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Kapitel 

Edda Erster Band Heldendichtung


Übertragen von Felix Genzmer /Mit Einleitungen und Anmerkungen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912


20. Das jüngere Lied von Helgi dem Hundingstöter

Dieser Dichter fängt gegen den sonstigen Brauch ganz biographisch, bei der Geburt an, streift die Jugendfehde mit Hunding und erzählt dann in aller Ausführlichkeit die Sigrunsage — aber ohne den düsteren Schluß: er entläßt uns, nachdem er seinen Helden auf die Höhe des Sieges geführt hat. Das ganze Lied schon ist auf Erfolg und Glanz gestimmt; wir fühlen uns auf der Grenze zwischen heroischer Sage und einem Preislied auf den lebenden Fürsten. Wikingleben erfüllt des Dichters Phantasie; keiner seiner Genossen verweilt so bei dem äußern Aufwande des Seekrieges. Er liebt pompöse Auftritte; seiner flüssigen Beredsamkeit hält freilich die Kraft des Gestaltens nicht die Wage: man nehme den Seesturm Str. 27 ff. oder gar die Schlacht Str. 53ff. Die Übertragung sucht der Sprache, auch wo sie bizarr oder dünn wird, nachzukommen.



***
1
Urzeit war es,
Aare schrieen,
Von Himmelsbergen
Sank heilges Naß:
Da hatte Helgi,
Den hochgemuten,
Borghild geboren
In Bralunds Schloß.


***
2
Nacht wars im Hof,
Nornen kamen,
Sie schufen das Schicksal
Dem Schatzspender:
Der Herrscher hehrster
Solle er heißen,
Der ruhmreichste
Recke werden.


***
3
Sie schnürten mächtig
Schicksalsfäden
Dem Burgenbrecher
In Bralunds Schloß;
Goldnes Gespinnst
Spannten sie aus,
Festend es mitten
Im Mondessaal.


***
4
Sie bargen die Enden
In Ost und West,
Des Fürsten Land
Lag dazwischen;
Nach Norden warf
Neris Tochter
Eins der Bänder
Unzerreißbar.



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***
5
Eines schuf Angst
Dem Ylfingensproß
Und auch der Frau,
Die Freude gebar:
Der Rabe rief
Zum Raben voll Gier —
Er saß im Wipfel —:
"Ich weiß etwas!


***
6
Im Harnisch steht
Der heut Geborne,
Der Königserbe;
Nun kam der Tag!
Es flammt sein Blick
Nach Fürstenart,
Freund ist er Wölfen:
Froh laß uns sein!"


***
7
Den Kriegern schien er
Gar königlich,
Sie sagten, es gebe
Gute Jahre;
Der König ließ
Den Kampfessturm,
Dem Sohn zu reichen
Den reinen Lauch.


***
8
Zum Namen Helgi
Hringstad er gab,
Sonnberg, Schneeberg
Und Sigarsfeld,
Hringheim, Hatun
Und Himmelsau,
Einen zieren Blutzweig
Dem Bruder Sinfjötlis.


***
9
Herrlich wuchs er
In Hut der Freunde,
Der junge Ulmbaum,
Im Ehrenglanz;
Er vergalt und gab
Gold den Mannen,
Nicht kargte der König
Mit Kampfeslohn.


***
10
Nicht ließ er den Feind
Auf Fehde warten,
Als fünfzehn Winter
Der Fürst zählte:
Zu Tode traf er
Den tapfern Hunding,
Der Land und Leute
Lang beherrschte.



Thule-Bd.01-155 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
11
Dann begehrten
Gold und Ringe
Hundings Söhne
von Sigmunds Erben;
Denn sie hatten
An Helgi zu rächen
Des vaters Fall
Und viele Beute.


***
12
Keine Buße
Bot der Edling,
Kein Sühnegeld,
Der Sippe Hundings;
Er hieß sie harren
Auf harten Sturm
Grauer Gere
Und den Grimm Odins.


***
13
Zum Schwertdinge
Schifften Helden,
Die sich geladen
Zu den Logabergen:
Frodis Friede
Den Feinden zerschliß;
Odins Meute
Eilte zur Beute.


