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Kapitel 

Edda Erster Band Heldendichtung


Übertragen von Felix Genzmer /Mit Einleitungen und Anmerkungen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


22. Das Mühlenlied

Im dänischen Heldenalter ragt das Königshaus der Schildunge (Skjöldungar) hervor. Die älteste greifbare Gestalt ist Frodi, zubenannt der Friedensfodi, denn unter ihm herrschte eine Zeit des Friedens und des Reichtums. Das kam daher, erklärte die Dichtung, daß Frodi in den Besitz wunderbarer Mühlsteine gekommen war; diese Wünschelmühle, Grotti genannt, mahlte alles, was ihr der Mahlende befahl. Aber Menschen waren zu schwach, den Stein zu drehen; da stellte Frodi zwei kriegsgefangene Riesinnen an die Mühle; sie mahlten das Gold und den Frieden der Frodizeit. Aber dann bäumte sich ihre Riesenart auf gegen die Frohn des menschlichen Königs, und sie geboten der Wünschelmühle, ein Feindesheer heraufzuführen; das machte dem König, seiner Burg und seiner Mühle ein Ende in den Flammen. So erklärte man das Aufhören der goldenen Zeit.

Unser Dichter hat den Hergang so zusammengedrängt, daß er sich fast völlig in dem Gesange der mahlenden Mägde darstellt: zuerst der kurze Segensgesang, Str. 4, 5, dann, in Str. 7 bis zu Ende, der nächtliche Hauptauftritt: die Frauen künden von ihrer Herkunft, ihren Taten und gehn über zum rächenden Verwünschungsgesang.

So gewann das Ganze eine beinah musikalische, sangbare Art. von Str. 17 ab erregt sich die Stimmung, und in den Reden spiegelt sich das äußere Geschehen; auch der Wechsel der Singenden ist wirkungsvoll verwendet, um die Bewegung zu steigern. Zu den ältesten Gedichten gehört das Mühlenlied nicht: es ist ein hervorragendes Beispiel für die Kunst der mittleren Zeit, einen Sagenstoff zu einer Szene zu verdichten und mit lyrisch durchtränkten Reden bewältigen.



***
1
Nun sind gekommen,
Kund der Zukunft,
Fenja und Mensa
Zum Fürstenhaus;
Als Mägde müssen
Die starken Mädchen
Frodi dienen,
Dem Fridleifsohn.


***
2
Zum Mahlkasten
Mußten sie gehn,
Den grauen Grotti



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In Gang zu setzen ; Zu Ruh und Rast Rief er sie nicht: Hören wollt er Den Hall der Arbeit.


***
3
Sie ließen lärmen
Die lauthallende;
(Bis aller andern
Arbeit ruhte.)
"Still nun stehe
Stein und Mühle!"
Doch mehr mahlen
Die Mädchen er hieß..


***
4
"Wir mahlen Macht,
Wir mahlen Heil,
Wir mahlen Gut
Auf der Gücksmühle
Sitz im Reichtum,
Ruh auf Daunen,
Erwach zur Wonne,
So mahlten wir wohl!


***
5
Kränken soll hier
Keiner den andern,
Böses wirken,
Blut vergießen;
Das scharfe Schwert
Schwinge keiner,
Ob gebunden er fände
Des Bruders Mörder!"


***
6
(Matt ward der Arm,
Die Mühle stand;)
Da sprach sofort
Frodi also:
"Nicht länger schlaft,
Als der Kuckuck schweigt,
Nicht länger, als ich
Ein Liedlein spreche!"


***
7
Sie sangen und schwangen
Den schweren Stein,
Bis die andern Mägde
Alle schliefen.
(Es schlief der König
Und der Kämpen Schar;)
Da sprach Menja,
An der Mühle stehend:


***
8
"Dir fehlte; Frodi,
Freund der Krieger,
Kluge Vorsicht
Beim Kauf der Mägde;
Du wähltest wohl
Nach Wuchs und Kraft,
Achtetest aber
Der Abkunft nicht.
6



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***
9
Stark war Hrungnir,
Stark sein Vater,
Doch übertraf
Thjazi beide;
Jdi und Ornir
Sind unsre Väter,
Geboren sind wir
Aus Bergriesenstamm.


***
10
Nicht kam Grotti
Aus grauem Fels,
Nicht stieg der starke
Stein aus der Erde,
Nicht mahlte hier
Die Maid der Riesen,
Ahntest du etwas
von unserm Geschlecht.


***
11
Wir wuchsen spielend
Neun Winter lang
Unter der Erde
Gewaltig auf;
Wir Mädchen standen
Bei mächtigem Werk:
Halden und Hügel
Hoben wir fort.


***
12
Wir wälzten Felsen
Zum Wall der Riesen,
Weithin bebte
Der Boden davon;
Dann warfen wir
Wuchtge Blöcke,
Mächtig Gestein,
Ins Menschenland.


***
13
Dann schritten wir
Im Schwedenlande
Kund der Zukunft,
Ins Kriegervolk,
Schnitten Brünnen,
Brachen Schilde,
Gingen entgegen
Der Graupanzerschar.


***
14
Wir stürzten Fürsten,
Wir stützten andre,
Guttorm, dem guten,
Glück wir brachten;
Nicht ruhte der Kampf,
Bis Knui fiel.


***
15 So gings uns Mädchen Gar manches Jahr; Man kannte uns Aus Kämpfen wohl. Mit scharfen Schwertern Schlugen wir da Blut aus Wunden, Die Waffen rötend.


***
16 Nun sind wir gekommen Zum Königshaus,



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Ins Mißgeschick, Zum Mägdedienst; Kalt ist der Körper, Klamm die Füße; Des Friedens Fördrer Für Frodi wir drehn


***
17
Die Hand soll rasten,
Ruhen der Stein:
Ich mahlte mein Teil;
Die Müh muß enden"
Fenja:
"Noch will ich der Rechten
Ruh nicht gönnen,
Bis Frodis Neide
Genug wir mahlten!


***
18
Hände sollen halten
Harte Spitzen,
Blutge Waffen!
Wache, Frodi!
Wache, Frodi,
Willst du hören
Unseren Sang
Und alte Sagen!


***
19
Ein Feuer flammt auf
Im Osten der Burg:
Kampfruf erwacht,
Bekannt ist das Zeichen!
Der Feinde Schar
Zieht schnell heran;
Bald ist verbrannt
Die Burg des Fürsten.


***
20
Hleidras Hochsitz
Hältst du nimmer,
Nicht rote Ringe
Noch des Reichtums Mühle
Fester nun, Maid
Fasse das Holz!
Nicht wärmt uns hier
Der Walstatt Blut."


***
21 Beide:
"Mächtiger mahlt
Die Maid meines Vaters,
Weil vieler Tapfern
Tod sie erschaut:
Vom Gebälk bersten
Die breiten Stützen,
Mit Erz gefestet —
Mahlen wir fort!


***
22
Mahlen wir fort!
Den Frodi rächt
Halfdans Enkel,
Der Yrsa Sohn;
Heißen wird er
Der Herrscherin
Sohn und Bruder —
Wir beide wissens!"



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***
23
Die Mädchen mahlten
Mit mächtiger Kraft,
Die Jungfrauen
Im Jötenzorne;
Die Stangen brachen,
Die Balken stürzten,
Der starke Stein
In Stücke sprang.


***
24
Da rief die Maid
Aus Riesenstamm:
"Wir mahlten, Frodi,
Zur Freude für uns;
Am längsten die Maid
An der Mühle stand."


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