, der von einem Gange heimkehrt, sieht
das feindliche Heer anrücken; er tritt unter das Tor der
Halle und rufi:
***1
| Tag stieg empor,
Es tönt der Hahnenschrei
Mühsal müssen
Die Mannen gewinnen.
Wachet nun, wachet,
Wackre Freunde,
Adils des edeln
All ihr Gesellen!
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***2
| Har, du Hartgemuter,
Hrolf, du Streitkühner,
Tapfre Gefährten,
Die Flucht nicht kennen
Ich weck euch nicht zum Weine
Noch zum Weiberkosen,
Ich weck euch zu Hildes
Hartem Spiele! |
***3
| Greift zu den Schwertern!
Den Schild nehmt zur Hand!
Kalten Klingen
Schreitet kühn entgegen!
Es ruht in eurer Rechten
Nun Ruhm und Schande:
Tod bringt der Tag uns
Oder Treubruchs Rache. |
***4 Biarki, halb erwacht, glaubt, es
seien Gäste zum Gehöft gekommen:
| Sieh auf nun, Knecht
Kehr die Asche weg!
Zu flackernder Flamme
Entfache die Glut!
von Knorren und Kienholz
Knistre die Lohe:
Warmer Händedruck
Ziemt werten Gästen.
(Er sinkt wieder in Schlaf.) |
***5 Hjalti:
| In Hjörwards Halle
Häuften die Gauten
Kein gleißendes Gold
In vergangnen Wintern;
Nicht sandte Skuld
Zur Skjöldungenburg Rote Ringe
Noch reiche Geschmeide. |
***6
| Zur Schildburg schart euch
Um den Schatzspender!
Glänzende Gaben
Gilt es zu lohnen:
Silberne Ringe
Und Saxschwerter,
Breite Brünnen
Und blinkende Helme. |
***7
| Nicht lässig laßt uns
Die Gelübde halten,
Die froh wir geschworen
Auf den Fürstenbecher
Bei Freyr und Njörd
Und dem furchtbaren Asen
Den Ringspender nimmer
In Not zu verlassen. |
***8
| Seht vorn im Heere
Dort Hjörward schreiten,
Den Fürsten im Goldhelm
Freudig zur Schlacht!
Viel Kämpen folgen ihm,
Kalt sind ihre Blicke,
Mit lichten Kampfhelmen,
Klirrenden Geren.
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***9
| Sann Skuld den Verrat?
Reisten dich Nornen ?
Wer hetzte dich, Hjörward,
Zu heillosem Frevel?
Treulos betrogst du
Den trefflichsten Fürsten,
Das Reich ihm neidend,
Der Nordlande hehrsten. |
In dem nun beginnenden Kampfe werden
die Dänen von der Übermacht hart bedrängt.
***10 Hjalti:
| Zerhauen sind die Brünnen,
Zerbrochen sind die Schwerter,
Vom Kampfbeil zerklafft
Ward des Königs Schild;
Manch furchtloser Fechter
Sank fallend zur Erde,
Die Klinge fährt krachend
Durch der Krieger Häupter. |
***11
| Wo bleibst du, Bjarki?
Binden dich Schlafrunen?
Zu lange schon fehlt uns
Der Fechter bester:
Entblößt ist das Burgtor
von Brünnenbewehrten;
Hart stürmt auf Hrolf
Das Heer der Feinde. |
***12
| Auf Bödwar Bjarki,
Du bärenstarker,
Frisch ins Gefecht,
Eh dich Feuer umschließt!
Brand scheucht Bären:
Die Burg mag entstammen;
Die Hochsitzsäulen
Fasse heiße Lohe! |
***13
| Hinsank nun Hrolf,
Der hochgemute,
Frodis Enkel,
Mit fröhlichem Lächeln.
Nun leerten die Mannen
Den letzten Becher:
Keiner soll leben
Nach des Königs Tode!
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***14
| So stürmte Hrolf
In der Streiter Schar,
Wie tosender Wildbach
Zu Tale braust;
So eilte allen
Der Edling voran
Wie der hohe Hirsch
vor hurtigem Wild. |
***15
| Ordnet den Keil,
Wie der König es wies,
Wie Hrolf es lehrte
Der Hrörik erschlug;
Arm war Hrörik
An edeln Freunden,
Reich nur an Ringen
Und rotem Golde. |
***16
| Vor dem Burgtor bot
Der Berger der Ringe
Klingenden Schatz
Dem König der Dänen;
Doch Feindes Geschenk
verschmähte der Fürst,
Gebrochen ward die Burg
Und die Beute gewonnen. |
***17
| Glutrotes Gold
Gab er den Kriegern,
Den Hort, den Hrörik
Gehäuft in der Burg;
So gab er ihn hin,
Wie Gold er einst säte,
Der frohgemute Fürst,
Auf die Fyrisheide, |
***18
| Folget, Gefährten,
Dem Fürsten in den Tod!