***
14
Der Edling saß
Am Aarsteine,
Der Alf und Eyjolf
Beendet das Leben,
Hjörward und Haward,
Hundings Söhnen,
Des Gerschwingers
Ganzem Geschlecht.


***
15
Da brach ein Licht
Aus den Logabergen,
Und aus dem Licht
Lobten Blitze;
(Da sah der Fürst
Frauen reiten,)
Hoch in Helmen,
Auf Himmelsauen;
Die Brünnen waren
Mit Blut besprengt,
Die Speerspitzen
Sprühten Strahlen.


***
16
Frühe fragte
Im Forst der Wölfe
Solches der Sieger
Des Südens Mädchen,
Ob mit den Helden
Heim sie zur Nacht
Reiten wollten;
Es rauschten die Lanzen


***
17
Sigrun sagte
vom Sattel drauf —
Der Schildlärm schwieg —
Dem Schatzspender:



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"Andres, mein ich, Unser wartet, Als mit Borghilds Sohn Bier zu trinken.


***
18
Högnis Tochter
Hat ihr Vater
Verlobt Granmars
Grimmem Sohne;
Doch hab ich, Helgi,
Hödbrodd genannt
So königgleich
Wie ein Katzensohn.


***
19
Nach wenig Nächten
Doch naht der Fürst,
(Heimzuholen
Högnis Tochter,)
Wenn du den König
Zum Kampf nicht lädst
Oder die Maid
Dem mächtigen raubst."


***
20 Helgi:
"Nicht wecke Angst dir
Isungs Töter!
Schlachtlärm zuvor
Erschallen soll:
(Hödbrodds Stärke
Wird Helgi erproben;)
So lang ich lebe,
Erlangt er dich nicht."


***
21
Boten sandte
Der Gebieter aus
Über Meer und Mark,
Mannen zu laden,
Flutenglanzes
Fülle zu bieten
Den alten Kriegern
Und ihren Söhnen.


***
22 Helgi:
"Gebietet, rasch
An Bord zu gehn,
Auf Brandeys Rhede
Bereit zu sein!" —
Dort blieb der König,
Bis gekommen waren
Die Heerscharen
Aus Hedinsey.


***
23
Alsbald stießen
Von Stavnes ab
Schwarze Schiffe,
Geschmückt mit Gold.
Helgi fragte
Hjörleif also:
"Hast du gezählt
Die zaglose Schar?"


***
24
Der junge Edling
Zur Antwort gab:
"Nicht leicht zählt man
Die langbäuptigen
Schiffe außen
Im Örwasund,
Die die Krieger tragen
Aus Trönueyr.


***
25
Der Mannen Zahl
Ist zwölftausend;
Jedoch der Degen
Doppelt so viel



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Harren in Hatun: Nun heißt es kämpfen!"


***
26
Die Bordzelte
Brachen sie ab,
So daß des Herrschers
Heer erwachte;
Am Mast hißten
Hoch die Leinwand
Die Wikinge
Im Warinsfjord.


***
27
Da war Ruderschall
Und Schwerterhall,
Schild schlug an Schild,
Die Schiffer ruderten;
Unter den Edeln
Enteilte rasch
Des Königs Flotte
Dem Küstenrand.


***
28
So erscholl es,
Schlugen zusammen
Die langen Kiele
Und Kolgas Schwester,
Als brächen Felsen
Und Brandung entzwei


***
29
Höher hißte
Helgi die Segel,
Den Wogen wichen
Die Wikinge nicht,
Als ingrimmig
Ägirs Tochter
Die Segelrosse
Versenken wollte.


***
30
Aber es schützte
Die Schlachtmaid Sigrun
Die Edeln von oben
Und ihre Schiffe;
Rüstig entrangen
Sich Rans Händen
Die Gischtrenner
Zu Gnipalund.


***
31
So konnten abends
Zu Unawagar
Die Schiffe schwimmen
Die schöngezierten.
Die Feinde sahen
Die Flotte kommen,
Besorgten Sinns,
Vom Swarinshügel.


