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Kapitel 

Edda Erster Band Heldendichtung


Übertragen von Felix Genzmer /Mit Einleitungen und Anmerkungen von Andreas Heusler

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1912

D, Helgis Wiederkehr

Helgi vermählte sich mit Sigrun, und sie gebar ihm Söhne. Aber ihr Bruder Dag sann auf Rache für den Vater Er opferte dem Odin, und Odin lieh ihm seinen Speer. Damit durchbohrte Dag den Helgi im Fesselwalde. Dann ritt Dag zu Sigrun und sagte:



***
26
Böse Botschaft
Bring ich dir zagend,
Gezwungen schuf ich
Der Schwester Weh:
Es fiel heute
Im Fesselhag
Der Edeling,
Der der Erste der Welt


***
27 Sigrun:
Dich sollen alle
Eide schlagen,
Die du Helgi
Einst heilig schwurst
Bei des Leiptstromes
Lichten Fluten
Und bei dem feuchten
Felsen der Unn!



Thule-Bd.01-149 Edda Heldendichtung Flip arpa



***
28
Nicht schwimme das Schiff;
Das schwimmt unter dir,
Ob steifer Sturm
In den Segeln steht!
Nicht renne das Roß,
Das rennt unter dir,
Folgt auch der Feind
Auf den Fersen nach!
Nicht schneide das Schwert,
Geschwungen von dir,
Es sause denn
Dir selbst ums Haupt!


***
29
Das hieß ich Rache
Für Helgis Mord,
Wärst du ein Wolf
Im Walde draußen,
Fern der Freude,
Fern dem Reichtum,
Berstend vom Aas
Der Atzung dein:


***
30 Dag:
Wirr bist du, Schwester,
Und wahnbetört,
Daß deinem Bruder
Du böses wünschst!
Alles Unheil
Ist Odins Werk
Der zwischen Schwäger
Schuldrunen warf.


***
31
Dir gibt dein Bruder
Goldne Ringe,
Wandils Weihtum
Und Wigdals Flur;
Die halbe Heimat
Den Harm dir sühne,
Du kleinodgeschmückte,
Und den Knaben dein!


***
32 Sigrun:
Nicht sitz ich selig
Zu Sewaberg,
Nicht früh noch spät
Freut mich das Leben,
Flammt nicht im Licht
Des Fürsten Schar,
Trägt nicht den König
Sein Kampfroß heim,
Das goldgezäumte,
Ich grüßte ihn froh.


***
33
So setzte Helgi
In helle Furcht
Seine Feinde all
Samt ihren Freunden,
Wie vor dem Wolf
Wild zerstieben
Die Geißen vom Berg
In grausem Schreck.


***
34
So ragte Helgi
Aus der Helden Schar
Wie der edle Stamm
Der Esche im Dorn,
Wie der mächtge Hirsch
Im Morgentau
Über alles Wild
Das Geweih erhebt,
Daß auf gen Himmel
Die Enden glänzen.



Thule-Bd.01-150 Edda Heldendichtung Flip arpa

Eines Abends ging die Magd der Sigrun an Helgis Grabhügel vorbei und sah, wie Helgi mit vielen andern auf den Hügel zuritt. Sie sprach:



***
35
Ists Blendwerk nur,
Was ich erblicke?
Ists Götterdämmrung? —
Begrabne reiten,
Ihr spornt die Rosse
Mit spitzen Eisen —
Oder ist den Helden
Heimkehr gewährt:


***
36 Helgi
Nicht Blendwerk ists,
Was du erblickst,
Noch Weltende,
Gewahrst du uns auch,
Wie wir spornen die Rosse
Mit spitzen Eisen;
Auch Heimkehr ist
Den Helden versagt.

Die Magd ging nach Hause und sagte:



***
37
Hinaus geh, Sigrun
Von Sewaberg,
Willst du finden
Den Volkslenker!
Heim kam Helgi,
Der Hügel ist offen;
Das Speermal blutet
Es bat der König,
Du sollest trocknen
Der Wunde Tropfen

Da ging Sigrun zu Helgi in den Hügel und sprach:



***
38
Nun bin ich froh,
Da ich dich gefunden,
Wie Odins Falken,
Nach Atzung gierig,
Wenn sie Wal wittern
Warme Beute,
Oder taubenetzt
Das Tagrot schaun.


***
39
Küssen will ich
Den toten König,
Eh du die blutge
Brünne abwirfst.
Mit Reif ist, Helgi,
Dein Haar bedeckt,
Beträuft ist die Brust
vom Tau der Schlacht;
Klamm sind die Hände
Von Högnis Eidam:
Wie soll ich, Herrscher,
Dir heilen das Leid?



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***
40 Helgi
Du schufst, Sigrun
Von Sewaberg.
Daß Helgi so
vom Harmtau feucht:
Du goldige weinst
Grimme Zähren,
Schöne Südmaid,
Vorm Schlafengehn:
Die fallen blutig
Auf des Fürsten Brust,
Kalt und nagend,
von Kummer schwer.

Sigrun bot ihm ein Trinkhorn dar; da sprach Helgi:



***
41
Trefflichen Trank
Trinken wir noch,
Ob Leben und Land
Verloren sind!
Keiner singe
Uns Klagelieder,
Sieht er die Brust
Auch durchbohrt vom Speer!
Nun ist die Maid
Mir, dem Toten,
Die Herrschertochter;
Im Hügel gesellt.
42 Sigrun:
Ein Lager hab ich dir,
Helgi, bereitet,
Frei von Kummer,
Du Königssproß:
Im Arm will ich,
Edler, dir ruhn,
Wie ich im Leben
Weilte bei dir.


***
43 Helgi:
Nun will ich nichts
Unmöglich nennen,
Nicht jetzt noch je,
Du junge Fürstin:
Dem leblosen
Liegst du im Arm,
Du hehre, im Hügel,
Högnis Tochter,
Und lebst dennoch,
Du lichte Maid!

Als der Morgen graute, erhob sich Helgi und sagte:



***
44
Reiten muß ich
Rötlichen Pfad,
Das fahle Roß
Die Flugbahn lenken,
Muß westlich sein
von Windhelms Brücke,
Eh der Hahn im Saal
Das Siegvolk weckt.

Am Abend darauf ließ Sigrun die Magd Wache halten am Hügel. Nach Sonnenuntergang kam sie selbst heraus und sagte:



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***
45
Gekommen wäre,
Wollt er kommen,
Nun Sigmunds Sohn
Aus Odins Saale.
Hoffnung auf Helgis
Heimkehr dunkelt:
Schon sitzen Aare
Im Eschengezweig,
Es treibt das Volk
Dem Traumland zu.


***
46 Die magd :
Nicht sei so verwegen,
Allein zu wandern,
Herrschertochter,
Zum Heim der Toten!
Mächtiger sind
Um Mitternacht
Der Toten Geister
Als im Tageslicht.


***
Sigrun lebte nicht mehr lange vor Schmerz und Leid.

Copyright: arpa, 2015.

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