Kein Wort der Zagheit
Der Zunge entfliehe!
So lange Leute
Lande bebauen,
Überdauert den Tod
Der Taten Ruhm. |
***19
| Der Kämpen bester
Wardst, Bjarki, du genannt;
Doch in Rauch und Flammen
Dein Ruhm nun zergeht:
Verschlossen liegt noch
Das Schlafgemach;
Zum drittenmal, Bjarki,
Entbiet ich dich zur Schlacht! |
***20 Bjarki:
| Was höhnst du mich, Hjalti?
Hart klingt dein Weckruf.
Hab je ich gefürchtet
Feuer oder Schwert?
Schon schirmt mich die Brünne;
Schon band ich das Schwert um;
Bald kannst du erkennen
Ob Ob Kampf ich scheue.
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***21
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| Arm war ich einst,
Auf dem Eiland erwuchs ich
Zwölf Höfe hat mir
Der Herrscher geschenkt,
Er gab mir die Schwester,
Die goldringfohe:
Der eine Tag
Muß nun alles lohnen.
(Er stürmt in den Kampf.) |
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***22
| Schon hieb ich Hjort,
Den Helden, nieder,
Er sank vor Snirtir,
Dem Sachs, dem scharfen,
Der den Namen Bödwar
Und Beute mir gewann,
Als ich Agnar fällte,
Den Jngjaldsohn. |
***23
| Sein Hieb traf mein Haupt,
Doch Höking zerschellte,
Nicht biß die Blutschlange
Den blinkenden Helm.
Mit schärferer Klinge
Durchschlug ich ihm die Seite;
Die Rippen durchbrach
Das blutgierige Eisen. |
***24
| Zur Erde sank er,
Auf den Arm er sich stützte,
Den Todesstreich lachend
Der tapfre empfing.
Nicht schlechter war der Edle,
Den ich eben erschlug
Durch gebuckelten Schild
Und schuppige Brünne. |
***25
| Wo sind nun der Gauten
Gerfrohe Führer ?
Auf blutiger Walstatt
Wägt man die Kräfte
Fürsten sinken,
Sippen erlöschen,
Odin holt sich
Die edelsten heim. |
***26
| Nun häufte ich mir hoch
Den Hügel aus Leichen,
Einzig noch steh ich
Im Sturme der Hild.
Wo blieb nun Hjalti,
Der herrisch mich schmähte,
Als ob zwölf Leben
Zu verlieren er hätte? |
***27 Hjalti:
| Fest steht Hjalti noch,
Nicht fern von dir,
Glaube dem Auge,
Wenn dem Ohr du nicht traust!
Harte Arbeit
Unsre Hände verrichten;
Klein ist die Folgschar,
Wo doch nottun. |
***28
| Zerhauen ward mir
Bis zum Handgriff der Schild,
Hiebe treffen uns
Wie Hagelkörner;
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Heut Abend sind wir
Odins Gäste.
Sühnst du endlich
Dein Säumen, Bjarki: |
***29 Bjarki
| Schiltst du mich noch
Mit scharfem Vorwurf?
Nicht Tadel trifft mich,
Wenn träger ich kämpfe:
Der Schweden Schwert
Traf schwer meine Brust,
Das der Walstatt Gewand
Wie Wasser durchschnitt. |
***30
| Erhebe, Hrut,
Die hellockige Stirn,
Tritt aus der Burg
In den tosenden Streit!
Sahst du Odin,
Den alten Krieger?
Das gewahrte ich wohl,
Daß er wider uns ist. |
***31 Hrut:
| Senke den Blick!
Sieh durch den Arm mir !
Segne dein Auge
Mit dem sieghaften Zeichen
Willst du erschauen
Den Schlachtenlenker,
Auf hohem Rosse,
Mit hellem Schilde! |
***32 Bjarki
| Könnte ich ihn treffen,
Den treulosen Unhold,
Schimpf und Schande
Die Schlacht ibm brächte;
Faßte meine Faust
Den falschen Ränkeschmied,
Ich zerkrallte den Kriegsgott
Wie die Katze die Maus. |
***33
| Der Aar fliegt näher,
Nach Atzung gieng;
Es folgt ihm der Rabe,
Froh der Leichen.
Beider Beute
Müssen bald wir werden,
Dem tapfersten Fürsten
Im Tode gesellt.
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***34
| Hrolf zu Häupten
Hinsank Bjark;
Du, Hjalti, liege
Zu des Herrschers Füssen!
Deß wird gewahr,
Wer die Wal durchspäht,
Wie dem reichen König
Die Ringe wir lohnten.
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Copyright: arpa, 2015.
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