***
32
Der edle Gudmund
Begann zu Sagen:
"Wer ist der Fürst,
Der die Flotte lenkt
Und streitbares Volk
Zum Strande führt:"



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***
33
Sinfjötli rief —
Zur Raa stieg auf
Ein roter Schild
Der Rand war golden —,
Er war ein Recke,
Der reden konnte,
Und wohlgewandt
Im Wortstreite:


***
34
"Sag heut Abend,
Wenn du Säue tränkst
Und Futter holst
Für Hündinnen,
Daß die Ylfinge
Von Osten kamen,
Gierig nach Kampf,
Vor Gnipalund!


***
35
Hier kann Hödbrodd
Helgi treffen,
Den Feind der Flucht,
In der Flotte Mitte,
Ihn der oftmals
Aare speiste,
Wenn du an der Mühle
Mägde küßtest."


***
36 Gudmund:
"Zuvor will ich
Am Wolfssteine
Raben dein Fleisch
Zum Fraß geben,
Eh ich Futter hole
Für Hündinnen
Und Eber tränke;
Mit Unholden zank!"


***
37 Helgi
"Du, Sinfjötli,
Solltest lieber
Zum Kampf eilen,
Aaren zur Lust,
Als Zankworte
Zwecklos wechseln,
Ob auch heißer Haß
Die Helden entzweit.


***
38
Nicht gelten gut mir
Granmars Söhne;
Doch falscher Vorwurf
Ziemt Fürsten nicht:
Sie ließen merken
Zu Moïnsheim,
Daß Klingen zu kreuzen
Kühn sie wagen."


***
30
Rüstig die Rosse
Sie rennen ließen,
Swipud und Sweggjud,
Nach Solheim zu
Durch tauige Täler,
Tiefe Schluchten;
Des Nebels Bett
Bebte vom Ritt.


***
40
Helmbedeckt stand
Hödbrodd draußen,
(Der Held im Harnisch
Am Hoftore;)
Er sah den Ritt
Der Sippengenossen.



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Hödbrodd : "Was schauen besorgt Die Schlachthelden?"


***
41 Gudmund:
"Schnelle Kiele
Kamen zum Strand,
Gaffelhirsche
Mit glatten Rudern,
Langen Raaen,
Gereihten Schilden,
Des Königs Kriegsheer,
Kühne Ylfinge;
Fünfzehn Scharen
Schreiten ans Land,
Doch sind in Sogn
Noch siebentausend.


***
42
Zu Gnipalund
Gingen vor Anker
Schwarze Drachen,
Geschmückt mit Gold;
Ihres Heeres
Hauptmacht ist dort;
Nicht schiebt nun Helgi
Das Schwertding auf."


***
43 Hödbrodd:
"Laßt rennen die Rosse
Nach Reginthing,
Melnir und Mylnir
Zum Myrkwid hin!
Laßt keinen Recken
Zurück bleiben,
Der die Schlachtlohe
Noch schwingen kann !


***
44
Entbietet Högni
Und Hrings Söhne,
Atli und Yngwi,
Alf, den Greisen,
Die schnell entschlossen
Zum Schwertkampf sind!
Wackrer Empfang
Der Wölsunge harrt."


***
45 Ein Sturm brach los: Es stießen zusammen Fahle Waffen Am Wolfssteine Stets war Helgi, Der Hundingstöter, vorn im Heere, Wo Helden fochten.


***
46
Vom Himmel kamen
Behelmte Mädchen —
Der Schwertlärm schwoll —
Und schützten den König;
Sigrun sprach da —
Speere flogen,
Der Riesin Roß
Fraß Rabenspeise —:


***
47
"Heil dir, Helgi!
Beherrsche das Volk,
Nachfahr Yngwis,
Genieß das Leben!
Erschlagen hast du,
Schlachtfroher Held,



Thule-Bd.01-160 Edda Heldendichtung Flip arpa

Den Fürsten, der grimme Gegner gefällt.


***
48
Nun hast du, Edling,
Alles gewonnen,
Helle Ringe
Und die hehre Maid;
Froh sollst du, Held,
Herrschaft und Sieg,
Alles genießen,
Aus ist der Kampf!"


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